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General-Anzeiger für Chemnitz und Umgegend : 06.10.1898
- Erscheinungsdatum
- 1898-10-06
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id512384843-189810068
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id512384843-18981006
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-512384843-18981006
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
General-Anzeiger für Chemnitz und Umgegend
-
Jahr
1898
-
Monat
1898-10
- Tag 1898-10-06
-
Monat
1898-10
-
Jahr
1898
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Donnerstag, den 6. Oktober. tz? Nr. 232. — 1S9S. »lese verbreitetste »»parteiische Leitung erscheint Wochentags Abends (milDatum des »iichstcn Lager) und kostet mit den sechs wöchentlichen Beiblättern: L. Sächfifcher Erzähler, L. Meine Botschaft, 8. Gerichts-Zeitung, ». Sächsisches Allerlei, k. Jllnstrirtes Unter- haltungsvlatt, L. Lnstiges Bilderbuch silr Cheinnih: Monatlich 40 Psennige! bei den Postanstaltc»: Monatlich 50 Plennige. 1698. Postliste: Nr. 2808. ttlcaramm -Adr-ffe: ü!cu,rali,»zk!g». General- Anzeigenpreis: «gespalten» TorpnS,teile (ca.S Silben fassend) oder deren Nanm 15Psg. (Preis verzeichnisse ä Zeile 20 Psg.) — Bevorzugte Stelle («gespaltene Petit-Zeile circa 11 Silben fassend) 30 Psg. — Anzeigen könne» nnrbi» Vormittag 10 Uhr angenommen werde», da Druck und Verbreitung der großen Auslage längere Zeit erfordern. für Chemnitz Umgegend. (Sächsischer LandeS-Anzeiger). Gegründet 1878 als „Anzeiger" rc. Verlag nnd Rotationsmaschinen-Dr»« von Alexander Wiede in Chemnitz, Lheaterstratz« Nr. 8. Geschäftliche A»zeig«-.-Jnserate finden für billigste» Preis zugleich Verbreitung durch die täglich erscheinende Chemnitzer Eisenbahn-Zeitung. Amtliche Anzeigen. Handelsregister-Eintrag,«i»gen. Auf dem die Firma „Alfred Schneider" in Chemnitz betreffenden olinm 992 wurde verlautbart, daß die Kausleute Herr Hermann Friedrich Fritzsche und Herr Christian Otto Wendler, Beide i» henmitz, am 1. Oktober 1898 Mitinhaber geworden sind, aus Folium 673 wurde die am 1. Oktober 1698 errichtete Firma „Fröde L Brümmer" in Siegmar eingetragen und verlautbart, daß Herr Kaufmann Paul Hermann Fköd« und Herr Kaufmann Emil Robert Brümmer daselbst Inhaber sind und aus Folium 33 des Genosscnschaflsregistcrs wurde der in Rabenstein unter dem Namen „Tnrnverein Dberrabenstein" bestehende Verein als juristische Person eingetragen. Zwangsversteigerung. Das Im Grnndbuche ans den Name» Peter Günther eingetragene, In Chemnitz (Sonnenstraße Nr. 65) gelegene Grundstück, Folium 3935 des Grundbuchs, Nr. 2690 des Flurbuchs, Nr. 797 Abth. III des Brandkatastcrs für Chemnitz, bestehend aus einem neuerbante» Wohnhanse, sewie Hof- ranm, geschätzt auf 48,300 Mk., soll an hiesiger Amtsgerichtsstclle zwangsweise versteigert werden nnd cs ist der 3. November 1898, Vor mittags 9 Uhr, als Anmelketermitt, ferner der SS. November 1898, Vormittags Uhr, als Versteigernngstermin, sowie der 8. Dezember 1898, Vormittags 11 Uhr, als Termin znr Ver kündung des VertheilttngSplans anberaumt worden. Die Ncalberechtigtcn werten aufgcfordert, die auf dem Grundstücke lastenden Rückstände an wiederkehrcndc» Leistungen, sowie Kostcnfordernngen spätestens im Anmeldelernnne anzuinclde». Eine Uebersicht der aus dem Grundstücke lastenden Ansprüche und ihres Rangverhältnisscs kann nach dein Anmcldetermiue in der Gcrichtsschreiberei des königl. Amtsgerichts eiu- gesehen werden. 