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— Nr. 2i)3. — 1898. 1. Beilage Mm Chemnitzer Gcncral-Aiyeigcr. Sonntag, den 18. Dezen»ber. Das wahre Glück. Roman von Heinrich Köhler. (15. Fortsetzung.) (Nachdruck verboten.) DaS Mädchen nickte lachend und entfernte sich nach dem Buffet, Ivo ihrer Beschäftigung harrte. „Eure Hebe scheint sich auf Eure Intentionen vortrefflich zu verstehen," sagte Eduard, „und sie ist ein so hübsches Kind, daß man sie schon für ihre olympische Namengeberin gelten lassen dürste!" In dem Lesezimmer saß der Besitzer des Hotel-, ein ältlicher Mann mit einem bartlosen Gesicht, in dem besonders eine Nase von unverhältnißmäßigen Dimensionen sich geltend machte. Er saß den Eintretenden mit dem Profil zugewandt, hatte auf seinem Kopf ein Heiner Käppchen mit einer Troddel und vor seinen Singen eine un geheure Brille. Dabei war er so eifrig in seine Lektüre vertieft, daß er auf die Nähertretcnden nicht achtete. „Grau, theurer Freund, ist alle Theorie Und grün des Lebens gold'ucr Baum," mit diesen Worten entriß Paul Arnstein den Vertieften aus seiner Versunkenheit. Dieser schob mit großer Ruhe die Brille zurecht, legte das Blatt hin und wandte sich dem Sprecher zu: „Sagt?" „Sagt Goethe." „Ist mir unmittelbar nicht bekannt, kann also wohl nicht stimme»." „Steht aber trotzdem in Goethe's „Faust" und zwar —" „Ist aber permanent mir nicht bewußt und ich kenne den Goethe ganz genau." Paul warf seinem Freunde einen lächelnden Seitenblick zu. „Ja, dann wird es wohl ein Jrrthum von mir sein," be merkte er. „Und Goethe sagt auch: „Jugend hat keine Tugend, und das Alter soll man ehren"." - - ' . „Wo steht das?" ' - - ' „Es steht unmittelbar in seinen hinterlassenen Epigrammatiken." „Ach so! Ja dann kann ich es freilich nicht bestreiten. Du mußt Dich nicht über die gründliche Kenntniß der deutschen Klassiker unseres geschätzten Wirthes verwundern," wandte Paul sich an Eduard. „Er ist nämlich im Besitze nachgelassener Schriften von diesen, die nicht in die Oeffcntlichkeit gedrungen sind, und im Uebrigc» ein sehr eifriger Litteratnrforscher. Wir Alle haben schon in dieser Beziehung Manches von ihm profitirt. Aber jetzt wollen wir uns nach unseren Freunden nmschen, die währenddessen schon eingelroffen sein werden." Drüben in dem Zimmer ans der anderen Seite des Korridors hatte sich eine Gesellschaft von sechs Personen versammelt, welche sich bei dem Eintreten der Freunde i» einer lebhaften Debatte be fanden, während der eine der Herren unter Beihilfe Klärchen's be schäftigt war, die Ingredienzien einer Bowle zusammenzustellen, und diese Arbeit mit eingehenden, erläuternden Bemerkungen, welche er an das Mädchen richtete, begleitete. Als die Beiden eintraten, wurden dem junge» Schriftsteller von Allen mehr oder weniger witzige Be- grüßungsworte zngerufen. -„Meine verehrten Herren Fliegenfänger," wandte sich Paul an Gesellschaft, „ich habe hier einen guten Freund und ehemaligen ! Schnlkollege» von mir als Gast, vielleicht auch als Mitgied in sxs Ides wohllöblichen Vereins für Fliegenfäiigerci inilgebracht, de» ich hiermit Ihrem geschätzten Vertrauen und Ihrer noch weit schätzbareren Freundschaft empfehle: — Herr Eduard Grein w. Ich will Dir zuerst diesen Herr», dessen eifrige Beschäftigung leicht den Verdacht einer gewissen Vorliebe für Geistiges, die er auch wirklich in anderm Sinne besitzt, erwecken könnte, verstellen," wandte der Sprecher sich an Eduard. „Es ist dies cinc nächst dem Bürgermeister und dem Polizeidircktor sehr wichtige Persönlichkeit der Stadt, — Redakteur des vielgclejenen hiesigen Krcisblattc.