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General-Anzeiger für Chemnitz und Umgegend : 10.07.1898
- Erscheinungsdatum
- 1898-07-10
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id512384843-189807109
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id512384843-18980710
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-512384843-18980710
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
General-Anzeiger für Chemnitz und Umgegend
-
Jahr
1898
-
Monat
1898-07
- Tag 1898-07-10
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Monat
1898-07
-
Jahr
1898
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^relse»»ve»'sorg»»nst in Paris. Hat Frankreich auf der einen Seite Mangel an Geburten, so hat eS auf der anderen Seite einen reichen Ueberschuß an altersschwache» Leuten, die der öffent- uchen Unterstützung bedürfen. So harre» jetzt 10,000 Greise i» Paris ihrer Hospitalisation. Aber die vorhandenen Hospize reichen nicht aus. 6000 von diese» Anwärter» hat man für's Erste zurück» tveisen müssen. Da die Nothlage dringend geworden, so werden jetzt eingehende Erhebungen über die Armenversorgung aiigesiellt, die als Grundlage für eine umfassende Refvrmeinrichtung dienen sollen; denn die bisherige Art der Hospitalisation kann nicht weiter behalte», wenigsten- nicht weiter ausgedehnt werden infolge ihrer enormen Kostspieligkeit. Ein neues Hospital für Arme mit 2000 Betten kostet 12 Millionen Franks, dazu kommen 2 Millionen Betriebs kosten jährlich. Ziemlich ebenso thcner stellte es sich, wen» man die Armen in Familien unterbringcn würde. Ebenso versagte das System der Monatspensione». Auch für Deutschland wird der neue Resormpla» von erheblichem Interesse sein. — Avdeiter-Kolonie Schneckengriin. Nach dem Monats, bericht für Juni 1898 der Arbeiter Kolonie Schncckengrnn haben daselbst seit deren Eröffnung 3639 Kolonisten Ausnahme gesunden. Abschlüsse deS vorigen Berichts war der Bestand 46 Kolonisten, hinzngekommen sind im Monat Inn! 30, abgegangen 31 Kolonisten demnach sind dort gegenwärtig 4b Kolonisten nntergebracht, während 75 Plätze unbesetzt sind. Die Kolonisten vertheiten sich »ach ihrem Geburtsort: auf Königreich Sachsen 30, Schlesien 3, Sachsen 3, Schleswig-Holstein 1, Königreich BMim-2, Neuß ä. L. 3, Neust j. L. 2, Oesterreich 1; naH^mil^Gewerbe sind es: 14 Arbeiter, 1 Buchbinder, 1 DaH-rckkr^1 Eisengießer, 1 Färber, 1 Hausdiener, 1 Kaufmann^Ä^Knechte, 1 Kellner, 2 Maurer, 1 Musterzeichner, 2 SjLMU^wirker, 1 Steinmetz, 1 Schlosser, 1 Schleifer, 1 Schneider, Schuhmacher, 1 Schieferdecker, 2 Schmiede, 1 Tischler, 1 Töpfer, 8 Weber, 1 Zimmermann. Der Zugang betrug in diesem Monat SO, der Abgang 21 Kolonisten; von diesen ginge» 14 ,auf eigene» Wunsch, 3 erhielte» durch eigene Bemühung Stellung, 1 mußte wegen schlechten Betragens verwiesen werden und 3 sind entlaufen. Auster den uothwendigen Haus-, Hof-, Stall- und Gartenarbeiten, sowie Besetzung der Werkstätten wurden die Kolonisten hauptsächlich mit Listelstcchen, Nübeuhacken, Nübenverpslanzen, Krantsteckcn und gegen Ende des Monats mit Heumache» beschäftigt. Die Vcrpflegtage betrugen 1355. Dieselben Verth ilen sich auf 179 Sonn- und 1176 Arbeitstage, welche sämmtlich in der Kolonie geleistet wurden. — Ein