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6 Akademie-Echo Lehrreiche, sehenswerte Ausstellung im Albertinum Heinz Rieger, Diplomlehrer für Marxismus-Leninismus Meine Gedanken zur Ausstellung Der Bauer und seine Befreiung Als einer der ersten Besucher dieser Ausstellung konnte ich viele interessante Eindrücke mit nach Hause nehmen und schon etwas verblaßtes historisches Wissen wieder auffrischen und berei chern. Die 380 Exponate (davon 144 Leihgaben) vermitteln nicht nur ein schönes Erlebnis bildender Kunst, von Graphiken aus der Zeit der frühbürgerli chen Revolution über Darstellungen bäuerlichen Lebens aus dem 17. bis 19. Jahrhundert bis zur künstlerischen Interpretation der revolutionären Umge staltung auf dem Lande nach 1945. Sie dokumentieren auch Leben und Kultur, Unterdrückung, Kampf und Befreiung der Bauern in Flugschriften und Doku menten, Münzen und Waffen, Werken der Volkskunst und anderen Zeugnissen bäuerlicher Entwicklung. Der mit der Kunst Vertraute wird viel Bekanntes wiederfinden, das sich jedoch im Rah men der Ausstellung tiefer und in historischer Dimension erschließt. Dazu tragen auch die übersichtliche Gliede rung der Ausstellung und ausführliche Erläuterungen bei, so daß jedem Be trachter ein umfassender Einblick in den Werdegang der Klasse ermöglicht wird, die sich erst als Bündnispartner der Arbeiterklasse im Zuge der sozialisti schen Revolution vollständig befreien konnte und heute entscheidender Mitge stalter der entwickelten sozialistischen Gesellschaft ist. Für den aufmerksamen Betrachterder Ausstellung ist es geradezu spannend zu erleben, wie sich die Klasse der werktäti gen Bauern im Laufe der Jahrhunderte gewandelt hat, aber auch wie ihre künstlerische Darstellung stets einer klassenmäßig-parteilichen Wertung un terlag. Das beginnt schon mit' der Darstellungswürdigkeit, die erst im Über gang vom 15. bis 16. Jahrhundert einsetzte, als in Deutschland revolutio näre Erhebungen der Bauern auf der Tagesordnung standen, die sich dann im Großen Deutschen Bauernkrieg entlu den. Aber auch die Arbeit des Bauern, sein häusliches und ländliches Milieu wurden von den einzelnen Künstlern in ihrer Zeit ganz unterschiedlich gesehen und gestaltet. Und erst recht natürlich die Kämpfe und revolutionären Aktivitä ten der Bauern als Reaktion auf die verschiedenen Formen feudaler und kapitalistischer Abhängigkeit und Unter drückung. Offene Parteilichkeit für die Sache der Bauern So finden wir z. B. offene Parteilichkeit für die Sache der Bauern in den Kupferstichen der Brüder Beham aus Nürnberg, die nach dem Bauernkrieg zeitweise aus der Stadt verbannt wurden. Der Niederländer Jan Massys schuf 1539 Armin Münch: Blatt 6 „Schlachtberg“ aus dem Zyklus „Schlacht von Frankenhausen“ — Holzschnitt Reproduktion: Staatliche Kunstsammlungen Dresden ein gesellschaftskritisches Gemälde, das die Pachtzahlung verdeutlicht. Schrek- ken und Los der Bauern im Dreißigjähri gen Krieg sind Gegenstand von Radie rungen des Franzosen Jacques Callot und des Augsburger Malers und Graphi kers Hans-Ulrich Franck. Sehr ein drucksvoll neben den holländischen Genrebildern auch das des Franzosen Mathieu le Nain: Bauern in der Schenke (um 1650). Von deutschen Meistern des 18. Jahrhunderts gefertigte, sehr realisti sche Bauernstatuetten aus Elfenbein verkörpern dagegen ein Bild des Bauern aus höfischer Sicht und von den Festge staltungen des Barock (z. B am Hofe August des Starken) her. Noch dem 18. Jahrhundert gehört das von Anton Graff gemalte Porträt des Bauernastro nomen Johann Georg Palitzsch aus Prohlis an, der den Halleyschen Kometen wiederentdeckte und dem das Verdienst der Einführung der Kartoffel und der Verwendung des Blitzableiters in Sach sen gebührt. „Manifeste der Unterdrückten“ Auch