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— Nr. 187.- 1899.- Diese verbreitetste unparteiische Zeitung erscheint Wochentag- Abends (mit DatnmdeS nächsten Tage») und lostet mit de» süns wöchentlichen Beiblättern: Kleine Botschaft, Siichfischer Erzähler, Gerichts-Zeitnng, Sächsisches Allerlei, Jllnstrirtes Unter- haltrmgShlatt, bei den Postanstalten und bei den Ausgabestellen «ivnatlich 10 Pfennige. P-Mtr: i. Nachtrag Nr. 28°?7. je: Brneralaujeigec tcl« Skr. ras. General- Sonntag, den IS. August. Anzeiger für Chemnitz und Umgegend. (Sächsischer LandeS-Anzeiger). — Gegründet 1878 als „Anzeiger" re. Verlag »nd Rotationsmaschinen »Druck von Alexander Wiede in Chemnitz, Lheaterstraste Nr. 8, Inseraten - Preis: Die s ge« spalten» CorpnSzeile od.-r deren Raum 20 Psg. (PreiSvcrzeich» nisse t» Zeile 2> Pfg.) -7 Be« vorzngte Stelle (Reklaine-Zelle) 60 Pfg. Bei vorauSbestellte» Wiederholungen größerer In« serate entsprechender Rabatt. — Anzeige» sitr die Nachmittags erscheinende Nummer könne» nur bis Vormittag 10 Uhr an genommen werde». Geschäftliche rbnzciger- Inserat« finden sitr billigste» Prel- zugleich Verbreitung durch di« täglich erscheinende Chemnitzer Eisenbahn-Zeitung. Die Selbstständigkeit Bayerns und das Reich. Kürzlich ging durch die ganze Presse jene eigenartige Motivirung, welche die katholische Studentenschaft Würzburg» ihrer Ab- lehnung einer Ehrung für den Fürsten Bismarck geben zu müssen geglaubt hat. Man ist nicht näher darauf eingegangen, indem man von dem a» sich richtigen Gedanken ausging, daß unreife Menschen einer Widerlegung kaum werth seien. Wir meinen aber, daß doch eine Klarstellung aus zwei Gründen wünschenswerth ist: einmal, weil die Ausführungen der jungen Studenten sich ganz ji» den Bahne» bewegte», die seit dem Ausfall der bayerischen Wahlen von der führenden Zentrumspresse des Landes eiugeschlagen worden sind und zweitens, weil diese Auslassungen ein eigenthümlicheS Licht auf die bayerischen Schulverhältnisse zu werfen scheinen. Di« katholischen Würzburger Studenten sprechen in ihrer Er klärung in Uebereinstimmuiig mit ganz ähnlichen Auslassungen der „Neuen Bayrische» Zeitung" davon, daß durch die Gründung des Reich- Bayerns frühere Stellung in Deutschland niedergeworsen und die Selbstständigkeit des Staates vernichtet worden sei. ES sei hier nicht weiter darauf eingegangen» daß gerade Bayerns Selbstständigkeit bei den bei der Gründung des Reichs voraufgehenden Verhandlungen und Verträgen in höherem Maße berücksichtigt worden ist, als diejenige Preußens, das doch als fünfmal größerer Staat eine Be vorzugung hätte beanspruchen dürfen; es sei hier nur der Unterschied zwischen der früheren und der der gegenwärtigen Stellung Bayerns dargethan. Dieser Unterschied wird durch nichts so klar dargelegt, wie durch die berühmte Affaire Stern, die der »Neuen Bayrischen Zeitung" und den Würzburger Studenten eigentlich noch in Erinnerung sein sollte. He-cr Ster», amerikanischer Staatsangehöriger, hatte bekannt lich in Kisffngen den dortigen Badekommissar auf das Unverschämteste beleidigt, war gebührendermaßen zu einer erhebliche» Gefängnißstrase verurtheilt worden, und hatte sich dieser Straf« dadurch entzogen, daß er eine von ihm gestellte sehr hohe Kaution verfalle» ließ. Di« Sache griff dann in das diplomatische Gebiet hinüber, weil der damalige amerikanische Staatssekretär des Auswärtigen sich bemüßigt fand, in einer Note a» den deutschen Botschafter sich mit echt yankee mäßiger Ungezogenheit über die bayrische» Gerichte zu äußern. Er wurde von der deutschen Diplomatie i» sehr energischer und scharfer Weise abgefertigt und hielt es daraufhin für gut, den Mund zu halten. So war also der beleidigten bayrischen Ehre Genüge gethan worden. Gesetzt nun, die Ideale der „Neuen Bayrische» Zeitung" und der Würzburger katholischen Studeutenschast wären durch die Er eignisse 00» 1870 nicht zertrümmert worden, sonder» Bayern besäße heule noch die „Stellung" in Deulschland, die es vor 1366 be sessen hatte. Was wäre dann im Falle Stern geschehen? Es wären nicht nur,Äe in den Vereiuiglen Staate» lebenden Bayern gröblichst chikanirt worden, sondern die Rcgi.rung der Vereinigten Staaten hätte vielleicht bei der ihr eigenen Kaltblütigkeit gegenüber den Ge setzen des Völkerrechts einen bayrischen Gesandten, der sich erkühnt hätte, dem amerikanischen Staatssekretär eine so schneidige Antwort z» Theil werden zu lassen, wie es der deutsche Gesandte gethan hat, die Bekanntschaft mit de» amerikanischen Gcfängnißeinrichtungen Machen lassen. Tann hätten die bayrischen Blätter die schönsten Artikel über die gröbliche Verletzung des Völkerrechts bringen können, aber keine andere europäische Macht hätte blvs ans Liebe zu Bayern mit den Vereinigten Staaten einen Krieg angesangen. Der deutsche Bund war völlig ohnmächtig und wie stand es mit Bayern selbst? Besaß es auch nur ein einziges Kriegsschiff oder würde es heute eins besitzen, wenn die Ereignisse von 1866 und 1870 nicht statt- gesunden hätten? Heute durcheilt die Meers eins der stolzesten deutsche» Kriegsschiffe mit dem Namen „Bayern" und eine stattliche Zahl anderer großer deutscher Kriegsschiffe steht ihm zur Seite. Heute hütet sich jede Macht, die Ehre Bayerns zu verletze», weil «eben der blau-weißen Flagge die schwarz-weiß-rothe weht. Und unter dem Schutze dieser schwarz-weiß-rothe» Flagge haben sich auch Industrie und Handel kraftvoll entwickeln können. Das Münchencr Bier, die Nürnberger Spiclwaaren, die Spiegel aus Furth, die pfälzischen Farbstoffe gehe» in alle Erdtheile, und der Industrielle kan» es »vagen, seine Waare ans Tausende von Meilen hinaus zu versenden, weil die deutsche Macht seinen berechtigten An sprüchen zur Seite steht. Für diese eigenen Interessen und für die jenigen seiner Stammesoernaudte» schlägt sich heule, am Ansgange des Jahrhunderts, der bayrische Soldat, wenn ihn das Vaterland rust. Am Beginne des Jahrhunderts mußten Tausende braver bayrischcr Landcskindcr ans polnischen und russischen Schlachtfeldern ihr Lebe» lasst», NM die Interessen des korsischen Abenteurers zu vc.jechten. Dies ist der Unterschied zwischen dem Einst und dem Jetzt. Ei» Spielball in den Händen eines fremden Abenteurers war Bayer», als es noch die von den Würzburger Studenten zurückersehnte „Selbst ständigkeit" besaß, heute besitzt es, trotzdem es formell, wie es bei der Begründung mies Bundesstaate- nicht anders denkbar ist, manches Hoheitsrccht aufgebe» mußte, faktisch eine viel größere Selbstständig keit, als mancher svgenante selbstständige Staat von viel größerer Ausdehnung als Bayern. Um bei dcm oben angeführte» Beispiele zu bleiben: Die Wahrung der bayrischen Rechte mußten sich die Vereinigten Staaten zähneknirschend gefallen lassen, dem Rechte des viermal größeren Spaiiieus konnten sie frech ins Gesicht schlagen. Mir wolle» von den Würzburger Studenten ainichme», daß sie nicht bewußt die Wahrheit auf den Kopf gestellt haben. Dann aber muß man sich fragen, wie es denn eigentlich um den Gesthichtsuntcr- »icht bestellt gewesen ist, de» die jungen Leute noch vor ranz kurzer Zeit in der Schule gcnossen haben. Wenn ei» bayrischcr Geschichts- Ikhrec die Unterschiede zwischen dem Einst und Jetzt ohne jede fr. u»d- «che Voreingenommenheit für das Reich, sondern mir rein objektiv Erstellt, so können die Schüler in ihrem spätere» Leben nicht einen Partikularismus zur Schau tragen, der durch seine Unwissen heit noch mehr beschämt, als er durch seinen Fanatis mus erschreckt. Und um dieses beschämenden Eindrucks willen, den