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Tageblatt. Amtsblatt des Kgl. Bezirksgerichts zu Freiberg, sowie der Kgl. Gerichtsämter u. der Stadträthe zu Freiberg, Sayda u. Brand. 55 Erscheint jeden Wochentag früh 9 U. Inserate wcrdm bis Nachm. 3 Uhr für die nächste Nr angenommen. Dienstag, den 7. März. Preis vierteljähri. 20 Ngr. Inserate werden die gespaltene Zeile oder deren Naum mit 5 Pf. berechnet. 1863. -i- Freiberg, den 6. März 1865. Ueber die Stellung, welche in der schleswig-holsteinischen Angelegenheit Oesterreich den preußischen Forderungen gegenüber einzunehmen gedenkt, sind meist nur Vermuthungen vorhanden. Das Wiener Cabinet wird auch kaum dies Dunkel in den nächsten Tagen lösen, da ein gründliches Studium der umfänglichen preußischen Note zu erwarten steht. Einige Andeutungen der „N. Fr. Pr." dürften nicht uninteressant sein. Ein Correspondent derselben schreibt: „Die Depesche des Herrn v. Bismark vom 21. Februar stellt einfach die Alternative ans zwischen der Annexion und der bundesstaatlichen Unterordnung der drei Herzogthümer unter Preußen, verhehlt auch nicht, daß das preußische Cabinet, gewiß mit vollem Rechte, die letztere Lösung für die schlechtere hält. Im Uebrigen soll alles Weitere Vorbehalten bleiben, bis das Rechts gutachten des Kronsyndicats vorliege; denn — dahin geht das wenn auch nicht ganz klar hingestellte Conclusum — würde dieses- Rechtsgutachten Preußen als erbberechtigt anerkennen, so wäre die Frage auch auf dem Rechtswege endgiltig gelöst und Preußen würde in Besitz treten. Somit stellt sich die Sache folgendermaßen: auf der einen Seite so wie so Annexion, auf der andern Seite entweder jetzt schon mit Zustimmung Oesterreichs oder später, falls die Rechts entscheidung gegen Preußen ausfällt, der engste Anschluß. Das ist io eonecvta der Sinn der preußischen Vorschläge. Immerhin sind sie aber vorerst hypothetisch und incidentiell gestellt, und es neigt sich auch, wie wir vernehmen, die Ansicht der maßgebenden östereichischen Staatsmänner dahin, die preußischen Propositionen, statt sie eingehend zu discutiren, was doch nur dazu führen würde, daß das preußische Cabinet sich auf den Vorbehalt der Rechtsfrage zurückzieht — blos als Jncidenzfall aufzufasscn. Die preußischen Propositionen einfach als unannehmbar bezeichnend, würde aber das österreichische Cabinet sich auf eine längere Fortdauer des gemein samen faktischen Besitzes der drei Herzogthümer einrichten und die ihm aus diesem Contuminat erwachsenden Rechte in strengerer Weise als bisher zur Geltung bringen. Die bisher in der gemein samen commissarischen Verwaltung seitens Oesterreichs zugelassene laxe Praxis würde aufhören; der systematischen Borussificirung der Herzogthümer durch die allmählige Einführung der „preußischen Zucht" in die Verwaltung würde mit Entschiedenheit entgegengetreten; einseitige preußische Anordnungen in Bezug auf die Anlegung von Canälen und Docks und Errichtung von Banken, die ausschließliche Anstellung preußischer Beamten im Post- und Telegraphenwesen, im Sicherheitsdienste u. s. w. würden nicht mehr geduldet, und was in dieser Beziehung bereits geschehen ist, müßte redressirt werden. So verfahrend, verhält sich Oesterreich streng innerhalb der Sphäre seines Rechtes, übt aber damit ein um so stärkeres Compelle auf Preußen, als diesem kein Mittel dagegen zur Ver fügung steht. Gleichzeitig aber auch würde die österreichische Re gierung nicht länger dahin ihren Einfluß verwenden, den Bund abzuhalten, in die Action einzutreten." Ein anderer Correspondent schreibt: „Die Berathungen über die Fassung der Antwort, welche auf die preußischen Forderungen zu ertheilen sein möchte, sind noch nicht abgeschlossen. Darüber freilich ist der Ministerrath keinen Augenblick im Zweifel gewesen, daß diese Forderungen vollständig unannehmbar seien, aber es gilt jetzt, die geeignete Form für. die Fortsetzung der Verhandlungen zu finden, und es ist wenigstens nicht unwahrscheinlich, daß die preußischen Forderungen insofern deren