-, der es sich aus spezieller Gönnerschaft für mich zum besonderen Vergnügen macht, die Produkte meiner Feder für die Hälfte des Honvrarsatzes, der mir dafür von Rechtswegen gebührt, abzudrnckeu." „Glauben Sie ihm nicht, Herr Grcincr," sagte der Verdächtigte munter, „er meint, daß er die Hälfte des Honorars schon immer vorweg hat." „Damit beschwichtigt ec nämlich sein eigenes Gewissen," ent- gegnete Paul. „Aber nun betrachte gefälligst dort diesen Herrn," fuhr er, auf einen junge» Man» von ungefähr achtundzwanzig Jahren mit intelligentem Gesicht und goldener Brille weisend, fort. „Derselbe ist unter uns allen mehr oder weniger zu fürchtenden Menschen entschieden der Gefährlichste. Es wird Dir dies klar werden, wenn ich Dir sage, daß er ein Jünger Aeskulap'S ist: — Herr Doktor Streber. Mit Vorliebe Helfer in allen Nöthen, welche junge Damen betreten könne». Er hat sich Mcphistv's Worte wohl zu Herzen genommen — versteht das PülSlein wohl zu drücken, und so weiter!" „Unser weither Freund vindizirt mir nur deshalb diese Auf fassungsart meines Berufes," erwiderte der junge Arzt lachend, „weil er selbst durch diese Goethe'schen Worte einen schweren Kampf gegen die Verlockung, sich dem ärztlichen Beruf z» widmen, zu bestehen hatte. „Die übrigen Herren — Herr Referendar Stein, Herr Geometer Hoffmann, die Herren Journalisten Schwenk und Günther, — unser Merkursjünger glänzt durch seine Abwesenheit, —" fuhr Paul fort, „bedürfen insofern keiner besonderen Charakteristik, als sie wenigstens nicht zu den gemeingefährlichen Leuten gehören, auf die man seine guten Freunde aufmerksam zu machen die Pflicht hat. Aber nun möchte ich mir für die gehabte Mühe ans der Hand unserer schönen, jungfräulichen Wirlhin ein Weniges zur Geschmeidigmachung unserer Kehle ausbitten und mit einem klingenden Willkommensgruß für unfern Gast die Sitzung für eröffnet erklären." Hell klangen die Gläser aneinander und die Unterhaltung wurde sehr bald eine allgemeine. Klärchen füllte die Gläser und brachte, was an Speisen von dem Einen oder Andern der Gesellschaft ver langt wurde, und traf auf Eduard's leise Anweisung zu einer zweiten Bowle Vorbereitungen, da der Inhalt der ersten nicht allzu lange vorzuhalte versprach. Die Laune der jungen Männer war eine immer übermüthigere geworden, als Paul Arnstein bei einer kleinen Diskussion, in die er mit Doktor Lenlner gerathen war, zur Begründung einer Behauptung seine Briftasche hervorzog und öffnete. Dabei fiel ein znsammen- gefaltetes Blättchen Papier von Paul unbemerkt zur Erde, welches der Redakteur, dee immer zu Scherzcn aufgelegt war, heimlich auf nahm und betrachtete. „Ah, Ivas sehe ich? Verse? rief er. Paul, versuchte ihm das Papier zu entreißen. Er sah etwas verlegen aus, als er das Blatt in den Händen des Doktors bemerkte. „Ich bitte Sie," sagte cr eifrig, „geben Sie her; es ist Nichts für die Oesfentlichkcit!" „Oho!" antwortete der Andere lachend. „Meine Pflicht als Redakteur besteht darin, junge, unbekannte Talente zu unterstützen und der Oesfentlichkcit zuzuführen. „Es ist aber eine Sache von Diskretion!" protestirke Arnstein. „Ach was, für Redakteure, Schriftsteller und Journalisten giebt es in solchen Diugen keine Diskretion! Ich habe das Wort Amor gelesen. Meine Herren, das verspricht, interessante Aufklärungen über den Herzenszustand unseres werthen Freundes zu geben." „Verlesen, vorlescn!" riefe» die Anderen durcheinander. „Unsinn," prolestirte Paul, „die Gedichte haben mit meinem Herzen so wenig zu Ihn», als mit Euren Schädeln. Ich will sie in einer größeren epischen Arbeit verwenden und habe sie mir zu diesem Zweck abgeschrieben." „Nun, dann ist die Lektüre derselben ja um so harmloser," sagte Doktor Streber nnd der Redakteur begann mit Pathos zu lesen „Wie doch dieser list'ge, kleine Amor Es versteht, aus Menschen Narr'» zu machenI Wär'S nicht tragisch oft, man müßte lachen. Wie so Manchen er schon am Berstende schor. Wie man dreht und windet sich, vergebens Sucht man scincnl Ban» sich zu entreißen; Pure Narrheit würd' ich'S Ganze heißen, Wär's »nr nicht das Abbild meines Lebens- Hat cr wir mein Herz nun doch berücket, — Wie sich mag Verstand dagegen lehne», —» Daß ich immerwährend jetzt muß wähnen: Ein gewisses Kind hat mich entzücket!" „Hahaha:" lachte Doktor Streber. „Das ist eine Selbsterkenntnis), einzuschen, daß man ein Narr ist!" „Aber," sagte der Redakteur mit komisch bedenklicher Miene, „die Sache ist um so gefährlicher. Gegen seine bessere Erkenntniß zu handeln, ist bekanntlich eine Todsünde. Wir