18. öffentliche Sitzung der Stadtverordneten. Donnerstag» de» 6. Oktober 1898, Abends 6 Uhr. Tagesordnung: 1- Geschäftliche Mittheilungen. 2. Berichte des Finanz - Ausschusses über: a. die Rathsvorlage, Arealerwerbung an der äußeren Dresdnerstraße betreffend, b. die Rathsvorlage, das Abkommen mit dem Kausmämiischcn Verein hier betreffend, v. die Rathsvorlage, die An schaffung nnd Ausstellung einer zweiten Wäschemangel und die damit ver bundenen bauliche» Ausführungen im Stadtkrankenhausc betreffend, ck. die Rathsvorlage, die Anschaffung verschiedener mikroskopischer und bakteriologischer Apparate und Instrumente für das Stadtkrankenhaus betreffend. 3. Berichte des PrüsungS - Ausschusses über: a. die Rechnung des Stadttheaiers auf daß Jahr 1897, d. die Rechnung des Elektrizitätswerkes auf dar Jal,r 1897. 4. Berichte l«S Versassuugs-NuSschusseS über: a. die NaihZvorlage, betreffend Regelung der PensionSverhällnisse des Herr» Chefarztes Dr. Reichel und des Herr» Prosektors Prof. I),-. Nauwerck, 5. die Rathsvorlage, betreffend dis" Anstellung eines juristische» Hilfsarbeiters, o. die NathSvorlage, betreffend die Legung von Gasleitung im komwmilicheu Hause Soniiciistraße Nr. 27, ck. die Rathsvorlage, betreffend de» Beitritt der Stadtgcmeiudc zum Deutsche» Zeutralkomiiec znr Errichtung von Heilstätten für Lungenkranke, s. die Rathsvorlagc, betreffend das Gesuch des Besitzers des Grundstückes Berg straße 11 um Erlaß des durch Rohrbruch entstandenen Wasserschadens. 3. Antrag der Herren Stadtverordneten Loreuz und Genossen. — Hieraus gehcitnc Sitzung. -M Politische Nimdschan. Chemnitz» de» 6. Oktober 1898. Derilschcs Nsich. — Der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes, Stacitsmiuister von Bülow, ist Montag Abend i» Berlin cingeiroffen. — Ebenso wie der Erzbischof von Posen, Herr v. Stablewski, ist jetzt auch der Bischof von Trier, Herr Kor um, in Begleitung des Weihbischoss und des bischöflichen Gcheimsekretärs nach Nom ab ge reist. Die Herren » erde» sämmtlich länger als einen Monat dort verweilen. — Das „Berliner Tageblatt" will wissen, das Stantsministerinm beabsichtige nachdrückliche Maßregeln zur Verhütung des Bekanntwerdens vertraulicher Akte»stücke. — In Bayern erregt die Veröffentlichung eines geheimen Erlasses des Kriegsministers durch das sozialdemokratische Organ in München Aussehen. Der Erlaß wendet sich gegen die Vertretung persönlicher Interessen von Offizieren und Militärbcamten in der Presse oder durch Mitglieder der Kammer der Abgeordneten, soweit diese von Offizieren und Beamten immiiteibar angeregt sei. Dieses Verfahren stehe mit den alerhöchsten Vorschriften, nach denen die Anbringung aller Bitten, Gesuche und Beschwerden ausschließlich ans den Dienstweg verwiese» ist, i» Widerspruch und müsse die ernsteste Mißbilligung des Kriegsmiuisterimus finden. Die Betretung solcher Nebenwege sci mit der Slaudeswürde der Offiziere unvereinbar, welche von der festen Ucbcrzcugung getragen sein sollten, daß ihre Persönliche,, Interesse» nirgends eine wohlwollendere Förderung und Ihaikräftigere Unterstützung finde» als bei den militärischen Vor gesetzte». Wenn j„ einzelne», dem Ministerium bekannt