Basis bilden werden, al« man dieselben einzeln discutirt und sie eventuell ganz ablehnt oder ihnen abschwüchende Amendements an die Seite stellt, speeiell in dem Sinne, daß beispielsweise Rendsburg nicht preußische, sondern Bundesfestung, Kiel nicht preußischer, sondern Bundeskriegshafen, die von Preußen bezüglich des Verbindungscanals für sich bean spruchte Begünstigung dem gesammten Bunde zugewendet werde rc. Dabei verhehlt man sich hier indeß keineswegs den verhältnißmäßig geringen Werth der Fortführung solcher Pourparlers, weil Preußen nicht etwa auch nur angedeutet hat, es werde bei Gewährung der jetzt gestellten Forderungen auf alle weitergehenden Ansprüche und namentlich also auf die eventuell zu begründende eigene Erbfolge verzichten, sondern weil es im Gegentheil diese Forderungen ganz ausdrücklich nur als hypothetische hingestellt und sich für den Fall, wo die Kronjuristen den preußischen Erbansprüchen eine Berechtigung zuerkennen würden, deren Geltendmachung, d. h. die vollständige Einverleibung der Herzogthümer ebenso ausdrücklich Vorbehalten hat. Die preußischen Kronjuristen aber dürften geschult genug sein, um für jene Erbansprüche das erforderliche Beweis-Material zu entdecken." . Ueber denselben Gegenstand schreibt man der Berliner „Volks- Zeitung" aus Wien: „Wenn es Ihnen, wie ich es als selbstver ständlich voraussetze, um die Wahrheit zu thun ist, auch wenn sie unangenehm klingt, so darf ich Ihnen wohl sagen, daß jene Depesche hier viel Erbitterung hervorgerufen hat. Es ist auch in der That eine starke Zumuthnng, die Herr v. Bismarck unserem Cabinete gegenüber macht. Oesterreich soll in die Annexion der Herzogthümer willigen. Warum und wofür? Man fragt sich hier — und das nicht blos in den der Regierung fern stehenden politischen Kreisen — ob etwa die österreichischen Truppen deshalb an die Eider zogen, damit Preußens und nur Preußens Machtgebiet sich erweitere? Die öffentliche Meinung in Oesterreich steht in diesem Falle der Regierung- zur Seite, wenn sie es unternimmt, Herrn v. Bismarck rund heraus zu sagen, daß das in der Regel nicht die Methode sei, mit welcher zwei gleichberechtigte Compagnons bei Auflösung eines Geschäftes sich trennen. Der Pression dieser öffentlichen Meinung wird und kann die öffentliche Meinung nicht widerstehen, mag die österreichisch-preußische Allianz noch so fest gekittet sein. Hr. v. Bismarck rechnet offenbar wesentlich mit der durchaus ver kehrten, unselbstständigen Politik, welche die österreichische Regierung, wie in den meisten Fragen so auch in der schleswig-holsteinischen bisher verfolgt hat; die neueste Annexionsdepesche aber scheint dem hiesigen Cabinet endlich die Augen geöffnet zu haben. Nach Allem, was von sonst gutunterrichteter Seite verlautet, wird die österreichische Regierung der preußischen vorläufig zwar noch nicht die Freundschaft kündigen, gleichwohl aber die gestellten Forderungen als unan nehmbar bezeichnen und sich gleichzeitig auf ihr vertragsmäßig begründetes, jenem Preußens gleichstehendes Recht zurückziehen, letzteres unter Verwahrung gegen jede fortschreitende Festsetzung Preußens in den Herzogthümern. Ob Hr. v. Bismarck sich dadurch irre machen lassen wird, ist freilich eine zweite Frage, denn wenn es sich um die That handeln sollte, um einen andern, ausgiebigeren Widerspruch als jener ist, der auf das Papier gesetzt wird, dann dürfte Hr. v. Bismarck wahrscheinlich mehr Muth entwickeln, al- alle unsere Minister zusammen. Jedenfalls wird die Affaire sich noch einige Zeit unter gegenseitigem Notenaustausch hinziehen, und wenn es dann zur Entscheidung kommt, so wird der hiesigen Re gierung, wenn sie anders Ernst machen will, auch der Einfluß d^r Reichsvertretung zur Seite stehen, die den erstbesten Anlaß ergreifen wird, um die Angelegenheit zur Sprache zu bringen." Aus Preußen ist nichts wesentlich Neues zu berichten. - Die Handelscommission des Abgeordnetenhauses hat in Bezug auf die Bankfrage beschlossen, der Regierung nur dir Ermächtigung zu er«