die Kund gebung der Würzburger Studenten macht, liegt cs im Interesse der bayrischen Regierung selbst, derartigen traurige», einen Tiefpunkt der Kenntnisse verrathenden Kundgebungen in Zukunft vorzubengen. Wenn schon die Bündnißtreue die bayrische Regierung nicht zur Ein schränkung derartiger Strömungen veranlassen sollte, so sollte sie doch die Selbstachtung dazu veranlassen. Politische Rundschau. Chemnitz, 12. August 1899. Deutsches Reich. — Zur geplanten englischen Reise des deutsche» Kaisers wird dem „Daily Telegraph" aus Berlin depeschirt: „Vom politischen Gesichtspunkt aus wird die beabsichtigte Reise des Kaisers zur Königin von leitenden Persönlichkeiten als ei» Ercigniß von sehr glücklicher Vorbedeutung betrachtet. Einige Jahre politischer Entfremdung zwischen den Völkern der beiden Reiche sind dahin ge gangen, seitdem Kaiser Wilhelm das letzte Mal im Jahre 1895 in CvwcS niit seiner hohen englischen Verwandten zusammentraf; aber in den maßgebenden Kreisen nurde diese Entfremdung beständig mit Bedauern bemerkt, hauptsächlich deshalb, weil kein wirklich greif barer Grund für eine solche Haltung zwischen Großbritannien und Deutschland vorhanden war. Es kan» dem englischen Volk gegen über nicht stark genug betont werden, daß Kaiser Wilhelm selbst der erste Deutsche war, der diese Entfremdung bedauert hat, und seit langer Zeit hat der Kaiser keine Gelegenheit vorübergehen lassen, um seine freundschaftlichen Gesühle für die britische Nation zum Ausdruck zu Ebringen. Fürst Bismarck nährte beständig die Ab neigung der Preuße» gegen das, was er den „englischen Einfluß am Hof zu Berlin" nannte. Die sonderbare Abneigung neuesten Datums gegen die jüngst projektirte Reise des Kaisers nach Cowes, die in Hofkreisen so stark war, geht auf die Idee zurück, daß dem Kaiser — da er sich immer auf seiner Macht aufgehaltcn hätte — nicht jener Empfang zu Theil geworden wäre, der seiner Stellung als Herrscher des deutschen Reiches gebühct. Der Empfang des Kaiser- in Windsor wird derartigen Vcrmuthungeii den Boden ent ziehen." — Neuester Bestimmung zufolge wird Prinz Heinrich im November dieses Jahres von dem Kommando des ostasiatischen Krenzergeschwadcrs entbunden und an Bord des großen Kcenzers „Hertha" i» die Heimath zurückkehren. Die Ankunft des Prinzen in Kiel erfolgt gegen Weihnachten. Um dieselbe Zeit ist in der priiizlichen Familie ein freudiges Ereigniß zu erwarten. — Die letzte» Beschwerden der klerikalen Blätter gegen die preußische Stantsregiernng wegen des noch immer mangelnden Bescheides bezüglich der Besetzung des Kölner Erzbischofs- stnhles beruhte» zu ihrem wichtigeren Theile darauf, daß man annahm, das Wahlrecht des Kölner Domkapitels sei durch den Ab lauf einer dreimonatigen Frist seit dcm Tode des Erzbischofs Krementz verfallen. Wie jetzt die „K. Volksztg." mittheilt, trifft die- im vor liegenden Falle in keiner Weise zu. — Aus juristischen Kreist» schreibt man dem „Leipz. Tagebl.": Von der Ferienkammer des Berliner Landgerichts wurden vor einigen Tagen einige Kinder freigesprochen, die eine Anzahl von Laden diebstählen verübt halten. Der Gerichtshof nahm an, daß die Kinder die zur Erkenntniß der Strafbarkeit ihrer Handlungen erforderliche Einsicht nicht gehabt hätten. Ueber diese- Urthcil entrüstet sich die „Dentsche Tagesztg.", sie meint: „Die Kinder, die nun gehört Halen, daß ihre Diebstähle nur dumme Kinderunarten gewesen seien, werden sich das recht hübsch hinter die Ohren schreibe». Sie werde» bald dahiiilcrkoinme», daß die grüßte, ja die einzige Dummheit ist, sich erwischen zu lasse». Gewiß ist manchem jugendliche» Verbrecher gegenüber eine gewisse Milde am Platze, aber diese Art ron Milde ist unverständlich und gefährlich. Wir hoffen, daß der Bericht über die Gerichtsverhandlung