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leutm auS allen Branchen daS Heer der Mäkler, Commissionäte und Agenten, hiesige und fremde, welche letztere in Hamburg ganz frei verkehren dürfen, da kommen ganz regelmäßig die Notare, selbst eine große Zahl Advocate», da stehen neben den, HauSmätlern auch die Architekten und neben de» Exporteur« auch die SchiffScapitäne, da sieht man selbst viele Commis und Ar beiter von bedeutenden Comptoiren; kurzum, es fehlt Niemand, dessen Anwesenheit zur raschen Beförderung des Geschäftsbetriebs von Nutzen sein kann. Und so wie kein Unterschied des Stan des, so auch keiner, des Glaubens. Als man noch jedes Mal, wenn es anderSwo Revolutionen gab, hier die Juden aus den CaM hinauswarf, dachte man doch nicht entfernt daran, ihnen auch den Börsentempel zu verschließen. Nur der eigentliche Dt- tailhändler kommt gar nicht oder nicht regelmäßig an die Börse, weil er seine Zeit besser verwerthen kann; wer aber seinen „Bör senstand" einmal hat, der wird schwerlich auch nur einen einzi gen Tag seinen Börsenbesuch aussetzen; er könnte, ohne genü gende anderweitige Gründe für seine Abwesenheit, sonst gar leicht zu bösen, Credit gefährdenden Vermuthungen Anlaß geben. So flehen sie denn zur Börsenzeit alle friedlich neben einander, der große Kaufmann und der bescheidene Agent, der Millionär und Der, welcher es gern sein möchte, der Senator, der seine Amts sorgen bet seiner steifen Halskrause, ein wesentliches Stück seines Amtshabits, gelassen hat, um sich nur als Kaufmann zu füh len, und der Commis, der mit dieser zeitweiligen Erlösung vom Comploirbock sich sehr einverstanden erklärt. Es geht durch Hamburgs Börse ein rührender Zug von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, der nur durch einen einzigen Flecken umwölkt Ist. Ausgeschlossen von der Hamburger Börse sind nur die Un gläubigen, die, welche ihren Gläubigern nicht gerecht werden können, so daß sie entweder „accordiren", d. h. unter der Hand einen Abzug ihrer Zahlungsverbindlichketten zu erlangen suchen, oder gar beim Handelsgerichte förmliche Insolvenz erklärt haben. Uebelthäter solcher Art sind so lange von der Börse ausgeschlos sen, bis sie von ihren „Gläubigern" wieder „Handelsfreiheit", d. h. die Freiheit, wieder Handel treiben zu dürfen, erlangt haben. Man ist tndeß in dieser Beziehung in Hamburg sehr milde, denn wem sollte ein gewerbloser Schuldner nützen? Nur wo die Gerichte Einspruch thun und den „böswilligen Falliten" hinter Schloß und Riegel stecken, damit er in Muße überlege, wie er es das nächste Mal gescheidter anzufangen habe, bleibt auch der Schutzzoll des Börsenverbots länger bestehen; wo das nicht ist, gönnt man auch hierbei in Hamburg rasch der Han delsfreiheit Raum. Aber weitere Ausnahme, als solche unbe gnadigte Schuldner, giebt es vom Börsenbesuche nicht. Feuitteton. ' Aus Paris erzählt der „Nord", daß sich ein dortiger Pianist, Herr E., Lehrer und Virtuos, plötzlich in eine Pianistin vewandelt hat. Mehrere Jahre hindurch trug er den schwarzen Frack, schwarze Beinkleider und eine weiße Cravatte, bediente sich einer blauen Brille und gefiel Vätern und Müttern seiner Schülerinnen. Er componirte auch und auf dem Titel seiner Musikstücke war als Vignette stets eine Jungfrau von Orleans abgebildct. Die Verkleidung ist jetzt endeckt und die Weisung von der Polizeibehörde erfolgt, ferner als Madame zu erscheinen. * Ein junger