Volltext Seite (XML)
— Nr. 75. — 18VV. - Beilage M Chemnitzer General -Anzeiger. Fr«I«ag. dt» RLr,. Flüchtiges Glück. X Roman von Clarissa Lohde. (6. Fortsetzung.) (Nachdruck verbalen.) Markwald siebte gerade das Gegentheil- am weibliche» Ge schlecht, das hingehend Weiche, wie Kachi es besaß, oder aber jene prickelnd herausfordernde Koketterie, die anzulocken weiß, weil ihr die Huldigung des Mannes nothwendig ist. — Da fühlte er sich immer als Sieger und daß er auch seiner reizenden Nachbari» gegenüber zu siegen hoffen durfte, das erfüllte ihn mit stolzer Befriedigung. Seine ihr mit dem Feuer tief innerlicher Leidenschaft dargebrachteu Aufmerksamkeiten verfehlten ihre Wirkung nicht. Wußte er doch ihrer jungen Eitelkeit in einer Weise zu schmeicheln, daß sie sich wie ge- Hobe» fühlte in eine Welt des Schimmers und Glanzes, die sie noch Vicht kannte, die ihre Phantasie ihr aber oft schon vorgemalt hatte. In gedampftem Tone erzählte er ihr von seiner schönen Villa im Berliner Thiergarten, die er jetzt allein bewohne; wie sein Vater schon, als er n. ch gelebt, so sehr gewünscht habe, ihn verheirathet zu sehen. Aber da sein älterer Bruder schon seit zehn Jahre» vermählt und Vater mehrerer Kinder sei, habe er geglaubt, sich seine Freiheit und das ungebundene Junggesellenleben erhalten zu dürfen. Dieses Leben habe er über Alles geliebt und nie geahnt, daß der Augenblick für ihn kommen könne, wo er das Verlangen empfände, es hinzu- gebeu für einen Blick in zwei Sterne, die reinen, lichten Augensterne eines schönen Mädchens. — Dabei seufzte er sehnsüchtig auf. ES itberlief sie, aber sie that, als verstände sie ihn nicht. War ihr doch Alles noch wie ei» Traum, ein Rausch, der vergehen müsse, sobald sic erwache. Als der Champagner gereicht wurde, erhob sich Markwald und brachte in geübter Rede seine» Dank den Gästen dar, die ihm heute Hie Ehre erwiesen hätten, dieses bescheidene Mahl von ihm anzu- nehmen. Konsul Brettner betonte seinerseits in einer Erwiderung, welche hohe Ehre es für ihn und seine Frau sei, einem so werthen Gönner und Freunde in ihrer bescheidenen Villa in G'stad Gast- Freundschaft gewähren z» dürfe». Anfangs hatten sie zwar einige Sorge empsunden, ob sie ihm, dem Verwöhnten, den Aufenthalt in dieser ländliche» Abgeschiedenheit nur einigermaßen würden erträglich wachen könne». Sein liebenswürdiges Einfügen in ihr stilles Leben hätte sie jedoch bald über diese Sorge hinweggehoben. Und jetzt bleibe ihm nur, Herrn Markwald, da er zu seinem Bedauern zur Abreise entschlossen sei, seinen und seiner Frau Dank auszusprechen für die schönen und genußreichen Stunden, die seine Anwesenheit ihnen bereitet habe, und diesem Dank den Wunsch hinzuzusügen, daß er durch baldige Wiederkehr in ihr stilles Heim ihnen beweisen möge, er habe sich wohl bei ihnen gefühlt. Hell klangen die Gläser zusammen, Markwald, der nur mit halbem Ohr zngehört hatte, verneigte sich dankend gegen den Redner und dessen Gattin, um dann mit einem heiße» Blick in Kathi's er töt hendeS Gesicht das Kelchglas mit dem schäumenden Sekt zu leeren. Unten am See von der Dampferstation her ertönte das Glocken zeichen. den baldigen Abgang des letzten nach dem Festland bestimmten Dampfers verkündend. Der Professor wurde unruhig. Es war seine Absicht gewesen. mit diesem Dampfer in Begleitung seiner Töchter nach Prien hinüber- zufahrcn, um dort Hc.»