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General-Anzeiger für Chemnitz und Umgegend : 10.07.1898
- Erscheinungsdatum
- 1898-07-10
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id512384843-189807109
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id512384843-18980710
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-512384843-18980710
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
General-Anzeiger für Chemnitz und Umgegend
-
Jahr
1898
-
Monat
1898-07
- Tag 1898-07-10
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Monat
1898-07
-
Jahr
1898
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— Nr. 157. Der Kgl. Sachs MMtiir»crei»s-B»»t>. Der Landesverband der Vereine alter Soldaten im Königreich Sachsen, der Kgl. Sachs. Militärvcreins-Bund, ist eng verknüpft mit der Person des Königs Albert. Im Juli 1898 sind 25 Jahre ver flossen, dasz der Bnnd anfgerichtet wnrde. In diesem langen Zeit räume ist derselbe ein mächtiger gesunder Faktor im StaatSlcben ge worden, ein großer kräftiger Vnnd alter treuer Svldntcnhcrzcn zur Hochhaltnng von Königslrcue und Vaterlandsliebe, wie zur Anfrccht- trhaltung von Ordnung und Gesetz. Ein Rückblick ans seine Ent stehung und gemeinnützige Wirksamkeit ist darum Angesichts seiner jetzigen 25jährigen Jubelfeier gewiß für weitere Kreise von Werth und Interesse. Nach dem großen Kriege 1870/71 machte sich in allen Theile» des deutschen Reichs unter den Vereinen alter Soldaten das Be streben geltend, die draußen im Felde geschlossene Wasfenbrüderschaft auch in Friedenszciten ausrecht zu erhalten und zn pflegen. Diesem allgemeinen Wunsche verdankte die Kriegervereins-Zeitschrift „Deutscher Krieger-Bund" ihre Entstehung. Die erste Nnmnier derselben erschien am 29. Juni 1872 in Ziitan, ihr Herausgeber war der Schriftsetzer Alban Horn. Sie fachte eine lebhafte Bewegung unter den deutschen Kriegcrvcreinen an zu Gunsten einer Bereinigung aller deutschen 'Krieger- und Veteranen - Vereine unter dem Protektorate Kaiser Wilhelms des Siegreichen. Das Ziel wurde nicht erreicht, dagegen lMen nach und nach in allen Staaten des deutschen Reichs Landes perbände der Vereine alter Soldaten zu stände. Auch im Königreich Sachsen ge eb -, dies also. cöler schon seit den zwanziger Jahren dieses Jahr hunderts Eutnr-Bereine, welche Kranken- und Sterbekassen besaßen. Der heutige König Albert hatte 1661 bereits das Protektorat über ,sä»»»tliche Militärvercine übernommen und damit deren Fortent wickelung mächtig gcsördcrt. Die damals erlassene Proklamation halte folgenden Wortlaut: Eine große Anzahl von Militärvcrcincii des crzgcbirgischen und vogt- landischen Kreises hat an Mich die Bitte gerichtet, das Protektorat über die sämmtlichen Müitärvcreinc dieses Landesthciles zn übernehme». Gleich zeitig ist zu Meiner Kcnnlniß gekommen daß der Wnusch dieser Vereine auch in anderen Landestheilcn gethcilt wird. In diesem Wunsche erkenne Ich den Ausdruck des Vertrauens, welches die Mitglieder der Mililnr- vercine zu Mir hegen, und spreche es dankend ans, daß Mir dieses Ver trauen zur besonderen Freude gereicht. Denn die Erinnerung an den mit Meinen tapferen Landsleuten in Schleswig-Holstein gemeinsam bestandenen Kamps und die von der sächsischen Armee gegen Aufruhr und Empörung bewährte Treue, sowie die von ihr in aller Zeit in Krieg und Frieden heilig gehaltene und fleckenlos bewahrte Ehre haben Mich als Prinzen des königlichen Hauses, als Bürger des Staates, als Offizier der Armee mit den aus ihren Reihe» ehrenvoll