die Darstellungen des Bauern aus der Zeit der agrarkapitalistischen Entwicklung des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts sind sehr gut ausge wählt und zusammengestellt. Neben den auf Publikumswirksamkeit angelegten, zum Teil etwas sentimentalen Bildern von Georg Waldmüller und Benjamin Vautier d. Ä. beeindrucken hier der Kopf eines Bauernmädchens des großen von Courbet beeinflußten Realisten Wilhelm Leibi, die sachlich-realistische „Flachs scheuer“ von Max Liebermann, aber vor allem die „Pflügenden Bauern“ des flämischen Malers Laermans, dessen Bauerndarstellungen im Katalog treffend als „Manifeste der Unterdrückten“ be zeichnet werden. Eine Plastik von Ernst Barlach sowie Käthe Kollwitz’ großartige Blattfolge vom Bauernkrieg und zwei Blätter aus dem Zyklus „Weberaufstand“, mit dem die aktive Bewegung des deutschen Proletariats begann, an dessen Seite von nun an auch die Bauern ihren Kampf ausfechten mußten, runden diesen Teil der Ausstel lung ab. Serows bekanntes Gemälde „Dekret über den Grund und Boden“ markiert die entscheidende Wende im Befreiungs kampf der Bauern, den Beginn der Epoche des Übergangs vom Kapitalis mus zum Sozialismus im Weltmaßstab. Im ersten Abschnitt dieses Teils der Ausstellung, etwa bis zum Ende des zweiten Weltkriegs, fand ich auch weni ger bekannte Bilder, z. B. von Ewald Schönberg aus Geising, von Peter Au gust Böckstiegel, der selbst Bauernsohn war, sogar eine kubistisch gemalte Bäuerin von Picasso aus der Ermitage. Ausgewählte Dokumente und Plakate zur Bauernpolitik der KPD, Fotomontagen von John Heartfield aus der Zeit des Weimarer „Zwischenspiels“ (Weinert) wechseln hier mit Arbeiten von Otto Nagel, Hans Grundig, Curt Querner, Fritz Schulze und anderen. Bündnispartner der Arbeiterklasse \ Ein großer Teil der Exponate doku mentiert schließlich die demokratische Bodenreform, den Sieg der Genossen schaftsbewegung auf dem Lande und die Wandlung der Klasse der werktätigen Bauern zur neuen Klasse der Genossen schaftsbauern. Ich begegnete einer Reihe von Gemälden, Graphiken und Plastiken, die ich aus früheren Kunstaus stellungen kenne (von Rudolf Bergander, Bert Heller, Walter Womacka, Paul Michaelis, Willi Sitte, Walter Arnold und vielen anderen). Aber im großen Ensem ble der Ausstellung; verbunden mit wichtigen Dokumenten, von denen eine Arbeitskarte zur sozialistischen Kollekti vierung der Landwirtschaft im Bezirk Dresden den Blick besonders auf sich zieht, erfahren sie eine neue kunst- und kulturhistorische Wertung und gewinnt ihre Betrachtung auch neuen ästheti schen Reiz. Die Ausstellung schließt mit einem in seiner künstlerischen Geschlossenheit sehr beeindruckenden Raum, in dem Werke vereint sind, die sich mit dem Bauernkrieg auseinandersetzen, so z. B. Lea Gründigs Radierungen zum Bauern krieg, Heinz Zanders Polyptychon, Gra phiken von Armin Münch dnd von Dagmar Ranft-Schincke, aber auch das faszinierende Gemälde von Horst Sa- kulowski und die drei Holzschnitte von HAP Grieshaber aus der BRD. Ich bin der Meinung, daß die Ausstel lung infolge ihres sehr hohen Gehaltes und Wertes für die Allgemeinbildung wie kaum eine andere geeignet ist, breiteste Bevölkerungskreise an die Problematik des Bauern und seiner Befreiung heran zuführen. Kulturfunktionäre der AGLs Die Ausstellung „Der Bauer und seine Befreiung — Kunst vom 15. Jahrhundert bis zur Gegenwart“ ist bis 4. Januar 1976 geöffnet. Öffnungszeiten: täglich 10 bis 17 Uhr, Dienstag 10 bis 19 Uhr, Don nerstag geschlossen. x Jeweils am Dienstag beginnen 17 Uhr Kunstgespräche und Sonderfüh rungen in der Ausstellung. Die Themenstellungen werden in den Veranstaltungsplänen bekanntgegeben. Führungsanmeldungen montags bis donnerstags von 8 bis 12 Uhr im Informationsbüro/Zwinger, Ruf: 49 62 91.