gewordenen Fällen eine unmittelbare Inanspruchnahme nicht erfolgt sein sollte, so scheine doch durch de» öffentlichen Verkehr die allgemeine Auf merksamkeit auf die bestehenden Wünsche gelenkt nnd Letztere hierdurch der Presse nnd der Volksvertretung zugänglich geworden zu sei». Werde von den Angehörigen der Armee vermieden, persönliche Ver hältnisse und Wünsche j» der Ocffenilichkeit »ud vor uuberusenen Zeugen zu bespreche», so würden die Fälle seltener werden, daß Fern- stehenoe sich zu einer Hilfeleistung bemüßigt finden, die weder das allgemeine Ansehen des Standes zu heben, »och die Interessen des Einzelnen zu fördern geeignet sei. Das Kriegsiiiiiiistoriiiin erwarte!, daß die Komma,idostcllen und Behörden belehrend ans Offiziere re. einwirken, damit beregte Vorkommnisse nach Möglichkeit hintangchaltcn werden. — Der Zentralverba,id deutscher Bäckeriiiiiungei, „Germania" hat eine zweite Summe i» Höhe von 10,000 Mk. aus seinem Resecvesonds nach Hamburg zur Unterstützung der dnrcl den Bäckerstreik und de» Broibohkvtt geschädigten Bäckermeister ab gesandt. Die Bäckcrnninngen Deutschlands haben außerdem bisher Durch Sammlungen 23,180 Mk. ansgcbracht, welche Snnime ebenfalls ten Hamburg-Alionncr Bäckcrinmmgc» überwiesen worden ist. Die Arbeiten für einen Streik-Abwehrfvnds in Hohe von 2 Millionc» Mark werden fortgesetzt, doch soll darüber in der Fachpresse Stilb schweigen beobachtet werden. — In dem Bericht, de» der Abg. Auer auf dem sozial demokratischen Parteitag in Stuttgart erstattete, ver weilte er besonders bei der Frage der preußischen Landiagswahlen. Er gab der Hoffnung Ausdruck, daß die Erfahrungen in den Kreisen, die an der Wahl theilnehmen werden, die beste Lösung für die Zu kunft bieten würde». Ueber den Ausfall der Reichstagswahlen äußerte sich Auer sehr befriedigt. Ihre Gesammtkosten würden von dem Kassirer Gerisch auf nicht unter "/z Millionen Mark veran schlagt. Die Debatte wandte sich alsbald der grundlegenden Frage z», ob es richtiger sei, bei d:r Agitation den prinzipiellen Stand punkt der Partei stets und mit möglichster Schärfe herauszukehrcn oder das Hauptinteresse den praktischen Forderungen für die Gegen wart zuzuwende». Heine-Berlin erklärte es als eine Sache des Teinpercuncnts, ob der eine Genosse mehr von der zukünftigen Ge sellschaft rede als ei» anderer. Der Appell an den Glaube», an eine bessere Zuknnst -sei ein Kampfmittel, dessen Wirkung gerade in umgekehrtem Verhältniß zur Häufigkeit seiner Anwendung stehe. Was aber die Masse» ewig neu ausrüttele, sei der Kamps »»> die gegenwärtige» Forderungen des Tages. Bebel betonte dem gegen über die Nvthwciidigkeit, die Einheit des sozialistischen Programms auch i» der Agitation cmfrccht zn erhalten. Mit dem Ausfall der Neichstagswahlcu erklärte er sich durchaus nicht zusriedengestellt, Mau habe zum Theil zu sehr der Gewißheit des Sieges vertraut, bau» habe die Organisation Manches zu wünschen übrig gelasfi», nnd end lich fand die Parieipresse nicht die genügende Verbreitung. Stadt hagen bekämpfte ebenfalls die Verschleierung der Endziele der Partei. Gerade dort» wo prinzipielle Agitation betrieben wurde, hätte der Sozialismus die größten Ersolge gehabt. Auch vr. Schönlank- Leipzig trat der Politik des Abg. Heine entgegen nnd verlangte, man solle die LHatsache nicht vertuschen, daß