militärisches Genesttttgöheim. liebereine interessante Veranstaltung des kommandirenden Generals des lothringischen Armee korps, Generals Grafen v. Haeseler» bekannt auch durch seine Ent haltsamkeit gegenüber geistigen Getränken, berichtete kürzlich der »Hannoversche Courier". Danach hat er ein Gcn.snngsheii» für Mannschasten des 16. Armeekorps in einem landschaftlich reiz vollen Keinen Orte Lettenbach, dicht bei Alberschwciler, ins Leben gerufen. Hiermit ist eine Idee zum ersten Male verwirklicht, die vielleicht noch eine große Nolle spielen wird. Das Verbleiben eines Rekonvaleszenten, der eigentlich ärztliche Verpflegung nicht mehr LsiWg hat, im Lazareth oder in der Kaserne ist nach einstimmigem Urtheile der Militärärzte in keiner Weise geeignet, dem Manne möglichst rasch zu voller Gesundheit und Dienstsahigkeit wieder zu verhelfen. Die Beurlaubung in die Heimath aber kann in diesen Fällen nur dann als zweckmäßig erachtet werden, wenn die Ange hörigen in der Lage sind, dem Soldaten die erforderliche Pflege und nöthigenfalls auch ärztliche Hilfe angedcihen zu lassen; daß aber -rm1-ll"Aüe^!0ed!"llM^ös^Mk-rst6sMUi;h'§ Äst hMlilÄ",'!: Nrs und nicht selten kommen diese beurlaubten Rekonvaleszenten weniger gekräftigt als zuvor ans dem Urlaube zurück. Da hat nun Graf Haeseler in dem genannte», in engem Thale gelegenen Gebirgsdorfe ei» ehemaliges Landgut, das zu Arrondinmgszweckcn von der Staatsforstverwaltnng angckaust worden war, für sein Armeekorps gemiethct und darin de» bekannte» Scherz von den „militärischen Ferienkolonien" in erfreuliche Wirklichkeit übcrgcfnhrt. Ein einfaches Echloßgebäude und zwei Nebengebäude nehmen im Sommer gegen 80, im Winter 60 Soldaten auf, die ernsthafte Krankheiten dnrch- gemacht und eine ordentliche Erholung nöthi'g haben. Iliimittelbar «in diese Gebäude sind prächtige Parkanlagen, daran stoßen große Wiesen und Ackerfelder, zu beiden Seiten aber geht es mit uralten Waldungen die Bergabhänge hinan. Die ganze Anstalt steht unter der Leitung eines Assistenzarztes, die militärische Aufsicht führt ein lM-ier. wozu in der Regel auch ein solcher lommandirt wird, der selbst nach überstandener Krankheit noch eine Erholung brauche» kann. Die Zimmer der erholung-dürftigen Mannschaften sind sämmtlich große, Helle und luftige Räume, einfach, aber sehr wohn lich eingerichtet. Die Verpflegung wird von den Soldaten gerühmt. Diejenigen unter ihnen, die schon mehr gekräftigt sind, werden im maßvollen Umfange zu Arbeiten im Garten und auf dem Felde herangezogcn, die Anderen finden in den Parkanlagen und den an grenzenden Waldungen massenhaft Bänke und Tische, um sich möglichst v «l im Freien auszuhalte», wobei auch für geeignete Spiele und Unterhaltungen zur Genüge gesorgt ist. Der leitende Offizier hat dafür zu sorgen, daß, je nachdem der Kräjtcznstcin) d:r Leute es zn- läßt, auch deren militärische Ausbildung gefördert wird, wobei natürlich nur leichtere Hebungen in Betracht kommen. Die Zahl der Soldaten, die in der Anstalt im erste» Jahre ihres Bestehens mit erfreulichstem Ersolge verpflegt wurden, beträgt gegen 400. Die stets vergnügten Mannschaften in dem malerischen Gcbirgsorie als Lnst- lurgästc zu beobachten, gewährt einen eigenen Reiz, erfüllt aber vor