Bauer bei Pesth in Ungarn machte ein Mädchen, das weit und breit wegen seiner Schönheit berühmt war, zu seiner Frau. Der Mann ward sehr krank; das Gericht kam und fragte: ist's wahr, daß dich deine schöne Frau vergiftet hat? es liegen Anzeigen vor. — Ja, sie hat mich vergiftet, ich weiß cs, ich liebe sie aber zu sehr. — Der Mann starb. — Die Frau gestand ihr Verbrechen. Warum, fragte der Richter, hast du deinen Mann vergiftet? — Weil, antwortete das Weib, weil mich die Nachbarn ausspotteten, daß die schönste Frau einen Stotterer zum Mann habe! ' Große Mittel ausgenommen ist derzeit nichts gesuchter, nament lich in Preußen, als adlige Titel. Das Wörtlein „von" vor dem bürgerlichen Namen hat zahlreiche Liebhaber und das königliche Herold- aml streicht viele tausend oder 1200 Thaler für das kleine, gewich tige Wörtlein ein. In einem der letzten Monate sollen allein 10—12 nachgesuchte „Vons" ansgctheilt worden sein. Briefpostvcrkehr in Europa. In England wurden 1853 über 410 Millionen Briefe befördert, das ist etwa 14 Briefe auf den Kopf der Bevölkerung. Aus Irland kamen davon nur 40>/z Millionen Briefe, etwa 6 Briefe auf den Kopf. In der Schweiz wurden 1853 über IN'/, Millionen Briefe befördert, mehr als 8 Briefe auf den Kopf. In Preußen 1853 über 77^ Millionen Briefpost-Gegcn- stände, das ist mehr als 41/2 Briefe auf den Kopf. In Sachsen 1853 über 81/2 Millionen Briefe und Wcrthscndungcn, kaum 41/2 Briefe auf den Kopf. In Baiern über 17 Millionen Briefe, 3^/, Briefe auf den Kopf. I» Oesterreich fast 42 Millionen Briese, weniz mehr al« 1 Brief auf den Kopf. Jedenfalls dürft« fich die Durchschnitt«* . zahl in Deutschland jetzt noch bedeutend höher Herausstellen, da die eingetretenen Erleichterungen im Briefpostvrrkehr 1852 hier noch ziem lich neu waren. In Rußland- wurden 1850 nur 28'/, Millionen Briefe befördert, weniger als V» Brief, auf den Kopf. * Eine Uhr aus — Ströhl In einem der Pariser Straf-- häuser befindet sich ein junger Mann von 18 Jahren, der, ln eine Diebstahlsgeschichte verwickelt, vor ungefähr einem Jahre zu fünf jähriger Gcfängnißstrafe verurthellt wurde. Der junge Mann hab eine wunderbare Begabung zum Kopfrechnen und zur Anwendung desselben auf mechanische Combinationen. Trotz deS Mangels an geeigneten Werkzeugen führt er ohne Unterlaß seine kleinen Erfindungen auS. Das Anßerordcntlichste leistete er jedoch vor einigen Tagen, er fertigte, wie die Patrie meldet, eine Uhr auS Stroh an. Ms der Direktor, der sich für daS junge Talent interessirt, den Künstler in seiner Zelle besuchte, redete ihn dieser mit den Worten an: „Wollen Sie, Herr Director, mir wohl die Zeit auf Ihrer Uhr angeben, an daß ich die meinige danach richte« könne?" „Sie haben also eine Uhr?" fragte der erstaunte Director. „Ja, seit gestern", lautete die Antwort, und er wieS sein kleines Kunstwerk vor. Dasselbe mißt ungefähr fünf Ccntimeter im Durchmesser bei einer Stärke von zwei Centimeter; die Uhr läuft, einmal in Gang gebracht, ununterbrochen drei Stunden hindurch. Sie ist auS Stroh, Zwirnfäden, zwei Näh- und einer Stecknadel angefertigt, daS Zifferblatt ist aus Papier. Der Erfinder hofft dieselbe bis zu einer Gangdauer von 12 Stunden zu vervollkommnen. * Die Secte der Mormonen, welche die Stadt Deseret am Utah see in Amerika gründete, die jetzt nicht weniger als 30,000 Einwoh ner zählt, bietet in ihrer Entstehung und ihrem Bestehen inmitten der amerikanischen