ansgeschiedenen braven Veteranen fest verbunden. Mit Genehmigung Sr. Majestät des Königs erfülle Ich daher gern die an Mich gerichtete Bitte, und übernehme das Protektorat über die sämmtlichen Militürvereine Sachsens. Die ehrcnwcrthcn Zwecke derselben zu fördern, wird mir stets angelegen sei». Vertrauensvoll trete Ich wieder in die Mitte Meiner ehemaligen Kameraden; wir wollen ferner treu zu- sainmenstehcn für König und Vaterland. Dresden, 12. Oktober 1861. Albert, Herzog zn Sachsen. i In de» sechsziger Jahren erfolgten noch verschiedene Schritte «ach vorwärts auf dem Gebiete des Militäroercinswesens. 1863 rief der Arresthaltsinspektor F. W. Staub in Pirna für die Vereitle alter Soldaten ein Wochenblatt in's Leben, welches „Der Kamerad" ge nannt wnrde, ebenso ließ der Buchhändler L. Scholtz in Pirna einen Sonntag, 10. IM. 1898. Militärvereins-Kalcndcr erscheinet,, ferner wurde aus Anregung des Hanptmanns Richard v. Mcerheimb die „Sächsische Jnvalideustistung" zur Unterstützung hilfsbedürftiger unbescholtener Invaliden der säch sischen Arme und 1869 auf Veranlassung eines ehemaligen sächsischen Soldaten in Zwickau, Namens Piltzing, ei» Mobiliarbrandversicher- ungsvereiu ehrenvoll verabschiedeter Militärs des Landes in's Leben gerufen, der die Versicherung von Hab und Gut solcher alter Sol daten zur Versicherung annimmt, w.lche bei den Privatfcncrversichcr- ungsgcsellschaftcn wegen der Beschaffenheit ihrer Wohnungen nicht stattfindcn kan». Auch ein Militär-Lebensversichernngsinstititt für alte Soldaten wurde später noch geschaffen. Die meiste» dieser Schöpsnngcu alter Soldaten waren im Königreich Sachsen »eben Kranken- und Sterbekassen schon vorhanden und in Wirksamkeit, als zu Ostern 1873 ans dem Kricgertage in Wcißcufels die Schaffung eines deutschen Kriegerbnndes beschlossen wurde ans Grund eines in äußerst schroffer Form abgefaßten Statuts, das mit rauher Hand in die Organisation vieler deutscher Kriegcrvereiue eingreiseu und Alles über einen Kamm scheerc» wollte. Die meisten der sächsischen Dele- girten in Wcißenfels lehnten Namens ihrer Vereine daher den Bei tritt zu dem Kriegerbunde ab, nur einige erklärte» beitrete» zu wollen. Um nun der drohende» Zersplitterung im Laude keine weitere Aus dehnung zu geben, beschlossen drei alte sächsische Soldaten: der da malige Redakteur der „Konstitutionellen Zeitung" in Dresden, Schrist steiler Max Dittrich, Arrcsthansinspeltor und Redakteur des „Kamerad" F. W. Staub, sowie Buchhändler Louis Scholtz, Mitrcdaktcur des „Kamerad", im Redaktionslvkal des „Kamerad" z» Pirna, kurz nach dem Weißenselser Kricgertage, die sächsischen Vereine alter Soldaten zu einem Landesverband zu vereinigen zu suchen. Die Militärvereine i» Pirna wurden für die Idee gewonnen und Oberförster Kosmahl aus Markersbach zum Vorsitzenden des provisorischen Komitees ge wählt, welches nun unter Zuziehung von Kameraden aus allen Theilen des Landes ein provisorisches Statut ansarbeitete. Geschäfts führender Sekretär war der Redakteur Max Dittrich. Infolge eines von ihm aufgesetzten Jmmediatsgesuchs an Kronprinz Albert, worin die Zwecke und Ziele des beabsichtigten Landesverbandes klar aus einandergesetzt waren, empfing der Fürst den Oberförster Kosmahl und den Inspektor Staub in Audienz und erließ bald darauf fol genden Aufruf im „Kamerad": An die Mitglieder der sächsischen Miliiärvcreiuc. Um eine größere Zusammengehörigkeit herbeizuführe», ist be absichtigt, an einem' »och zu bestimmenden Orte zu einer Ver sammlung von Delegirten