wirklich ernstere Mcrnungs- differenzen über die allgemeine Parteiiaktik bestehen. Sie müßten diirchgesprochen und zur Lösung gebracht werden. Den gleichen Standpunlt nahmen auch die folgenden Redner zum größten Theile ei». — In dem Hirtenbrief, welchen der jüngst konselrirte Erz bischof vo» Freilmrg erlassen hat,.heißt es u. A.: „Unsere Zeit ist ernst und wird immer ernster. Die Religion, die An erkennung und Verehrung Goltcs ist chatsächlich in weite» Kreisen bereits Prioalsachc geworden. Viele öffentliche Einrichtungen werden mehr und mehr konfessionslos und daher auch religionslos. Immer Weiler greift der Un glaube »n, sich und Zwcifctsncht beherrscht die Geister. Man will den Menschen ei» Paradies ans Erden bereiten, während uns doch Gott in Wirklichkeit snr ein ewiges Glück geschaffen hat, dessen Genuß erst durch die Leiden »nd Opfer des Erdcnlebcns verdient werde» muß. Man spricht so viel von Liebe, und doch sind kalter Stolz nnd herzlose Selbstsucht fast die einzig treibenden Kräfte in vielen K'rvise» der heutigen menschlichen Gesellschaft. Mit einem Wort: die Anzeichen mehren sich, daß wir einem neuen Heidcu- thnin entgegeiicilcn. Uud wie cs Aufgabe der Apostel war, das alte Heiden- Ihmn zu überwinden und zn bekehre», so ist es heute Aufgabe der Bischöfe, dem neuen Heidenthnm zu wehre» und christlichen Glauben und christliches Leben der Welt zu erhalten " Der Hirtenbrief ist natürlich ausschließlich für die Diözesanen des Erzbisthums Freiburg bestimmt, so daß sich auch die Stellen, welche mit den Worten „kalter Stolz und herzlose Selbstsucht" ge troffen werden sollen, nur in diesen Kreisen suchen lassen. Es sei ihnen dieser Passus recht herzlich zur Nachachtung empfohlen. Ausland. Oesterreich-Ungarn. Kaiser Franz Josef hat durch ei» Handschreiben das Entlassungsgesuch des Handclsministers angeno m m e ». — Abgeordnetenhaus. Die erste Lesung der Vorlagen bctr. den Ausgleich mit Ungarn wurde fortgesetzt. Es ergriffen das Wort die zur deutschen Vvlkspariei gehörenden Abgeordneten Kaiser, Girstmayr und Edler v. Millesi, sowie dcr Dentsch-Fortschritllcr vr. Menger. Sämmiliche Redner sprachen sich gegen die Ausgleichs vorlagen aus. Abgeordneter Kaiser erklärte, die deutsche BvlkS- mrtei werde gegen die Verweisung an einen Ausschuß stimmen. Ein Zwischenfall hat sich nicht ereignet. Die nächste Sitzung findet heute statt. — „Narodni Listy" erklären, die Inn gtschechen würden nur dann in der Negierungsmajorität bleiben, wenn die Negierung die bindende Zusage gicbt, daß sic alle Forderungen der Tschechen, besonders die Erweiterung der Landcsautonomic und die Durch« nhrimg der Gleichberechtigung aller Sprachen erfüllen wird. Frankreich. Aus Paris wird unterm 4. Oktober gemeldet: J»r heutigen Ministerralhe wurde die Ernennung des Ralhes am Kassalionshvfe Forichon zum ersten Präsidenten des Pariser Appell hofes, sowie die des Generals Baillond znm Chef des Gencral- ekrelarials und Militärstaats der Präsidentschaft vollzogen. General Baillond tritt an die Stelle des zum Kommandeur der 14. Division ernannten Generals Hagrv». Grvsjbriiannien. Aus Portsmouth wird gemeldet, der Kreuzer „Terrible" habe Befehl erhalten, sich sccbereit zu machen. Er soll bereits, endgiltige Instruktionen empfangen hoben, noch diese Woche Kohlen einzuuehme» und sich bereit zu