- Gunzbacher abzuholen und Abends beim Vvllmondschein gemeinsam in einem Boote zurückzurudern. Er hatte sich sehr gefreut auf diese Abendpartie, nnd nun drohte die lang- andauernde Tafel all' seine Pläne zu durchkreuzen. Dennoch auf die Gefahr hin, unhöflich zu erscheinen, erhob er sich mit einem Wink gegen seine Töchter, seinem Beispiel zu folge» und bat Markwald, ihn freundlichst zu entschuldigen, da er zur Abholung eines Fr. undes znr Eisenbahnstation , ach Prien fahren müsse. Ein allgemeiner Widerspruch erhob sich. Markwald war ganz bleich geworden, als fühle er diesen plötzlichen Aufbruch gleich einer persönlichen Beleidigung; selbst Konsul Brettner und seine kühl zurück haltende Gemahlin schlossen sich, als st« ihres GastfrcundeS Ver stimmung bemerkten, den allgemeinen Bitten an, so daß der Professor nicht umhin konnte, trotz de» heimlich abwehrenden Kopfschüttelns Cilly's, wenigstens die Töchter zurückzulafsen und sich allein aus den Weg zu begeben. ES blieb ihm auch nicht lange Zeit zum Nach denken, denn schon ertönte das zweite Glockensignal und er mußte eilends zur Station hinunter, wollte er den Dampfer noch erreichen. „Hätten Sie es wirklich über sich vermocht, Fräulein Kathi, jetzt fortzugehen?'' — flüsterte Markwald, als man sich wieder ge setzt hatte, ihr leidenschaftlich in's Ohr, „mich hier allein zu lasten?' »Allein? Sie? in dieser großen Gesellschaft?" tönte eS bebend zurück. „Allein, ja,' wiederholte er, „denn für mich ist nur Eine hier, Eine! — Ach, ohne Sie wäre ja die Sonn« für mich untergegangen, und ich müßte fortan in Nacht wandeln!" Endlich mußte man aber doch an den Aufbruch denken. Der Tag neigt« sich schon stark zum Niedergang, man wandelte noch ge meinsam zum See jenseits der Klostermauer, wo eine Bank unter einer alten, ihre Zweige weit ausbreitenden Weide stand, von der man eine herrliche Aussicht auf Herrenchiemsee mit dem Gebirgszuge dahinter hatte, in der farbigen Beleuchtung des Abend» von ganz besonderem Reiz. — Da» langgestreckte Schloß auf der Hörreninsel lag wie von Gluth übergossen da, purpurne Streifen zeichnete» sich auf dem dunkel schimmernden See, über den sich die feierliche Stille der nahenden Nacht zu breiten begann. Rur hier und da glitt ein Nachen über die leise bewegte Fluth, — ferner Gesang ertönte, — dann verglomm allmählich der Abendglanz und über dem in Duft ge tauchten Gebirgszuge fing e» an lichter zu werden, den uahen Auf gang des Mondes verkündend. „Jetzt eine Fahrt auf dem See!" schlug Markwald vör. Alles stimmte freudig z«, vußer Cilly, die gern ihre Schwester ans der gefährlichen Nähe ihres Bewunderers entfernt hätte, und dem Konsul Brettner'schen Ehepaare, di« Beide keine Liebhaber von Wasserfahrten waren und denen e» heimzukehren verlangte. Um so lebhafter waren die Wiener dabei, di« mit Markwald und Fischer sich sogleich aufmachten, die nöthigen Boote herbeizuschaffen. Cilly wußte kaum, wie es gekommen, aber plötzlich saß sie neben Fischer in einem Nachen, während sie am Ufer Markwald ihre Schwester in einen zweiten heben sah. E» schien Alle» so natürlich, so vom Zufall gemacht, und doch hatte st« das beklemmende Gesühl, daß Alle» mit Vorbedacht geplant und auSgesührt worden sei. Unter lustigem Geplauder, Hin- und Herwinken und Rusen setzte sich die kleine Flotille in Bewegung. Zuerst wurde das Brettner'sche Paar »ach seiner Villa geleitet, dann ruderte man weiter an dem bewaldeten Hügellande hin, Fischer mit Cilly voran, dann die Wiener und zuletzt Markwald mit Kathi. Schon war der Mond über dem Gebirgszuge emporgestiegeu und warf seinen zitternde» Schein über die sanft bewegte Fluth. Wie traumbefangen lagen die kleinen Häuschen auf der Fraueninsel zwischen ihrem grünen Blätterdach da, ei«zelne Fenster waren er leuchtet und blinkten gleich Sternlein aus dem Dunkel hervor. Kathi hatte den runden Strohhut obgenommen, das Mondlicht wand einen Strahlenschein um ihr blondes Haupt. Befangen, di« Augen gesenkt, so saß sie dem mit eingezogenen Rudern