Allem mit aufrichtigem Respekte vor dem Metzer kommandirenden Gineral, dessen eigenste Schöpfung dieses menschenfreundliche Unter «ehmen ist. werden ersucht, zu diesem Anträge Stellung zu nehmen und di« diesbezüglichen Beschlüsse beim Vorstände des Allgemeinen Sächsischen Lehrervereins einzureichen. — Rener-Bercin. In Köln a. Rh. hat sich ein „Verein zur Wahrung der gemeinsamen Interessen des deutschen Handels und der Industrie von Fleisch» und Wurstwaare»" gegründet, der sich über ganz Deutschland verbreite» soll und bezweckt, ausländische Fleisch- und Fettwaaren in Deutschland einzuführen. Der Sitz des Vereins ist Köln a. Rh. — Dev Geschäftsbericht und Ncch,«»«««,,sabschluk des Sächsische»» Post-Slerbekassen Vereins auf das 50. Ver wciltttngsjahr weist 35 Sterbefälle mit einer Versicherungssumme von 9470 Ml. an die Hinterlasscne» nach. Gegenüber diesem Abgang hat ei» Znwnchs vo» 89 Mitgliedern mit 39 500 Mk. Versichernns- summe stattgesunden. Seit dem 50jährigcn Bestehen des Vereins sind aus demselben durch Todesfall überhaupt 867 Personen aus- geschieden und an deren Hinterlassene 190,830 Mk. Versichernngs summe und 42 801 Mk. 80 Pf. Dividcnden-Gntschrift gezahlt worden. Der gegenwärtige Kapitalbestand von 205 733 Mk. 81 Pfg demjenigen des Vorjahres mit 196 537 Mk. 25 Pfg. gegenüber gestellt, ergiebt ein M:Zr von 9196 Mk. 66 Pfg., so daß den Mitglieder,.- des Vereins eine Dividende von 70 Prozent gutge- schrieben werden kann. — Besteller»»,«g vo»» Zweiggeschäften, lieber die Er hebung einer Steuer von Zweiggeschäften (Koiisumvereiiissteuer) hatten die städtischen Kollegien in Dresden bis jetzt noch keinen definitiven Beschluß gefaßt, sondern die Vorlage an einen Ausschuß zur Weitcrberathnng Verwiesen. Nunmehr hat sich der Rechtsaus schuß des Stadtverordiictenkollcgi'ums über diese Frage schlüssig gemacht und den beiden städtischen Kollegien einen umfangreichen Bericht zugehen lassen, in dem von der Mehrheit des Ausschusses die Besteuerung der Konsumvereine und Filiale» abgelchnt wird, und zwar aus dem Grunde, weil die privaten Besitzer von Zweig geschäften genug Mittel und Wege finden würden, die Steuer zu umgehen und weil die alleinige Besteuerung der Konsumvereine fast ausnahmslos die ärmeren Klassen der Bevölkerung treffe» würde. Der oben erwähnte Bericht schlägt nun dem Rathe vor, zu erwägen, ob au Stelle der Konsumvereinssicucr nicht die Einführung einer progressiven Gewerbesteuer für den Klcinhandelbetrieb sowie einer besonderen Besteuerung der Äleinhondel treibenden Zweiggeschäfte auswärtiger Unternehmungen thunlich sei und zwar in der Art, wie dieselbe von mehrere» sächsischen Städten, wie Waldheil», Crimmitschau, Burgstädt, Leisnig re. bereits beschlossen worden ist. Der Steuer sollen unterliegen alle innerhalb des Stadtbezirkes befindlichen Geschäfte, i» denen Lebensmittel, Gennstmittel, Bekleidungsgegen- tände ober andere für den wirthschcfftlichen Bedarf bestimmte Gegenstände ausschließtich oder neben anderen Maaren im Einzelnen verlaust oder Bestellungen auf solche Maaren angenommen werden und zwar ohne Unterschied, ob sich die Geschäfte in der Hand vv» einzelnen Personen, offenen Handelsgesellschaften, Comwanditgcsell' schäften, Erwerbs- und Wirthschaftsgenosseuschaste» oder