der verschiedenen Militärvereine aufzn- forderu. Da das, was in jener Versammlung angestrebt wird und Eurer Berathung vorgelegt werden soll, im Interesse unserer Vereine ist, so würde cs Mich freuen, wenn von Eurer Seite eine recht zahl reiche Vetheiligung an dieser Versammlung stattsände. Nehmt den kameradschaftlichen Gruß Eures Protektors Albert Herzog zu Sachsen Generalfeldmarschall. Am 13. Juli 1873 fand dann im großen Saale des Kadctten- hauses in Dresden-N. jene Delcgirtenversammlung der sächsischen Militärvereine statt, welche die Begründung von „Sachsens Militür- vereinsbund" beschloß. Kronprinz Albert hatte in einer kurzen An sprache bei Beginn der Versammlung die Delegirten dazu ermahnt. Zu Präsidenten des zu bildenden Laudes-Verbandes wurden gewählt: Kammerherr von Naundorfs und der damalige Nathsrcgistrator Anton Tanncr in Dresden. In letzterem, welcher bereits an den Vor berathungen in Pirna sehr thätigen Antheil genommen hatte und nun die ganzen Organisalionsacbciteu in die Hand nehmen mußte, da Erstgenannter im Voigtlande domizilirte und bald vön seinem Ehrenposten ganz zurücktrat, erhielt der neue Bnnd den rechten Kopf voll Ausdauer und Klugheit, Vorsicht und Thatkraft, der dem ins Leben getretene» Bunde der Vereine alter Soldaten all die Jahre hindurch trotz vieler innerer Kämpfe und gegentheiligcr Meinungen nach und nach doch eine immer größere Bedeutung zu verleihe» und ihm auch fortdauernd die Huld seines erlauchten Protektors, des heutigen Königs Albert, zu erhalten wußte. Das rege Interesse des Königs für die Militärverciussache, seine Theilnahme an VerO^ sammlungcn dcS Bundes, sowie einzelner Vereine haben den L^nd wesentlich gefördert. Vielfach hat König Albert bei derartigen'Ge legenheiten persönlich gesprochen und die Wege und Ziele Hem Bund« immer erneut an's Herz gelegt. So beehrte unter Andern der König Albert auch am 29. Juli 1877 die Generalversammlung dcS Bundes mit seiner Gegenwart und zeichnete dabei seine alten Soldaten durch folgende Anrede anS: Meine lieben Kameraden! Es war Mir ein wahres Bedürfniß, liier unter Ihnen zu erscheinen und Ihnen Meine Freude über Ihre Anwesenheit ausznsprecheu als Ver treter so Vieler, die unter Mir gedient, und in bösen, wie guten Tagen treu »nd fest zn mir gestanden Meine Freude auch, daß so viele Vereine hier ihre Vertretung gesunden haben, denn wie ich schon früher einmal sagte, Halle ich die Zusammenfassung sämnctlicher sächsischer Militürvereine für äußerst wichtig, sowohl zur Erreichung ihrer speziellen Zwecke, als auch im Hinblick aus den Fall, daß sie sich entschließe», ltnem größeren Verbande beizntreten. Ein geschlossener Bund wird dann mehr Gewicht besitzen und größeren Einfluß gewinnen. Die Militürvereine haben sich bisher zu Meiner großen Gcnugthuung der Eigcnschaste» befleißigt, welche sie In ihrer Dienstzeit sich augceignet habe»: Sinn für Ordnung und Gesetz, Anhänglichkeit an ihr engeres und weiteres Vaterland, und hoffe Ich, daß Sic i» diesen Gesinnungen nicht nur verharren, sondern dieselben auch in der übrigen Bevölkerung weiterverbreiten werden, was in einer Zeit umso wichtiger ist, wo diese Eigenschaften leider oft zu vermissen sind. Erfülle» Sic diese Meine Erwartung, so werde Ich Ihnen im wahren Sinne, in Wort und Thal Protektor bleiben wie bisher!" Seit 29. Juni >893 wurde dem Buude und den ihm zu gehörigen Vereinen die Erlaubnis; vom Könige erlhcilt, fortan die Bezeichnung „Königlich Sächsischer Militärvereinsbuud" und „Königlich Sächsischer Krieger- oder