nicht vollkommen richtig gewest» sei. Sollte es aber der Fall sein, so würde cs allerdings im allgemeine» Interesse liegen, ihn zu berichtigen. Derartige Urlhcile sind geeignet, das Neehtsbewußtsein des Volkes zu vcrwiircn." Es scheint uns viel mehr geeignet, das Rechtsbewnßtsein des Volkes zu verwirren, wen» man in diesem Falle von Milde des Gerichtshofes spricht. Der Gerichtshof hat ja nicht aus milder Gesinnung die Kinder srei- gesprvcheu, sondern mit der ausdrücklichen Motivirung, daß die Kinder nicht die zur Erkenntniß der Strafbarkeit ihrer Handlungen erforderlich: Einsicht besessen hätt.u. Noch H 57 des R.-Str.-G.-B. ist es einfach die Pflicht des Gerichtshofes, feslzuslellen, ob die zur Erkenntniß ter Strasbackeit erforderliche Einsicht vorhanden ist, v»er nicht. Diese Feststellung wird aber nur der treffen können, der den Angeklagten in der Gerichtsverhandlung vor sich sieht und Fragen an ihn stellt, ans denen er auf die Einsicht des »lindes schließen kann. Ein Bericht über eine Gerichtsverhandlung kann »oh so genau und objektiv sein: er wird doch niemals gerade diese subtile Fegsiellung gestatten. Teshalb ist cs immer ein mißliches Ding, lediglich ans einem Berichte zu folgern, daß der Gerichtshof eine Fehlentscheidung getroffen habe. Eine Handtnug kann mit großem Raffinement begangen werden, »nd doch braucht der, der sie begeht, sich über ihre Tragweite nicht klar geworden zu sein. Beweis dafür sind die oft mit außerordentlicher Schlauheit vorgenommenc» Handlungen von Irrsinnigen. Einen Schluß wird inan allerdings mit Vesti'n»»the,t ziehe» könne», wenn Kinder wiederholt Verbrechen begangen haben: daß »cimlich die Erziehung und die Aufsicht seitens der Ellern äußerst mangelhaft gewest» sein muß. Teshalb wird gerade i-i salclien Fälle», wo die Einsicht der Kinder nicht an genommen wird, die Ueverweisnng der Kutter zur Zwangserziehung wünschenswerth erscheinen. Mögen der Zwaiigserziehnng auch noch mancherlei Mängel anhängcn, so hat sie doch jedenfalls den Bortheil, daß die Kinder ständigst Bewachung unterstehen. — Der klerikale „Elsässer" veröffentlicht als Beitrag zu dem Kapitel „Arbeitermangel .auf dem Lande" eine Zuschrift aus dem Kreise Schleltstadt, in welchem cS u. A. heißt: „Die Schuld an dem herrschenden Mangel an Arbeitskräften auf dem Lande trifft in erster Linie den Teufel, der die Maschinen erfunden, und den Großbauern, der sie eingeführt hat." Dieses Wehegeschrei geht selbst dem „Elsässer" zu weit. Ausland. Spanien. Das amtliche Madrider Blatt veröffentlicht da» Urtheil des obersten Kriegsgerichtshofes, betr. die Uebergab« von Santiago de Cuba. Darin werden die sämmtlichen betheiligten Generale und Offiziere freigesproche», dagegen wird die Eröffnung einer Untersuchung angeordnet, um sestzustcllen, wen die Beranlwortung dafür trifft, daß in Santiago die Mittel zum Kampfe fehlten, wodurch die Kapitulation erforderlich wurde. Serbien. Aus Belgrad wird geschrieben: In Folge des Rück tritts der zwei Minister, sowie wegen des Entschlusses der liberalen Abgeordnete», der Regierung und der Sknptschina wegen ihrer Haltung bei der Altentatsaffaire das Absolutorium zu verweigern, ist die Situation eine sehr ernste geworden und der Rücktritt de» ge» ammten Ministerin»!