Pcrsoncn- vereinen befinden. Dieser Steuer sollen ferner noch unterliegen alle Niederlassungen, Verkaufsstellen und Zweiggeschäfte von außerhalb des Stadtbezirkes gelegenen Erzengungsstellen oder Handelsgeschäfte», die sich mit dem Einzelvcrkaufe der oben bezcichncten Maaren befassen, ferner Vereine zum gemeinschaftliche» Einkauf von Lebens- oder Wirthschaftsbedürsnissen im Großen und Verkauf im Einzelnen (Konsnnwereine). Nicht steuerpflichtig sollen Geschiffte und Vereinigungen kn,'., Urin nach ailsschllebuch snr den Gewerbebetrieb des Abnehmers bestimmten Maaren bezwecke». Die Besteuerung soll cinireten bei einem Jahres umsatz von über 2o0000 Mk. bis 500 000 Mk. mit vom Hundert, bei einem Jahresumsätze von über 500000 Mk. bis 1000000 Mk. mit 1 vom Hundert und bei einem Jahresumsätze von über 1000 000 Mk. mit 2 vom Hundert des Jahresumsatzes. Geschäfte, bei denen der Jahresumsatz den Betrag von 200 000 Mk. nicht übersteigt, sind von der Gewerbesteuer befreit. Vereiusnachrichtett. — Bervand Deutscher Bnreanbcamten. Am 6., 7. und 8. August d. I. hält der Verband Deutscher Burcaubcamten (Sitz Leipzig) in Weimar seine» 11. Vcrbandstag ab. Auf demselben kommen u. A. zur Berathung die Anträge, betr. die Errichtung einer Pensivns-, Wittwen- und Waisenlassc, die Erweiterung des Alter und JnvaliditätS-Vcrsichcrniigsgesctzes zu Gunsten der Rechtsanwalts bureaubeamteu und die Einschränkung des Militäranwärtcr-Shstems — Allgemeiner Sächsischer Lehrervereiu. Von dem Vorstande des Allgemeinen Sächsischen Lehrervereins werden die Be zirksvcreinc ansgcfvrdert, die nächste Delegirtcn-Versammlung zi Michaelis in Auerbach i. V. zu beauftragen, durch sofortige Ein reichung einer neuen Petition bei der hohe» StaatSrcgicrnng dahin wirken zu wolle», daß 1. der Höchstgehalt auf 2400 Mk. festgese und »ach 2-1 Dienstjatzecn erreicht werde, daß 2. die Altcrszntcigc» für fämmtliche Lehrer auf die Staatskasse übernommen werde» und 3. die AUcrSzulagcu i» acht 3jährigen Zwischenräume» von 150 Mk. gewährt werden, daß 4. Ucbcrstnnden einschließlich Forti bilduiigsschttlnntcrricht mit 50 Mk. jährlich für eine wöchentliche Stund« vergütet werden, daß 5. den Kirchschnllchrer» das Kirchen tinkommcn nicht verkürzt werde» dars. Die Bczirkslchrervercin Entmischtes. — Forstlvirtl-schnstlichcö iu Sachs«»»« Der Bestand an Laubwäldern im Königreich Sachsen ist nicht groß. Die Nadel hölzer, unter denen die Fichte vorherrscht, »verwiegen weitaus die Laubhölzcr, da Letztere nur 3,5 Prozent der Watdfläche Sachsens einnehmeu. Für die höchsten Erhebungen Sachsens (Fichtelberg) ist die Fichte die einzig dvminirendc Holzart, sie erreicht bis 1200 Meter noch Banmwnchs, bei größcrer Höhe Krüppclwuchs. Die Tanne geht infolge größeren Wärmebedürsnisses bcstandbildend mir bis 600 u, Höhe hiauf. Die Kiefer bevorzugt die lehmhaltigcn oder auch nicht lehmhaltigcn Sandböden und tritt besonders im Niederlande bestand- bildend auf. In Lagen, welche 700 Meter Höhe überschreiten, wird sic mit Ersotg nicht mehr angcbaut werden können. Die Lärche hat besonders für das Gebirge Bedeutung. Die im Anfänge unseres Jahrhunderts grassirendc Manie, Lärche in reinen Beständen auf ausgedehnten Flächen anznbancii, hat höchst ungünstige