halten, nach dem Stille» Ozean abzugchen. Türkei." Die beiden kaiserlichen Adjutanten Major Snleima» Beh und Hanptmann Husni Beh, sowie der Beamte des Ministeriums des Aenßcren, Fazli Beh, die »nier dem Verdachte jnngtürkischer Gesinnung oder von Umtrieben jüngst nach Frankreich geflüchtet waren, sind, nachdem ihnen volle Straflosigkeit zngcsicherl worden ist, zurückgekehrt und in ihre Funktionen wieder ein gesetzt worden. China. Dcr „Laich Mail" wird ans Peking gemeldet: Der Kaiser vo» China versuchte z» flüchte», konnte aber nicht aus de» Palastgär en entkommen und wurde von den Leute» dcr Kaiserin verhaftet. Einige angebliche Verschwörer wurden ver haftet und enthauptet. Außerhalb des Palaste» ist Alles ruhig, da die Bevölkerung sich um die politischen Wirren nicht kümmert. — Wie das „Bureau -Dalziel" aus Shanghai meldet, wurden Depeschen aus Peking zwei Tage zurückgehalten. — Die Gesandten verbieten allen Fremden, nach Peking zn reisen. Die deutschen Kriegs schiffe vor Kiautschau begaben sich eiligst »ach Taku. — In Shanghai meint man, eine militärische Besetzung Pekings durch di- Mächte könne allein der jetzige» Krisis ein Ende machen. Die reaktionären Mandschus möchten allen fremden Einfluß ausrotlen. Für und gegen Dreyfrrs. Ueber den bemcrkenswerlhcn Verlauf der vo» Dreyfnsfreunde» einerseits und „Patrioten" andererseits am Sonntag in Paris ver anstalteten Kundgebungen liegt »mnnchr ein objektiver Bericht vor. Es wird geschrieben: Es war nur ein Vorspiel diesmal, aber in ihm ließ sich die Richtung des Hauptstückes erkennen. Die Charaktere des Drama- traten schon mit eigenartiger Schärfe hervor. Nur fehlt es noch a« Handlung. Bei Vorspielen ist das meistens so: es wird mehr ge- prvchen, als gclha». Also dcr erste Redakteur des gemäßigten „TempS", Francis de Presse» sä, dcr seit einigen Wochen mit Anarchisten nnd Sozialdemokraten Versammlungen abhält, in» tie „Sache der Wahrheit und des Ne.hts" zu fördern, hatte für Sonntag Nachmittag 1 Uhr den Wagram-Saal in der Avenue Wagram, einige Schritte vom Triumphbogen gemiethet. Dort wollte er mit dem sozialistischen Revolutionär Vaughan »nd dem wegen Anstiftung eines Bomben» attcntals zn lebenslänglicher Deportation verurcheiltc», inzwischen aber begnadigten Anarchisten Cyvoct für Treysns rede». Ans der anderen Seite des Triumphbogens, in der Avenue de la Grande Armöe, hatten die Gegner der Revision ihr Stelldichein wieder in einem Radfahrsaale. Jndeß kam ihr Führer, der lange Don Quixote Paul Deronlöde ans den Einfall, diese Versammlung abzusagen und seine Leute zum Wagrckni-Saale zn bestellen, wo er len Drcysnssrennden die Spitze bieten wollte. Die Veranstalter der liberal-anarchistisch-sozialdemokratisch e n- BereimgvNL. erkannten das auch als berechtigt an, da sie das »Pariser VE eiiibetiisen batte», zn dem Decoulöde und seine Patrioten doch auch gehören. Die Drehfiis/reniidc nahmen den Fehdehandschuh auf. Weniger erfreut war dcr Besitzer des Wagram-Saales, der wohl mit Recht die Folgen eines Meinungsaustausches zwischen den beiden Parteien fürchtete. Er kündigte in letzter Stunde die Micth.