Militärverein" führen zu dürfe». Manche gemeinnützige und nothwendige Maßregel hat der Bund in den fünf Lustra, welche er besteht, getroffen und da- Militärvercinswcscn dadurch gehoben und in geordnete Bahnen ge-— leitct, nicht minder aber auch verschiedene segensreiche Stistungen iu's Leben gerufen. Als der erste Hvhenzollernkaiscr am 11. Juni 1879 seine goldene Ho bzeit feierte, wurde aus freiwilligen Beiträge» eine „Wilhelm Augusta-Stistnng" errichtet in Höhe von 4000 Mk., deren Zinsen alljährlich am 11. Juni zur Bcrthcilung gelange« au hilfsbedürftige Wiitwen und Waisen verstorbener KameradA-Arner trat bei der Wettinfeier 1889 in's Leben die „Weltiii-Jilbilaniiir- Stiftung" in Höhe von 10,000 Mk., deren Zinsen verwendet werden zur Unterstützung hilfsbedürftiger Kameraden, welche das 60. Lebens jahr überschritten habe» und cinem Bundesverein angehörcn und endlich wurde eine „König Albert-Sliftnng" in Höhe von 40,00 > Mk., deren Zinsen verwendet wcrden als Beihilfe zur Berufsausbildung für Söhne verstorbener oder lebender Kameraden, insbesondere für solche, welche sich dem Soldcitenstandc widmen beziehentlich eine Eine Mutier. Ein Lebensbild von A. Vogel vom Spielberg. X - (7. Fortsetzung.) (Nachdruck verboten.) „Hast Du mich denn nicht gehört?" ruft sie wieder in äußerster Unliebenswürdigkeit und stampft zornig mit den Füßchen. „Kann ifch denn vor Euch nie Ruhe haben?" (Das „Euch" bezieht sich -los auf den Rittmeister. Frau Nelly hat nämlich die sonderbare Gewohnheit, wen» sie erzürnt ist, immer schlechtweg „Euch", im größten Zorne aber „die" oder „solche Leute" zu sagen.) „Geh'! :Zch will mich cinsperrcn!" Sie wendet sich, um zur Thür zu gehen. Er aber erfaßt sie «>it einer sonderbaren Hast am Arme, zieht sie an seine Brust und Mßt sie auf den Hals. „Nelly!" flüstert er weich, und seine Stimme klingt heiß durch zittert. Und nochmals: „Nelly!" Mit stnmiypr Sehnsucht taucht sein Blick in ihre Augen. Sie reißt sich hastig los. „Du Narr!" ruft sie, und lächelt dann geringschätzig. „Willst D» vielleicht jetzt eine alberne Idylle anfführc», oder eine Szene Provozireu? — Soll ich der Lori läuten, oder gehst Du gutwillig? Dabei legte sie den Finger a» die Tclcgraphenklingcl. Dem Galten schwebt eine bittere Entgegnung auf der Zunge Aber er bezwingt sich und verläßt voll Unmnth, der mehr der eigenen Schwäche gilt, das Ankleidezimmer seiner Frau. Seine Liebe ist seit Langem todl. Er haßt sein Weib, und nicht nur deshalb, weil er ahnt — er weiß, daß sie ihn betrogen hat; allein er ist zn schwach gewesen, sic zn verstoßen, und ihre sireucnhafte Schönheit macht ihn trotz alledem doch immer wieder zn ihrem Sklave» — zu einem jener tief unglücklichen Menschen, welche sich ihrer Sllaveukeite wohl be wußt sind, ingrimmig daran rütteln, doch nicht in, Stande sind, sie abzuschütteln oder zu zerbreche». Sie lacht hinter ihm drei», sagt laut vor sich hin: „Der Narr!" macht sich sodann im Ernste an die Vervollständigung der bercit- uegendc» Kleidung und schellt zehn Minuten später ihrer Zofe, »m '"it d°m rasch übcrgcwvrfencn Pcignoir ihr Haupt deren geschickten, zauberisch stinken Händen zn überlassen. Jene aber giebt während des Frisircns auf verschiedene Fragen ihrer Herrin bereitwillig Antwort. Erst ein paar Monate in ihrem Dienste, kennt sic dieselbe doch schon viel z» gut, als daß sic auch nur versuchen würde, sich darüber zn ivllndern, daß die Frau Nitt- .meisterin über die belanglosesten Dinge Auskunft heischt, doch mit keiner Silbe nach ihrer