Erfolge ge zeigt. In Sachsen ist sie bei 750 Meter Höhe nvch bcstandbildend vorhanden. Buchcubestände sind bei mehr als 850 Meter Höhe nicht mehr vorhanden, Loch zeigt die Buche bis 1020 Meter im Misch bestände »vch guten Höhcnwnchs. Von den beide» deutschen Eichen arten kommt die Stieleiche siünfiger in Sachsen vor, als dic Tranbeneiche. Bcstandbildend treten beide Arten in Höhen von 850 Metern nicht mehr auf. Die Schwarzerle geht in Mischbeständen bis 810 Meter hinaus, während die Weißerle, die in Deutschland nicht heimisch war, jetzt bis 780 Meter eingebaut sich vorsindet. Die Birke ist auf alle» Böden heimisch, gedeiht in de» obersten Gebirgslagen Sachsens jedoch nicht mehr, sondern zeigt dort nur Krüppelwnchs. Mit der Ficht« geht die Eberesche bis zu den höchsten Erhebungen unserer sächsischen Gebirge hinaus. — Die Tarantella als Heilmittel. Ein in Süditalien weilender Mitarbeiter einer englischen Zeitschrift, der sich vor Kurzem in einem wildromantischen, kleinen Orte in der Nähe von Brindisi aufhielt, schreibt von dort: Man kann sich keine Vorstellung mache», in welchem Maße die Bewohner dieses schönen, weltvergessenen kleinen Erdenwinkels von Skorpione», Vipern und Tarantel» zu leiden haben. Tiefe drei gefährlichen Geschöpfe machen jeden Garten, jedes Feld und jedes Gehölz unsicher. Obgleich die Thiere zu Hunderten täglich getödtet werden, vermehren sie sich znm Entsetze» der Bevölkerung in ganz erschreckender Weise. Besonders zahlreich sind aber in dieser Gegend jene großen, giftigen Spinnen, die Taranteln, deren Stich beim Menschen eine Art Tobsucht hervorrnft, die den Unglücklichen lazn antreibt, die wildesten Sprünge und Körpervcrrenkungcn cms- zusührc», bis er erschöpft oder bewußtlos zu Boden sinkt. Dieser schrecklichen Raserei verdank«, wie man weiß, die reizende Tarantella, der graziöse, lcidcnschastüche Natiouallanz der Neapolitaner, ihre Entstehung und soll dann wiederum als Heilmittel gegen die Wirk ungen des TarantclstichcS gebraucht worden sei». Die wahnsinnigen Bewegungen, die der Tanzende nach der feurige», scharfmarkirtc» Tarcmtcllcnmusik airsführen muß, erzeugen starke Tran-p!ratio», und sobald diese eintritt, empfindet de, von dem gräßlichen Insekt Ge bissene Erleichterung. Skeptiker wollen zwar behaupten, es sei nn, eine Fabel, daß der Tarantelbiß den Menschen zu rasendem Tanze« anreize; doch wer hier kurze Zeit zngcbracht ha», der kann sich bald von der Wahrheit der Sache überzeuge». Ich selbst — so berichtet der englische Journalist — habe Gelegenheit gehabt, eine „Tarnnlata" (von der Taranlcl gebissene Frauensperson) zu beobachten. Ein sehr hübsches, junges Mädchen, das einzige Kind armer Bauersleute, war am Tage vor meiner Ankunft von einer der gifligsteu Taranteln ge stochen worden und saß nun, umgebe» von ihren Eltern, Verwandten und Bekannten, ans einer Bank vor der Hcmsthür. Das blutjunge Ding machte aus den ersten Blick de» Eindruck einer Irrsinnigen, die sich unablässig von etwas Fürchterlichem verfolgt oder bedroht glaubte. Ihr regelmäßig schönes Gesicht war todtenblcich, die großen, dunklen Angen starrte«! wild umher und als sähe sie vo» allen Seiten eine Tarantel auf sich znkommen, streckte sie abwehrend die Hände aus, um diese dann schnell