ganz i» ihren Anblick sich Vertiefenden gegenüber. Ihr war ängstlich zu Muthe, denn immer weiter kamen die Andern ihnen voraus. „Wollen wir nicht rascher rudern?" bat sie leise, ohne auf zublicken. Ein spöttisches Lächeln, dasselbe Lächeln, da» Cilly so un angenehm berührt hatte, umzuckte für einen Moment seine Lippen: „Fürchtet sich meine holde Taube?" fragte er, sich zu ihr neigend, während seine Augen mit heißem Verlangen ihre zarte Gestalt um fingen, und ehe sie «» zu wehren vermochte, brannte ein Kuß aus ihrem Handgelenk. „Herr Markivakd!' stieß fl« b>klommen hervor, er aber achtete nicht ihrer schüchternen Abwehr. „Du süßes, süßes Geschöpf," bebte er in Leidenschaft: „Ahnst Du denn nicht, was der Grund dieser ganzen Komödie war, die ich heule spielen mußte, nur, um zu Dir zu gelangen, um Dir sagen zu können, was Du ja schon wissen, schon fühlen mußt, daß ich Dich liebe, — liebe —' Er suchte sie an sich zu ziehen, mit jähem Erschrecken fuhr sie zurück, so daß der Nachen bedenklich in's Schwanken gerieth. „Thörin, holde, kleine Thörin,' rief er. „Willst Du, daß dl« Flnthen uns Beide verschlinge»? — Und wär's auch Wonne, mit Dir vereint zu sterben, köstlicher ist'- doch, mit Dir zu leben!" Wie Gluth dnrchzitterte die heiße Sprache der Leidenschaft da fast »och kindliche Mädchen, Flammen erweckend, die bisher noch tief ihr im Busen geschlafen. — Aus's Höchste ergriffen, beschämt, ver wirrt, schlug sie die Hände vor das Gesicht und brach in Thräneu ans: „Führen Sie mich heim, ich flehe Sie an!" „Nicht, ehe Dn mir's gesagt hast, das Wort, da» ich mit alle» Fibern meines Herzens ersehne, das süße, ans Deinen, jungfräuliche« Munde doppelt süße Wort: ich liebe Dich!" Sie antwortete nicht, — »och immer flössen ihre Thränen: „Willst Du mein, mein geliebte», angebetetes Weib werden?" bat er schmeichelnd. Noch näher neigte er sich z» ihr, ihren Blick suchend: »Sag« ja!" Ei» wenig hob sie schon die Lider: „Und wenn ich ja sage?" „Dann komme ich morgen und werbe bei Deinem Vater um Deine Hand! Und zum Herbst führe ich Dich als mein junge», an- gebetetes Weib aus mein Schloß in Gmunden.' „Und wenn ich nein sage?" lS»rt!etzung folgt.) --4DKW8 KumorMfches Accertei. Mathematische Liebe. Du bist al» Punkt geflogen, Einst i» mein leeres Herz, Hast drinn Dich sestgesogen In Freude und in Schmerz. Doch bald ward Dir's zu enge In meines Herzens Hau», Da zogst Du in die Länge» Als Linie Dich aus. D'rauf hast Du Dich verbreitert In meines Herzens Raum, Zur Fläche gar erweitert: Mir ivar es wie ein Traum. Dann hast mit Lust und Trauer Mein Hcrz Dn so erfüllt, Bis Dn mich auf die Dauer Als Körper eingehüllt. Wie breit und hoch die Liebe» Berechne ich mir zwar, Wie lang sie aber bliebe» Ist unberechenbar. Klapst ienn Hz nächst Hallen Beiblatt zum „Ehemnttzrr Geueral-Anzelger" und za», ..Sächsische» Landdoteu". Die schönsten Sterne. Gute Nacht, Du süßes Rind, Akögen Engel Dich behüten, Und der Schlummer leis und lind Streue Dir die schönsten Bküthen. Gute Nacht, und träume mild von den Schwesterlein, den Rosen, Die, Dein schönes Ebenbild, Mit den Frühlingswinden kosen. Gute Nacht, und denke mein Mindestens in holden Träumen, Mochtest so im Tagesschein Meiner zu gedenken säumen. Gute Nacht, und bleib' mir gut, Lächle gütig mir entgegen: Deiner Blicke Zauber ruht Auf mir wie ein milder Segen. Gute Nacht, die Aeuglein zu, Schließ' die holden Blicke gerne: Schöner, selbst in Schlafesruh', Sind sie doch, als alle Sterne. Lchanetphantasie. Die Nacht ist schwarz und es rast der Sturm, Die kahle» Felder — sie schauern; 'An eiiisimcr Kirche, am altcn Thurm Erzittern »nd ächzen die Mauer». Rings dunkel und öde, rings,Bange» und Grau'n