« gilt als wahrscheinlich. Einst weilen übernimmt der Finanzminister das Portefeuille t eS Ackerbau» und der Regieruugskommissar der Nationatbank das Portefeuille de» Innern. Türkei. Der Admiral Dewey hatte auch den Wunsch ans- kpche», KMtantinopel zu besuchen, wurde aber von den amtlichen Stent» der Mriijchen Hauptstadt damit in unfreundlicher Weise ab- gewiesent. Dies hat, wie man aus Konstantinopcl berichtet, haupt sächlich zwei Gründe: „Es war hier bekannt geworden, Dewey be absichtige auch einen Ausflug mit der anatolischen Bah» nach Klein asien zu unternehmen und dort die von den nordamerikanischen Missionen begründeten armenischen Waisenhäuser und Schnlcn zu besuchen Dies aber würde bei der augenblicklichen Gährung unter den Armeniern nur neuen Zündstoff schaffen können. Sodann hat inan hier die Vereinigten Staaten in Verdacht, die Erwerbung einer Flolienstation im östlichen Becken des Mittelmccres, d. h. nahe de- Suez-Kanals anznstreben, wobei sich ihr Augenmerk ans eine der kleineren Inseln nördlich von Rhodos richte, lind da der Sultan fürchtete, der Sieger von Cavite werde versuchen, diese Wünsche in etwas zudringlicher Art zu erkennen zu geben, so hielt man cs für gerathener, den unbequemen Besucher gänzlich fernzuhalteii." Die Ctöffmttrg desDortmund-Ems-Kanals. Gestern, am 1l. August, hat sich der bedeutsame Akt der feier liche» Eröffnung des Dortmiind-Eins-Kanals durch den Kaiser voll zogen. Regierende Fürsten sind die Ovationen gewöhnt, besonders Kaiser Wilhelm il. hat in seiner elfjährige» Ncgiernngszeit schon viele rauschende Beifallskundgebungen und festliche Einzüge bei seinen Besuchen in de» verschiedensten Städten erlebt. Darin stimmen aber alle Nachrichten überein, daß der Empfang, den ihm die Männer der rothen Erde gewidmet haben, Alles übcrtrisft, was je,»als an Festjubel bei de» kaiserlichen Reist» geleistet worden ist. De» Höhe punkt des Enthusiasmus stellt die Rede des Kaisers dar. Das laute kräftige Eintreten des Monarchen für den Mittellandkanal riß die Westfale» zu einer Begeisterung hin, die gerade bei diesem ernsten und ruhigen Menschenschläge unerhört ist und der Szene eine förm lich dramatische Wirkung verlieh. Die Freude war-so groß, daß man das Ende der Rede nicht abwartete, sonder» den Kaiser während des Sprechens mit immer neuen donnernden Veifallssalven unterbrach. Der Kaiser traf mit seinem Gefolge auf dcm Kanaldampfer „Streme" aus Lippe am Freitag früh nm 7'/. Uhr bei dem Hebe werk Henricheubnrg ein. Der Kaiser stieg nach Besichtigung des Maschinenhaiises, sichtlich befriedigt, bei dem Gesang eines Krieger- Vereins, wieder in den Dampfer „Strewe" und fuhr um 7 Uhr 58 Minuten bei gedeckter Frnhstnckstasel nach Dortmund weiter. Von Nanxel bis z»m Pavillon bei der Enischcrbrücke bildeten Vereine und Schulen Spalier. Kürassiere bildeten die Ehrenkompagnic am Bahnhof Nanxel. Der Kaiser war in Gardc-Knrcissiernniform. Nach der Landung im Dortmunder Hafen begrüßte der Kaiser den Oberbürgermeister Schmieding, schritt darauf die Front der Ehrenkompagnic ab, die vom Infanterie-Regiment Freiherr v. Scarc (3. Westfälisches Nr. 16) gestellt war und begab sich, von tausend stimmigen Hochrufen begrüßt, nach dem Kaiserpavillon zur Feier der Hafen- und Kanaleinweihung. Oberbürgermeister Schmieding richtete, nachdem Gesang die Feier «»geleitet Halle, eine Ansprache an den Kaiser, in der er nnter Hinweis ans die einmnthige Begeisterung der Bevölkerung der Hoffnung ans den Schuh des Staates bei ter schwierigen Lage der Kanalverbältnisse Ausdruck gab. Der Kaiser erwiederte hieraus, er wäre gern früher gekommen, die Sorge um seine hohe Gemahlin habe ihn zurttckgehalten. Der eben besichtigte Kanal erscheine als ein Theilwerk (stürmische» Bravo!); er und die Negierung seien fest »nd nner» schüttcrlich entschlossen, wciterzugche» (stürmischer Bravo!); er hoffe, daß die Volksvertretung noch in diesem Jahre ih» in die Lage versetzen werde. (Bravo!) Hierauf gab Banrath Mathics eine technische Darstellung über Art »nd Bedeutung des Kanalbanes und überreichte dcm Kaiser eine hierauf bezügliche Denkschrift. Mit Gesang schloß die Ein» iveihnngsfeier. Danach fuhr der Kaiser unter brausenden Hochrufen zu Wagen über lie von Ehrenjungfrauen besetzte Brücke zur „Dort munder Union".