wieder zusammeiizupressen, als wolle sie das schenßliche Insekt darin zerdrücken. Prächtiges, blauschwarzes Haar umhüllte die Unglückliche wie ein Mantel. Als ich neugierig näher trat und nach der Ursache des seltsame» Benehmens der jungen Schönen fragte, erwiderte man, das sei eine „Tarantata". Das Mädchen be wegte jetzt den Kopf hi» und her, als horche sie auf Etwas und gleich darauf vernahm man die Klänge einer Spielorgel, die si h zu nähern schien. Kann« wurden die Töne deutlicher, da erhob sich die Kranke von ihrem Sitz und begann erst matt und langsam, dann immer schneller und wilder zn tanzen. Als ihre Kraft erschöpft war, stieß sic einen markerschütternden Schrei aus und stürzte ohnmächtig in die Arme ihrer Mutter. Als ich zwei Tage später wiederkam, musizirtcn Spiclleute vor dem Hause des arme» Bauern und »ach der förmlich clektrisireuden Musik der Tarantella tanzte das schöne blaffe Kind — wie man mir sagte — fast ohne Unterbrechung schon seit acht Stunden. „Wenn die anregende Musik nicht wäre," meinte die bekümmerte Mutier zu mir, „würde das arme Ding zu schwach sein, um auch nur einen Fuß zu rühren. Die Spieler kosten zwar viel Geld, aber lieber wollen wir nachher Hunger», als daß wir jetzt unterließen, was unserem Kinde Heilung bringen könnte." Außerdem ist den Bewohnern der Umgegend von Brindisi und Tarent nur noch ein Heilmittel bekannt — das heißt, sie glauben an die Wirkung desselben — und dies ist das zauderkräftigc Wasser eines „heiligen Brunnens", der etwa 10 Meilen von Brindisi entfernt liegt und dem Schutzheiligen der Opser des Tarantelstichs, St. Paulus, geweiht ist. Besonders zahlreich Pilger» jedes Jahr znm St. Paulstage Ende Juni die armen Gequälten ans allen Gegenden dorthin, um Heilung zu suchen. Unterwegs werden die bcdauernswerthen Menschen o häufig von den heftigsten Konvulsionen befallen, daß sie mehrere Tage brauchen, um die verhältnißmätzig kurze Strecke zurückzulcgen. Wer sich überhaupt nicht getraut, die Neffe zu machen, muß es eben durch rasendes Tanzen versuche», das Gift aus seinem Körper zu treiben. Gewöhnlich wird dem Aermsten zu diesem Zwecke der größte Raum im Hause hergerichtet, indem man das Mobiliar daraus ent- ernt und die Wände mit farbigen Tüchern und bunten Lappen be hängt. Hier tanzt und springt und windet sich das unglückliche Opfer, bis es auf eine Lagerstätte in der einen Ecke des Zimmers sinkt, wo es sich kurze Zeit erholt, um immer wieder von vorne au- zusangen, bis gänzliche Erschöpfung und gleichzeitig ein tiefer Schlaf eintritt, aus dem der Betreffende in den meisten Fällen geheilt erwacht. — Leiche,»schauwesei». Dar Leichenschauwesen soll demnächst reichsgesctzlich geregelt werden. Die Frage der Einführung einer o-ich-ns-hau 1», Dsutschcn Reichs wurde bereits in der Neichstagssitzung vom 18. Januar ,875 bei der Berathung des Gesetzentwurfes über die Beurkundung des Personenstandes und die Eheschließung aiigeregt, und hat alsdann auch den Bundesrath be schäftigt. Eine zur Vorberathung einer Ncichsiiiedizinalstatistik ein gesetzte Kommission brachte 1876 die Einführuiig der obligatorischen Leichenschau in Vorschlag und bezeichnet«: gleichzeitig die Grundzüge für ein Leichciifchaugesetz. Die Sache zerschlug sich aber wegen