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Uranfängen der Wollbereitung und Wollverarbeitcing. „Eine Göttin war des H Menschen erste Lehrerin", so berichtet die Mythe jener alten hochkultivirten Griechen, die einst auch wohl nach dem Urbeber der wichtigsten aller Künste vergeblich geforscht haben mögen und in richtiger Konsequenz ihres Bildungsganges der Gottheit das Unerklärliche zuschrieben. Der Gedanke ist viel zu schön und erhaben, als daß wir ihn, selbst vom heutigen Standpunkt der Wissenschaft betrachtet, vornehm belächeln und über ihn hinweg zur einfachen Tagesordnung übergehen möchten; wir wollen ihn lieber festhalten und mit den Urvölkern glauben, daß Gott selbst — und das heißt für uns: daß der dem Menschen innewohnende Geist, der doch göttlichen Ursprungs, ja ein Theil der Gottheit selbst ist, seinerzeit — und das ist: zur rechten Zeit den Menschen lehrte, von seinen eigenen Fähigkeiten und von den Hilfsmitteln, welche die Mutter Natur in so reicher Fülle ihm darreichte, Gebrauch zu machen. Sei nicht zu stolz, die Gottheit zu bekennen, Wo deine Weisheit, wo dein Geist versagt; Mit welchem Namen du sie magst beuennen: Sie ist's, die unser Wissen überragt. Und laß nicht ab vom Forschen nnd vom Fragen, Ob alles Wissen auch uur Stückwerk ist: Wo deine Geisteskräfte dir versagen, Wer weiß, wie uqh' du da der Gottheit bist. Wir haben oben den Seidenfaden, das unvollkommene Machwerk eines unvollkommenen Geschöpfes, unter dem Mikroskop betrachtet und seine zufälligen Unebenheiten als der Natnr des Geschöpfes entsprechend gebilligt; legen nur dieselbe Sonde nun auch au die zweite Gruppe der thierischen Rohstoffe, in deren Betrachtung nur mit diesem Kapitel bereits eingetreten sind, und nur werden finden, daß nur hier nichts mehr zu entschuldigen haben, denn hier ist alles vollkommen; und wo dennoch Abweichungen erscheine», da sind sic Ausnahme» von der Regel und deuten auf bestimmte Störungen im Kreislauf der Natur, die ebenso interessant wie lehrreich sind. Tafel l, Gruppe zeigt uns zwei Schafwollhaare in starker (700facher) Vergrößerung, und zwar ei» ganz grobes nuukfreies, uur zur allerordinärsten Waare verwendbares Haar von niedrigster Schafrasse, und daneben ein ganz feines Haar von einem Merinolamm. Ein Unterschied im Bau dieser zwei in ihrer Stärke so verschiedenen Haare ist nicht vorhanden; selbst die Deckschuppen sind bei beiden von gleicher Größe; während jedoch bei dein seine» Haar scho» eine Teck schuppe geuügt, um die Riudeusubstauz (die Läugszelleu) zu umfassen, gehört bei dem starken Haar ein ganzer Ring von 8—10 nebeneinandergelagerten Schuppen dazu, um denselben Zweck zu erfüllen. Doch darüber unterhalten wir uns weiter unten. § Neben dem Schaf liefern uns noch verschiedene andere Säugcthierc Spinn-, material; besonders gehören hierzu die verschiedenen Ziegenrassen und die Kameele sowie die langhaarigen Kaninchcnrassen. Zu Hut- :c.-Filzen aber kann jedes Haar, welchem Thiere es auch entnommen sein mag, verwendet werden; wobei jedoch bemerkt werden muß, daß für sich allein nur sehr wenige Gattungen einen festen Filz geben und deshalb mit leicht filzenden Haaren gemischt werden müssen. Die leicht filzenden sind — außer den seinen Woll- und Ziegenhaaren - besonders die mit stark markirten, spitzig auslaufendc», scheinbar abstehenden Teck schuppen versehenen Haare aller Hasen- zmd Kaninchenarten. (S. Taf. 6 u. 8.» Tie Tafeln 4—8 zeigen uns neben der Schafwolle auch Haare von einige» anderen bekannten Thieren in ihrer charakteristischen Gestalt von der Spitze bis zur Wurzel, und sind dieselben zum bessern Vergleich untereinander, sowie mit dem Menschenhaar auf Tafel 9, sämmtlich in 250 facher Vergrößerung auf genommen und gezeichnet. Das thierische Haar zerfällt bezüglich seiner äußern Gestalt sowohl wie bezüglich seiner Substanz in je drei Theile, und zwar die äußere Gestalt in Spitze, Schaft und Wurzel, die Substanz aber in Schlippen-, Rinden- nnd Mark substanz, oder in Deck sch uppen (Oberhäutchen), Fibrillen (Längszellen) und Haarmark. Die Form des ausgereiften Haares könnte man, wenn man die Wurzel außer Acht läßt, spiudelförmig nennen, insofern der in seinem Haupt theil allerdings rein zylinderförmige Haarschaft nach oben in eine äußerst feine Spitze ansläuft uud unten unmittelbar über der Wurzel sich (bei deu meisteu Haaren) ein wenig konisch verjüngt, wie aus deu beigefügten Zeichnungen deutlich zu ersehen ist; aber dem Gesammtbild entsprechend sollte man die Gestalt, mindestens der feinen und langen Haare, fadenförmig nennen, denn an die Spindelgestalt erinnern höchstens die ganz kurzen Haare der Angcnwimpern und Brauen und die höchst unschönen Haare in den Nasenlöchern älterer Männer und auf den Hals- und Gesichtswarzen älterer Frauen. Zur Erläuterung diene, daß die aus den Tafeln 6, 7, 8 u. 9 befindlichen Gruppen von Kaninchen-, Kameel-, Biber-, Ziegen-, Hunde-, Hasen- und Menschen haar Gruppe für Gruppe immer nur ei» bestimmtes Haar in seinen charakte ristischen Einzeltheilen (Spitze, Schaft und Wurzel) darstellcm, und daß bei den stark markhaltigen Haaren mehr als eine Abbildung vom Haarschaft gegeben ist, um die interessante Anordnung, Form und Verthcilung der Markzellcn im Innern des Haarschaftes, uw die Zellen mitunter ihre Gestalt wechseln, besser zu veranschaulichen. Aus dem Vergleich der wenigen hier gegebenen Zeichnungen verschiedener Thierhaare werden dem Leser die Merkmale, durch welche die Haare vcrschicdcuer Thiere sich von einander unterscheiden, leicht klar werden. Es sind dies in erster Linie, wie soeben angcdeutet, die verschieden gruppirten und selbst