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Querstreifen und einein undeutlichen bräunlichen Halbmond bezeichnet sind. Das Schmetterlingsmännchen stirbt nach vollendetem Begattungsakt; das Weibchen ver fällt demselben Schicksal aber erst, nachdem es seine 200 bis MO bläuliche Eier gelegt und an Baumstämme geheftet hat. Die im Frühjahr auskriechenden Raupen sind glatt, weißlich glänzend, haben verschiedene grauliche und röthliche Flecken und hinten auf dein letzten ihrer zwölf Leibesringe ein Horn. Sie fressen hauptsächlich Maulbeerblätter, wachsen sehr schnell, häuten sich viermal während ihres sechs bis sieben Wochen (nach anderen nur 30 Tage) dauernden Raupenlebens und spinnen sich dann ein. Zum Spinnen besitzen sie gleich allen übrigen Spinnraupen, wie schon oben gesagt, an der Unterlippe ein Spinnorgan und haspeln durch eigcuthümliche Bewegungen den sehr dünnen aber klebrigen und zähen, bisweilen über 1200 Meter langen Faden hervor, welchen sie mit den Vorderfüßen in anfangs unregelmäßigen, dann aber sehr regelmäßigen Achtertouren umherwickeln und so eine ovale, innen glatte Hülse (Cocon) bilden, in der sie sich verpuppen, und aus welcher nach drei Wochen der Schmetterling ausschlüpft, der mittelst eines scharfen Saftes den Cocon durchbricht und dadurch den Zusammenhang des denselben bildenden Fadens viel fach zerreißt, d. h. wenn der Mensch ihm nicht zuvorkommt rind den Schmetterling als Larve oder Puppe tödtet. Der Seidenraupenzüchter wartet selbstverständlich bei denjenigen Cocons, welche ihm die Seide liefern sollen, das Auskriechen der Schmetterlinge nicht ab, sondern tödtet dieselben in den Cocons zehn Tage nach dem Einspinnen durch Hitze über 00" iz; die schönste» Cocons aber bewahrt er zur Nachzucht. Nach geschichtlichen Ueberlieferungen soll die Seidenzucht durch zwei Mönche, welche zur Zeit des byzantinischen Kaisers Jüstinianus I. (527—565) die ersten Eier in hohlen Stöcken aus Asien nach Konstantinopel brachten, in Griechenland eingeführt sein und sich von hier aus über die Küstenländer des Mittelmeeres, uw dieselbe bis heut noch heimisch ist, verbreitet haben. Die Haupt-Produktionsländer für den Seidenbau sind außer den Mittelmeerländern noch immer das alte Mutter land China und Japan und werden es dank ihrem günstigen Klima wohl auch bleiben. Was in Europa nördlich der Alpen an Seidenzucht getrieben wird, kann seiner Vereinzelung und Geringfügigkeit entsprechend nur als Privatliebhaberei bezeichnet werden; sür den Weltmarkt bleibt diese Produktion außer Ansatz. In den südlichen warmen Ländern dagegen, welche keinen nordischen Winter kennen, kann man zwei, unter besonders günstigen Umständen sogar drei Zuchten in einem Jahr haben, da lohnt sich die Mühe schon eher. Oben wurde bereits gesagt, daß der von einen: Seidenwurm gesponnene und zu einem Cocon genuckelte Faden eine Länge von 1000—1200 Metern erreicht. Dieser Faden ist indessen nicht von gleichmäßiger Güte, und sowohl der Anfang desselben (die äußerste Fadeuschicht des Cocons, die sogenannte Florctscide) wie das innere Ende des Fadens (das Puppenlager) können — theils ihrer Rauheit und mindern Feinheit, theils ihrer Verfilzung wegen — nicht mit abgchaspelt werden und finden ihre Verwendung unter den sogenannten „Seidenabfällcu", zu denen auch die von den auskriechendcn Schmetterlingen zerfressenen Cocons gehören. Das verfilzte Puppenlager giebt die sogenannte „Seidenwatte". Die Seidenabfälle werden gekrempelt oder gekämmt lind dann gesponnen und geben dann die Florctscide (das Seidengarn), welche weit weniger feine und weniger glänzende Gewebe liefert als die gehaspelte Seide. Ta der Scidenfaden im Cocon infolge seines harzigen Bastes sehr sest an einander klebt, so wirft man die abzuwickelndcn Cocons zunächst in einen Kessel mit heißem Wasser, wodurch gleichzeitig die im Junern noch lebenden Larven ge- tödtet werden. Ist durch das heiße Wasser der Leim, welcher die Faden zusammen hält, aufgeweicht, so werden die Eocons mit Ruthen gepeitscht, damit die Anfänge der Faden sich lösen, und sodann auf den Scidenhaspel abgehaspelt. Je nach Be darf, d. h. je nach der Art der künftigen Verwendung, werden je 5—24, unter Umständen auch wohl noch mehr Faden zu einem Gewebefaden zusammcngehaspelt und dann gezwirnt oder „moulinirt". Für die meisten Zwecke der Fabrikation, und ganz besonders vor dem Färben, muß die Seide von den: ihr anhaftenden harzigen Bast befreit werden; es geschieht dies in sehr einfacher Weise durch Kochen in Seifenwasser (Entschälen oder Degummiren), wodurch die Seide ungemein an Glanz und Weichheit gewinnt, freilich aber auch düuner und weicher wird. Der rohe basthaltige Faden hat, nach eigner Messung, eine Stärke von Millimeter, der entschälte dagegen nur ?°/,o<>° Millimeter. Zum Vergleich mit den überaus feinen Spinnfaden im vorigen Kapitel bedeutet diese Messung, daß man auf den winzigen Flächen raum von einem Millimeter ca. 33—83 rohe und ca. 50—125 entschälte Seiden faden neben einander legen kann. Demnach ist der rohe Seidensaden ca. 52 mal und der entschälte ca. 34 mal stärker als der Turchschnitts-Spinnensaden. Nach der Verringerung des Umfangs kann man ungefähr ermessen, welchen Gewichtsverlust die Rohseide durch das Entschälen erleidet, da schon der Durchmesser des Fadens ein Drittheil seiner ursprünglichen Größe oder Stärke verliert. Da die Seide im Großhandel nach dem Gewicht bezahlt wird und ungemein hoch in: Preise steht, so kann man sehr wohl begreifen, war::::: die Fabrikanten, wenn es das Fabrikat nur irgend erlaubt, das Entbasten umgehen. Besonders bei atlasartigen Geweben, in denen nur die Kettfaden zur Geltung kommen, verarbeitet man den Einschlag — wenn man überhaupt Seide zum Einschlag nimmt — gern mit seinen: Bast. Bedingt durch deu sehr hohen Preis der Seide, werden die Gewebe und sonstigen Fabrikate aus diesen: Rohstoff wohl bis in die fernste Zukunft hinein nur für die