Republik manche Eigenthümlichkeit. Di« obere Orga nisation des Mormonismus umfaßt 12 Apostel und einen Propheten oder Papst. Die Apostel sind in Missionen auf der Erde zerstreut; es giebt deren in England, Schweden und Piemont, eS war deren so gar einer in Frankreich, in Boulogne, wo er versuchte ein Journal zu gründen, was jedoch mißlang. Der jetzt regierende Prophet, Brig ham Uoung, ist ein Mann von ungefähr 45 Jahren, von mittler Statur, aber von korpulenter Bildung, wie es dem Manne von 60 Weibern gebührt. Im gewöhlichen Leben ist er jovial und lustig aber wenn es sich nm Ausübung seiner pvntifiealcn tznnktionrn Handt» wird er intolerant, fanatisch und säet Haß in die Herzen seiner Adep ten gegen alle Andersgläubige. Wie die Muselmanen dürfen die „Heiligen der letzten Tage" nicht mehr als sieben Frauen nehmen Der Prophet aber darf ihrer mehr besitzen und unterhält deren gegenwärtig über 60. Ein Mann, welcher bereits eine Frau hat und noch eine nehmen will, darf sie nicht zum Weibe begehren, bevor er nicht den Präsidenten der ganzen Kirche darum befragte und von ihm eine Offenbarung Gottes erlangte. Ist die Offenbarung der beabsich tigten Vereinigung abhold, so hat es dabei sein Bewenden; ist sie ihr genehm, so wendet sich der Mann an die Acltern des jungen Mädchens, nie aber an dieses selbst. Vorher aber muß der Gemahl der Zustimmung seiner ersten Frau, nach h. 24 der Offenbarung, ge wiß sein. Ist der Tag der Vermählung herangekommen, so versam meln sich der Verlobte und seine Frau, die Verlobte und ihre Ver wandtschaft. Der Präsident, welcher zugleich Prophet, Pastor und Offenbarer ist und alle Schlüssel der Gewalt in seiner Hand hält^ ladet den Bräutigam, seine Frau und die Braut ein, aufzustehen. Die Gemahlin steht zur Linken, die Braut zur Rechten des Mannes. Der Präsident richtet nun die Frage an die Frau: „Willigen Sie ein, diese Frau ihrem Manne zur legitimen Gattin für Zeit und Ewigkeit zu geben? Geben Sie Ihren Willen kund, indem Sic Ihre rechte Hand in die Rechte Ihres Mannes «gen/' Ist dies geschehen, so nimmt die erste Frau den linken Arm ihres Mannes unter ihren rechten Arm. Nun wendet sich der Präsident an den Wann: „Mein Bru der, nimmst du Schwester .... zur legitimen Gemahlin und versprichst du, den Gesetzen und Gebräuche» der heiligen Ehe vor Gott und den Engeln treu zu sein?" Auf die bejahende Antwort des Verlobten richtet der Präsident dieselbe Frage an die Verlobte. Sodann erklärt er sie für verbunden, empfiehlt ihnen, fruchtbar zu sein, zu wachsen und sich zn vermehren und die Erde mit ihrer Nachkommenschaft zu füllen. Denn die Vermehrung der Bevölkerung ist cs in der That, was die Mor monen veranlaßt zu haben scheint, die Vielweiberei für ein Sacrammt zu erklären. Auch an Frauen, welche sich dieser „Gütergemeinschaft" unterwerfen, fehlt cs in der mormonischen Gesellschaft keineswegs. Manchmal bekommt freilich die Eifersucht die Oberhand über die Ach tung vor der Bibel, und dann biete» die Haushaltungen nicht immer daS friedlichste Schauspiel. Vor einigen Monaten hatte Eifersucht und Rebellion sogar derart übcrhandgcnommen, daß der-Prophet die Frauen von Deseret zukammenberief und ihnen verkündet«, daß <r entschlossen sei, alle Jene auSznstoßen, die sich nicht bequemen wetden, mit ihren Neju'nsrauen in Ruhe und Frieden zu leben. Brigham Young war bereit, mit den scinigcn anzufangen, und gab ihnen 14 Tage Bedenk-