armen, alten Mutter forscht, welche heute am frühen Nachmittage verzweifelt und gebrochen daS Hans verlassen hat. Das Mädchen, welches eben von einem Gange heimgekehrt, war per Greis.» auf dem Trcppcnflnr begegnet. Erstaunt über den irren Blick und die verstörten Mienen der alten Dulderin, die, Unver ständliches vor sich hinmnrmclnd, zitternd und sich krampfhaft an dem Stieacnnclciiidcr sesthaltend, die Stufen herabsticg, halte sic die selbe thcilnahmsvvll gcsragt, ^ ß-ihr^b-i, behilflich ftin dürfte Itiid sie gebeten, Haiidbewegling und stummem Kopfschiittein war ihr Antrag abgelehnt worden, und auf ihre weitere» Fragen, wohin sie gehe, wann sie zu rückkehre, war ihr gar keine Antwort geworden. Lori hatte allso- gleich gemuthmaßt, es habe mit der Tochter „wieder Etwas gegeben", und mit tiefem Bedauern hatte sie dem betlagenswerthcn Weiblein nachgeschen. Doch als sie in die Wohnung hinaufgekommen und vor ihre Gebieterin getreten war, da halte sie diese behaglich aus der Ottomane ruhend gefunden, mit Miene», welche fast auf Er lösung deuteten. Mehr als vier Stunden sind seitdem vergangen. Die Dämmerung ist da, die junge, schöne Frau schmückt sich zur Abendnnterhaltuim, die Greisin aber, die sonst immer vor der Däiumernng heimkchrt, ist »och nicht zu Hanse und die Tochter findet kein Wort, nach ihrer Mutter zn fragen. Wie die Majorin heut angczogen, fob sie stark geschminkt sei und eine hohe oder niedere Frisur habe — das sind ihre ersten Fragen gewesen; die folgenden unterscheiden sich nicht viel davon. Nach weiteren zehn Minuten ist die einfach hübsche Zvpfsrisur beendet. Lori nimmt den Pcignoir von den ihrer Herrin sanft abfallen den Schulter», schiebt, als diese sich erhoben, den Stuhl bei Seite und die Lichter zurecht, wirft ihr mit wunderbarer Geschicklichkeit das Kleid über, tritt dann zurück, »m ihre Dame unter entzückte» Schmeichel- rnfcn zn bewundern, und dieser selbst genügend Raum zn gebe», sich nvchinals ausgiebig im Spiegel zn betrachten. Das knapp bis zum Kinn reichende, sich eng an den Körper schmiegende Kleid ans Sammt und Cachemir ist von lief blaugrüncr Farbe und macht das kleine, rothhaarige Haupt mit seinen tadellosen Zügen und Farben zu einem überwältigenden Anblick. Die weiße Kamelie, lose in den knotcnartig geschlungenen Zopf gesteckt, sicht ans, als wachse sie ans diesem Prachlhaar heraus; die Opale in den Ohrschränbchen, in der Broche und im Ringe, mit ihrem milden Feuer und prächtigen Farbcnspicle aber scheinen eigens für diese Kleidung und diese Frau erfunden und vollenden die schöne» Einzel heiten Beider zu einem Bilde voll unbeschreiblicher Harmonie. „Das ist einfach großartig, überirdisch, göttlich!" ruft die ge bildete Lori begeistert, indem sie die Hände znsammcnschlägt. „Ich möcht' nur gleich niedcrknien und Euer Gnaden anbcten, wie die alten Griechen ihre heilige Venns angcbctct haben. — O, gnädige Frau!" — Sie gcräth vor Begeisterung außer Rand und Band. — „Gnädige Frau! Ich kann's nicht so sagen, wie ich's sage» möcht'; aber wenn ich ans Etwas stolz sein kan», so bin ich's darauf, daß ich bei der allcrschönsten Frau von ganz Wien im Dienst bin." Und ehe sich die geschmeichelte Frau dessen versieht, hat das überschwäng liche Mädchen ihre Hand ergriffen und voll Jnrbnnst gedrückt und geküßt. Die schöne Nelly aber giebt ihr lächelnd einen leichten Backen streich »nd sagt gutgelaunt: „Närrin!" Hierauf entfernte sic sich mit Blicken, j» denen »„verhohlene, stolze Freude über ihre Schönheit D-imen: „Nein! Sv ein