müssen uns des Armen annchmen." „Fühlen Sie ihm den Puls, Herr Doktor," bemerkte Eduard heiter zu dem Arzt, „er gehölt in Ihr Ressort!" (Fortsetzung folgt) Vermischtes. ! — Tödtlicher AuSaaug eines Ringkampf«-. Der 19 jährige Hausdiener Dänicke und der Koch Portmann, welch« iu einem größeren Hotel zu Hannover bedienstet sind» maßen im Scherz in der Küche des Hotels ihre Körperkräfte im Ringen. An- de» anfänglichen Spiel wurde bitterer Ernst. Dänicke schleuderte plötzlich seinen Gegner mit solcher Wucht zu Bode», daß dessen Kopf heftig auf die Steinfliesen ausschlug. Portman», welcher zuerst da» Bewußtsein verloren hatte, gelangte zwar »ach einiger Zeit wieder zur Besinnung, doch zeigte es sich, daß er die Sprache verloren hatte. Allerdings stellte sich am anderen Morgen das Sprach» vermögen wieder ei», der Zustand des Unglücklichen verschlimmerte sich jedoch derart, daß er nach dem Kraukenhause gebracht werdes mußte, wo cr bald nach seiner Einlieferung starb. Der Hausdiener ' Dänicke wurde verhaftet. — Milzbrattdansteckmig. Ein seltener Fall von Milzbrand» einer auf den Menschen übertragbaren, fast stets tödtlich enbeade» Thierkrankheit, wird aus der Jenenser Universitätsklinik mitgelheiL Wie der Assistenzarzt der Klinik, vr. Strubell, in der Mllnch. Medizin. Wochenschrift berichtet, wurde daselbst ein 41jähriger Gerber aus Apolda eingeliefert, welcher einig« Tage zuvor ein kleines, röche», anscheinend harmloses Fleckchen an der Nasenspitze bemerkt hall«. Die Nase schwoll bald unförmlich an, Fieber und Schüttelfrost trat hinzu, und in schwer krankem Zustande fand er Ausnahme in da» Krankenhaus. Hier mußt« er sofort isolirt werden, nachdem e» ge lungen war, bei ihm Milzbrand-Bazille» nachzuweisen. Für eine« z operativen Eingriff war es leider schon zu spät. . Da man ab« i» " dem Blute noch keine Bazillen auffinden konnte, so entschloß wo» ° ich doch zu einer eingreifenden Behandlung. Man machte de» Kranken in die Nafe und in die benachbarten, bereits entzündlich . geschwollenen Drüsen 30 und mehr Einspritzungen von Carbolivasscr täglich und bedeckte die erkrankten Stellen Tag und Nacht mit heißen Umschlägen. Daneben gab man ihm zur Belebung Kognak, Rvch» wein und Champagner in unglaublichen Mengen, und wirklich -7— nach drei Woche» blieb die Kranlheit stehen, die anfangs arg ver- iümmelte Nase heilte nach einiger Zeit ohne erkennbare Narbe, Li der bereits verloren gegebene Kranke konnte nach einer etwa sechs wöchigen Behandlung als geheut entlassen werden. — Vevnngliiäkt. Auf dem Behnhose zu Sara» in Schkste» verunglückte die 70jährige Bürstenhändlerin Seidel aus Schmrid-rltz beim "Aussteigen aus dem iu Bewegung befindlichen Zug«. wurden ihr beide Füße abgefahren. — Eine Hinterlaffettschaft im UnterroS. Die gericht liche Jnventirnng des Nachlasses der in Bukarest rerstorbenen Gr?M Bätsch ist beendigt. Bis jetzt fand man in den Uuterröcken tv» Verblichenen eingcnäht 1,140,000 Fr., was mit den bei dem Bancki« ZamfireScu in Bukarest hinterlegten 500,000 Fr. eine Totalsirmevt von 1,640,000 Fr. crgiebt. Die Gräfin hatte über ihre AuLMe» in genauester Weise Buch geführt und in einer Unzahl von Notiz büchern selbst Ausgaben von sünk nnd zehn Centime» MLvchi. Unter den Registern befindet stch. ouch eines, in welchem die Lostc» ihres mit ihrer Tochter geführten stad,. C führt den Titel-. „Prozeß mit meinerTochttr/ver'- Wie ans dem Register ersichtlich ist, hatte die Gräfin ich vM Alimentationsprozeffe, de» ihre Tochter gegen sie angestrengt hctt-. mehr als 30,000 Fr. verausgabt, »nr um ihr nicht die für ehren Lebeiisniiterhalt nothwendigen 300 Fr. monatlich bezahlen zu miM«. selltsame Wreliseiii'ritiilMli gesetzlich geschützt sowie feinste Eiernndelee empsielilt >- Kkrniisrli Sriicllnop, Chemnitz, Königstr. Wiederverkäufe»: hoh. Rabatt. / ! kinosssi' SMMAMMIkv'llüIll wegen vollständiger Auflösung meiner Zweiten Verksufsslelle 3 S ^«I»»>»»L88lL L»88V 3. kme uuem'M dillig! Hup Me yiisIMeii! Sehrihrvaaeeir-Lagev v. LlLMLllll N üeiiWtpMe W. -« „r—' Z iini.Msiiimtp. Z. OlRVNIILttL