- und wollte das schon empfangene Geld zurückzahlen. Aber de Presscnss, Vaughan und Morhardt, die Organisatoren der Versammlung, wollten ich nicht uachsagen lassen, daß sie vor dem Kampfe zurückbebte». Mit dcr Miethsqinttung in der Hand versuchten sie den Eingang zum Saale zn erzwingen. Die Polizei ergriff iiideß Partei für den Hausbesitzer und »ahm die Herren, da diese sich heftig gcbcrdeten, beim Krage». Es gab Hauerei; die chrciiiverthcn Vertreter der Partei wurden von den Schutzleuten äußerst uiisanft g packt und zur Wache abgesllhrt. Ein Polizist »ahm Vaughan den Stock weg, zerbrach ihn über dem Knie und warf die Stücke auf die Straße. Gleich folgte das Gegenstück zu dem ersten Auftritt; Paul Dcroulede kam mit etwa 1000 Patrioten vom Triumphbogen an- marschirt. Dcr Polizeipräfekt, der den Ordnungsdienst selber leitete und ungewöhnliche, geradezu riesige Vorkehrungen getroffen hatte, schickte den Manifestanten eine Schwadron Neilcrgarde entgegen, um sie aukzuhalteii. Weiß der Kuckuck aber, wie das znging; di« Patrioten schlüpfte», obgleich sie i» starker Zahl waren, sämmtlich zwischen den Pferden durch nnd standen auf einmal an ihrem Ziel. Die Garde und sic verstanden sich auffallend gut. Sie riefen „Vivs I'nrrnes!'' und Teroulöde ermahnte sie »och ausdrücklich, jede Reibung mit den Soldaten zu vermeiden, da diese buch mit ihnen gleiche» Sinnes seien. Kurzum die Patrioten kamen ungehindert zum Wagram- Laale. Tort lhcilte ihnen der Polizei-Kommissar mit, daß die Ver sammlung nicht stattsinde und daß die Anderen verhaftet seien, — Alles in höflichster Weise. Deronlöde, der sich in seiner Nolle als Ritter vo» der Mancha fühlt, verkündete sofort, daß er hingehe, »m seine Gegner z» befreien. Großer Jubel über diesen Edelmuthi Dcroulede begab sich mit kleinem Gefolge zur Polizeiwache und bot als Deputirtcr dort den Gefangenen seine Dienste an. Man begreift wohl, daß diese ihn mit Entrüstung zurückwiesen. Sie wollten Alles erdulde», nur keine Befreiung durch Teroulöde. Dadurch entstand ei» unhösliches Wortgefecht. Die übrigen Gefangenen — cs waren schon an die 50 — mischten sich hinein, und säst wäre cs auf dem Wachtposten »och zur Rauferei gekommen. Dcr Pvlizcikomniissar stiftete endlich energisch Ruhe. Draußen ging inzwischen der Lärm weiter, lieber 1000 Schntz- nnd eine Schwadron Ncitergardc hatten die Avenue Wagram abge- sperrt »nd anfangs somit die Patrioten, die am Triumphbogen standen, von de» Drehfuslciite» getrennt, die ans der Place de- Tcrucs »laiiifestirtcn. Allmählich aber raunte» die beiden Elemente zusammen und in», begann der Kampf, dcr größtcntheils freilich nur in einem Weltkampf der Kehlen bestand- So schrie man in der eine» Gruppe: „Viva Aola! Vivs ck>icci>iarbl Vivs In rsvi^ion!" jo brüllte» die Anderen: „Vivs I'armesl ^ das /olal da, ie6 Mts!" Man muß wohl gestehen, daß die Dreyfnsfreunde nicht die Oberhand behielten. Das große Publikum verhielt sich gegen sie ziemlich feindlich, ebenso wie Polizei und Militär. Einige Burschen, die auf vorübcrsahrcndcn Pferdebahnen Hochrufe aus Zola ciussticßen, wucdcn gröblich hernntergeholt und von dcr Polizei nur mit Mühe vor Mißhandlung gerettet. Vorsichtshalber steckte man sie ein. Bel- länsig eine» echt Pariser Sittenzug: eine Tingeltaugelsä,igeri», die au dcr Ecke der Abenue Wagram wohnt, gab ihre Begeisterung für die Armse dadurch kund, daß sie unter die Tausende von Polizisten urd Soldaten Zigarren und Zigaretten vertheilte. Ucbrigeus nah«
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