Slnrml" — allein im nächsten Augen- glänzt. . .... Sich anmnthig i» den Hüsten wiegend, schwebt sic leichtfüßig , , ^ . . , . »ach dem Empfangszimmer, begrüßt das Halbdntzend der bereits nur fest auf ihren Arm zu stützen. Mit müder anwesende» Offizierscamcn, entschuldigt, so gut sie kann, ihr langcs änmen und dankt mit der gleichen bezaubernden Liebenswürdigkeit ihrem Gatte» dafür, daß er an ihrer Statt die Damen empfangen und unterhalten habe. Mai, plaudert sodann über alles Mögliche und Unmögliche, bis endlich Lori erscheint und meldet: es sei auf getragen, worauf die sechs fremden Grazien den Rittmeister, der große Lust bezeugt, „ansznreißen", in ihre Milte nehmen und ihn im Triumphe mit sich in'S anstoßende Theezimmer schleppen. „Denn ohne eine» Mann heißt die Unterhaltung rein gar nichts," erlci. tert die Majorin, eine etwas verblühte, aber sehr lebensfrohe und gefall süchtige Dame. Die kurze Däiumernng ist dcr Nacht gewichen. Der blau«, sonnenklare Tageshimniel ist schwarz geworden und durch Phantastische, zerrissene, zerklüftete Wvlkengebild:, die sich mit schwerfälliger Hast gegen Osten wälze», gucke» schüchtern einzelne Sterne hervor, während der Wind znm Sturme anwächst Er braust durch die Straßen, wirbelt den mit Papicrfetzcn und Strohhalmen vermengten Staub auf, peitscht ihn im Kreise vor sich her, daß Mensch und Thier, so sich im Freien befinden, lheils in hilfloser Angst, zum Theile auch unwillig» erzürnt, sogar entrüstet sich abmühen, ihn zu besiege», sich durchzukämpfen nach dem schützenden und geschützten Heim. Er pfeift scharf und gellend um die Straßenecken, verfängt sich in dem Netze der Tclcgraphcndrähte, daß sic leise klirren und klingen wie Aeols« Harfen; verfängt sich in den Aestcn der halb entlaubten Bäume, macht sic vollends kahl und rüttelt an ihren Stämmen. In ängstlicher Nachgiebigkeit biegen sich die jngciidzarte» ächzend hi» und her;'die altersstarken aber halten ihm trotzig, unentwegt Staub, als wollten 'sie ihn höhnen: „Du kannst »ns doch nichts anhabe», laß ab!" — Er kann cs doch! Wenn seine Kraft auch nicht hinrcicht, sic, welche keiner freien Bahn im Wege stehen, ans den ersten Anprall zu ent wurzeln, so rächt er sich an den Acsten; alle Augenblicke hört man cs knacken, krachen, sodann mit cinem scharsknallenden Geräusche auf die Gartenerde fallen. In keckem Ungestüme saust er »m die Dächer und holt sich dort Dachziegeln, Schindeln, Schieferplatten zum Zer- stvrungsspielc, daß sie ans den: Grunde unten krachend zersplittern. Er fährt in die Schornsteine hinein und beginnt dort seine iiuhcim- lichc Melodie — die volle Tonleiter hinauf; vom leisen Wimmern an bis zn brüllenden Geheule, dabei immer begleitet von dem Klirren der Fensterscheiben, dem Gekreische der Wetterfahnen, kein wellen förmigen Erzittern der Fußböden. Die Thecgesellschaft bei Frau Nelly bekümmert sich sehr wenig »>» diesen wilden, rastlosen Geselle». Wenn's hoch kommt — wenn er mit langgezogcnei» Geheule im Kamin rumort, daß das Feuer anfsprüht und dann mit lautem Geknister znsammenfällt, wen» er mit rauher Hand an den Thüre» rüttelt, wenn die Wassergläser auf dem Tische lauter klirren und die Schmetterlingsflain-men dcS Gas lichtes jäh anfznckcn, dann rust wohl die Eine oder die Andere der blicke ist er wieder vergessen, man langt nach einer neuen Tasse The«, knuspert vergnügt an dem fein.cn Backwerk und stürzt sich von Nene» kopfüber in die „interessante" Unterhaltung. ' (Fortsetzung solgt/
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