der leidigen Kvsteiifragc. Inzwischen ist von manchen Seiten, von ärztlichen Vereinen, der deutschen Gesellschast für öffentliche Gesund heitspflege, dem Verbände deutscher Lebensversicherungsgesellschaften, die Einführung einer obligatorischen Leichenschau unler eingehender Begründung gefordert worden. — llnetttgeltlicht Bestattnng. Der Große Rath im Thurgau hat sich in seiner ebcn abgelanfenen zweitägigen Session endlich mit der Petition des kantonalen Grütlivcreines »m Einführung der un entgeltlichen Beerdigung besaßt, die schon seit bald drei Jahren auf dem Tisch des Hans s lag In der Zwischenzeit hatte der Negicrungs- rath die Ansichten der maßgebenden Behörden in der Sache ein geholt, wobei sich zeigte, daß man über dieses Institut ziemlich gctheilter Meinung ist. Von den 74 Gemcinderäthen sprachen sich nämlich 36, die 60268 Cantonseinwohner vertreten, für, und 39, hinter denc» 44820 Cantonseinwohner stehen, gegen die unentgelt liche Beerdigung ans. Von den Bczirksräthen traten sechs für, einer gegen oieselöe ein. Der evangelische Kirchenrath machte zwar auf einige Schwierigkeiten aufmerksam, zeigte sich aber der Anregung nicht abgeneigt, während der katholische sich grundsätzlich als Gegner der Unentgeltlichkeit erklärte. Der Widerstand der Katholiken gegen die unentgeltliche Beerdigung ist nichts Neues. Sie möchten der Beerdigung den Charakter einer rein kirchlichen und konfessionellen Handlung möglichst bewahren und sträuben sich deshalb gegen jeden weiteren Einfluß ziviler Organe auf diesem Gebiete. Das zeigte sich auch bei der Eintretensdebatte, ohne daß freilich die Gegner dabei mit offenem Visier fochten. Negiernngsrath Wild sowohl wie ein zweiter ullramontaner Redner schützten nämlich finanzielle Be denken vor. Doch können diese nicht gar schwer in's Gewicht fallen, denn die gesammlen jährlichen Kosten der unentgeltliche» Beerdigung werden auf 60—70 000 Franken berechnet, welche zu gleichen Theilen durch den Staat nnd die Munizipalgemeinden zu tragen wären. Mit großer Mehrheit wurde denn auch Eintreten beschlossen. — Die Leide» eines Millionärs. Georg Vanderbilt, der mit seiner jungen Gemahlin in Wien weilt, ist von seinen« dortigen Aufenthalte entzückt, namentlich staunt er über die Thätigkeit der — Post. Kaum war die Nachricht von der Ankunft des Millionärs in den Wiener Blätter» erschienen, als auch schon pneumalischc Brief« an ihn anlanglen, in welchen um eine Audienz aiigesucht wurde. Vanderbilt pflegt die Lektüre dieser Briefe nicht selbst zu besorgen, sonder«, er übergicbt dieselben einem Sekretär oder er hebt sie auf, »m sie von der Heimath aus zu erledige», die der Berücksichtigung würdigen in günstigem Sinne. Diesmal aber war cs Vanderbilt zu viel. Die Post brachte ihm nicht weniger als 127 Briese au» Wie». Nach Durchsicht der ersten fünf erkannte er, daß es keine bloßen Begrüß»,igSbriese seien. Hier bat ein „ewiges Liebespaar' um gütige Borstrecknng einer Mitgift. Dort wollte ein Wauder- tcnorist sich dem K«ös»s in den Himmel singen u. s. w. Da riß dem Amerikaner die Geduld, und er sawle die übrigen Briefe un» crvsinet zurück. Dasselbe that er mit einem Hansen Brkse, der a« folgenden Tage einlics.
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