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26 wolle gelblich schimmert und die dicken gleichfalls markfreicn Schweinsborsten schmutzig gelb erscheinen. Ta das Mark bezw. die Markröhre des Haares, wie wir jetzt wissen, ein Ho hl raum ist, so bedarf es keines besondern Beweises, auch wird es durch die Erfahrung bestätigt, daß das thierische Haar umso leichter bricht, je inarthaltiger es ist. Aus diesem Grunde eignen sich die schönen feinen und langen Haare der Seidenhasen (Kaninchenart) und der Lapins zu teurem feinen Gespinnst: sic bre ch cnbei z u st a r k e r Dre h u n g. Das Hasen- und Kaninchen haar findet denn auch in der Tuch- und Kleiderstoff-Fabrikation keine Verwendung, wohl aber in der Hntfabrikation und zur Herstellung der unseren Frauen wohl bekannten sogenannten Kaninche»wolle. Letztere ist ein ziemlich starkes Strick garn, aus welchem unsere Hausfrauen und Töchter gar brauchbare, mollig wärmende Shawls, Puls- und Kniewärmer zu stricken versteh», die ein feines pelzartiges An- sehn und ein ungemein weiches Anfühlen haben und sich den frierenden Körper theilen innig anschließen. Dieses Beispiel ist hier nicht ohne Grund angeführt; denn wenn sich aus dein obigen auch ergiebt, das; die feine markfreie Wolle der Schafe, (siegen und Kameele das beste Spinnmaterial sein lind den feinsten Gewebefaden liefern »ins;, so soll damit nicht gesagt sein, das; nicht anch die mark haltigen Wollen und Haare gewisse Vorzüge besitzen; diese Vorzüge werden lins in einen; spätern Kapitel („Hygroskopizität der Wolle ec.") sogar sehr stark einlcuchten. Wir dürfen jetzt diese wichtigste Gruppe der Rohstoffe verlassen, da wir ja im zweiten Theile dieses Werkes zn ihr zurückkehren und uns dann ausschliesslich nlit derselben beschäftigen werden. Bevor wir uns jedoch der zweiten Hauptgruppe, den Rohstoffen aus der Pflanzenwelt, zuwenden, müssen wir uns noch mit einem weniger bekannten aber äusserst interessanten Rohstoff beschäftigen, der uns mit Hilfe seines uralten Nmnens aus dem Thierreich in das Pflanzenreich hinüber leitet. Es ist dies: Der Vljssus. 2/^7cis versteht man unter „Bystus?" Antwort: „Ein L>pinn- und Webe- Rohmaterial, welches sowohl dem Thierreich wie dem Pflanzenreich ent stammen tann." — Diese Antwort klingt etwas sphinxartig und bedarf der Erläuterung. Einen recht belehrenden Aufschluss giebt iu gedrängter Kürze „Meycr's Konversations-Lerikon", aus welchem die zutreffenden Sätze hier wört lich wiedergcgeben werden sollen: I. „By ssus, ein aus dem Hebräischen oder Koptischen stammender, zwar im ganzen Alterthum gebräuchlicher, aber nicht scharf bestimmter, allgemeiner Raine eines seiden- oder baumwollartigcn Stoffes, dann überhaupt aller kostbaren Ge- " webe. Die alten Acgypter fertigten solche theils aus dem Haar büschel der Steckm uschel (Pinna), theils ans einer wegen ihrer Naturfarbe hochgeschätzten gelblichen oder röthliche» Baumwoll gattung. Von dieser letzten Art warm wohl die »leisten unter dieser Benennung gerühmten (senge. Ter Byssus war gewöhlich weiss, der kostbarste aber gelb, nankingähnlich, wurde in Griechenland nur iu Elis gewonnen und stand äußerst hoch im Preis. Man verfertigte zu Paträ aus ihm Kleider (bei Griechen und Römern „Sindon" genannt) und Haarnetze, womit auch die römischen Damen prunkten. Noch vorzüglicher als eleische soll nach demselben Autor der hebräische Schesch „Buz" gewesen sein, nicht sowohl in Betreff der Feinheit und Weichheit, als vielmehr hinsichtlich der brennend gelben Farbe. Wann die Baumwolle bei den Griechen zu Kleidern gewebt wurde, ist nicht bestimmt angegeben; Homer kennt nnr Schafwolle und Flachs, und Herodot erwähnt den Byssus-Sindon bei Asiaten und Acgyptern als etwas seltenes. Bei den Römern kommt der Name Byssus selten vor; vielleicht war für denselben Stoff ein andrer Name („koische Gewänder") im Gebrauch." - II. „Byssus (Muschelseide, Muschelfaden, Muschelbart), ein Bündel biegsamer, feinerer oder gröberer Faden, welche viele Muscheln absondern und zur zeitweiligen oder dauernden Befestigung, auch wohl zu einer Art Nestbau verwenden. Tie Drüse, welche den Byssus liefert (Byssusdrüse), liegt im Fuß der Muschel, ist rudimentär bei de» Flußmuscheln, wenig entwickelt bei vielen marinen Gattungen, in vollster Thätigkeit jedoch bei der Miesmuschel, Riesenmuschel, Steckmuschel :c. Die Faden bleiben unter Wasser klebrig und weich, erhalten jedoch an der Luft eine gewisse Härte und Festigkeit und lassen sich so technisch verwerthen. Bei der Steckmuschel gleichen sie an Feinheit und Glanz der ungezwirnten Seide, sind braun, gelblich, olivenfarben, schwarz, auch wohl bläulich, und verschieden lang. Die Muschelseide (vorzüglich die feinen Faden der kinna nobiiich wurde schon im Alterthum und wird auch jetzt noch in Italien und im südlichen Frank reich zum Weben und Stricken benutzt. Tie Handschuhe, Geldbeutel, Strümpfe :c. aus ihr sind ziemlich dauerhaft und warm." III. (Fuß der Muschel.) „Vom untern Ende der die Eingcweidemassc (der Muschel) umhüllenden Haut- oder Muskelschicht springt nach außen ein besondrer Theil, der Fuß, hervor und kann meist ans der Schale weit herausgestreckt werden. Er dient als hauptsächliches Bewegungsorgan. Aus einer an ihm befindlichen Furche treten bei einzelnen Muscheln lange Faden einer seidenartigen Substanz, des Byssus, hervor und werden mittelst des Fußes entweder an die Gegenstände - angehestct, an denen sich die Muschel vor Anker legt, oder sogar zu einer Art Nest verwebt." —