Rur hoch in ei» am« Zelle Des Kirchcnglöckners ist Licht zu schau'n, In trüber, i» bänglicher Helle. Da sitzt des Glöckner's einziges Kind — Was ist's, das die Holde »och wach hält? Sprich! Betet sie, daß sie in Grauen und Wind Die Geister fern von de», Dach hält? Ach nein, nicht leuchten ihr still zum Gebet Des Kirchenlichts flackernde Stümpfe: De», Vater, der morgen zur Kirchweih geht —- Len, stopft sie die löchrigen Strümpfe! Lonbet's Hiihuerhof. Der schlichte Mann! — ein Hühnechof Ist fast sein ganz' Vermögen! — D rum, liebe Hühnchen, zögert nicht, Jetzt heißt's, 's ist eine Ehrenpflicht, Schön „gÄd'rie Mer" legen! Einst nnd jetzt. Als Schiller seine Gedichte schrieb — Zugeben muß Jeder es willig — Da ging's mit der Lieb« — der süßen Lieb' Sehr einfach und ungemein billig. Das Schönste sucht' ans den Fluren sich Der Jüngling, die Liebste zu schmück«,, Und es gelang ihm auch sicherlich. Die Holde hoch zu beglücken. Und heut, o Jüngling! sei Dir's bewußt Willst machen dem Liebchen Du Freude Ist's beim Juwelier, wo Du suchen mußt Dort glitzern die „Flnreu" von heutet Von der Theilung Ltzina's. Da streiten sich die Mächte nun Um das bezopft« Land, Bon allen Setten strecken sie Begierig aus die Hand. Wir aber schau'n gemüthlich zu Und schütteln nur den Kopf, Und nehmen, wenn uns sonst nichts bleibt, - Borlieb, halt mit dem Zopf. ^ - ' — - — > - - - — Redaktion. Druck und Vcrtaa: Alexander Wiede i» Chemnitz. Lchulsorgen. Eine kleine Ostern-Planderei. In den nächsten Tagen steht Alles unter dem Zeichen des Schul anfangs. Neue Bänke sieht man fahren; neue Tafel» und Schwämmchen sieht man heraushängen nnd neue A-B-C-Schützen sieht man überall den Schulhäusern zu wimmeln. Ein ganzes Heer »vn kleinen „Engelchen", die bis dato zu Hans gewesen sind, werden jetzt der Schule übergeben und die größten Hoffnungen knüpfen sich an die kleinsten Knirpse. Das Mutter herz hat's gleich heraus, daß ihr Sepperl der Gescheidtere ist, und ein begreiflicher Stolz, er füllt bereits am zweiten Tag ihre frohlockende Seele. „Ja", sagt die Frau Meier,. „ber Herr Lehrer hat gleich beim Einschreiben gesagt: „Ihr Scpperl — das wirb ein Richtiger, dem sieht man's an, daß er einen anschlägigen Kopf hat —' „O", meint die Frau Huber giftig „ans der Wassersuppe ist mein Pepperl auch nicht daher geschwommen! Meine Kinder sind aller dings bescheiden und eingezogen; da- haben sie von ihrer Mutter! Aber wie die Buben gestern zum ersten Mal Stricheln ans die Tafel haben machen müssen, da hat sich halt doch gleich gezeigt, daß mein Peppcrl das meiste Schenie zum Schreiben hat!" „Sv!" sagt die Fran Meier und kriegt eine Gesichtsfarbe, als ob sie einen grasgrünen Frosch nnntergeschluckt hätte „so, das freut mich ja recht! Aber wissen Sie, ganz dumm ist mein Sepperl auch nicht! Er hat zwar »och keine Stricheln in der Schule grmacht — das Ucberhetzen hat keinen Werth; da werd n die Nerven zu stark angestrengt, sagt unser Herr Doktor! Aber wissen Sie,,mein Büb' hat schon zu Hans eine gründliche Vorbildung ge nösse»! Der ist schon bis beim „O" und eia „i" macht Ihne» Der, daß Ihnen 's Herz i» Leib lacht —" „Jetzt wissen Sie!" antwortet die Fra» Huber, „Alles, ivas recht ist, aber gar zu sehr muß man nicht übertreiben! Daß Eine», bst einem dummen Buchstaben das Herz im Leib lachen könnt', das ist denn doch eine lächerlich« ücberspanntheit!" „Was?" rust die Frau Meier. „Dumme Buchstaben? Das ist eine persönliche Be leidigung, die ich nicht auf mir sitzen lasset Meinen Sie wahrscheinlich, well Ihre Kinder nichts Gescheidtes zusammenbringen? Die haben ja alle Wasserköpfe!" Die Frau Huber thut eiu-n Schlucks« und ringt »ach Athen,. „Was?" schreit st« dai«