Volltext Seite (XML)
Tageblatt. UV 1857. Donnerstag, den S. Juli. Erscheint schm Wochentag früh .»Uhr. Inserate wer den bi» Nachmittag« Z Uhr für die «Lchst- «schemende Nummer angenommen. deren Raum mit ! L cherechM.^-^ Freiberger Anzeiger und gespaltme Zette »da Tagesgeschichte. Sachsen. In verschiedenen Blättern war wiederholt von einer bevorstehenden Verlobung der Prinzessin Sidonie mit dem König von Sardinien gesprochen worden. Dec Leipziger Zeitung wird jetzt aus Wien geschrieben, daß derartige Gerüchte gänzlich aus der Lust gegriffen seien und auch in Bezug auf andere fürstliche Personen jedes Anhalts entbehren. Chemnitz, 6. Juli. (Dr. I.) Heute ist unser Nathhaus thurm mit einem völlig neuen Knopf versehen worden. Die in dem alten, von Kugeln durchbohrten Thurmknopf aufgefundenen Urkunden vom 24. October 1678 und vom 25. August 1751 find in den neuen wiederum eingelegt worden und außerdem noch folgende Schriften und Documente: eine Urkunde, ausge stellt unterm 3. d. M. vom Rathe, ein Haushaltplan von 1857; ein Rechenschaftsbericht von 1855; Nachrichten über die Stadt Chemnitz bei Anwesenheit Sr. Majestät des Königs im August 1855; das neue Adreßbuch, die Tageblattnummern vom 1. Jan. bis 5. Juli d. I.; eine Uebersicht aller communlichen Bauten in diesem Jahre sammt einer Ansicht des Rathhauses und end lich eine Ansicht von Chemnitz vom Lithograph Böhme hier. Die neueste Urkunde des Rathes ist einfach gehalten und schließt wie folgt: „Die darin (in den obenerwähnten ältern Urkunden) zum Himmel entsendeten Gebere hat der Allmächtige — Ihm sei dafür unser inbrünstiger Dank! — in Gnaden erhört. Unsre Stadt hat zugenommen an äußerm Umfang und an gewerb licher, industrieller Bedeutung, wie wohl der frommen Väter keiner ahnte. Ihre Zukunft ruht in Gottes Hand; er segne sie!" Und dies sei auch unser heißer Wunsch. Werdau, 2. Juli. (Dr. I.) Bei dem so sehr überhand nehmenden Mangel an Arbeitskräften und bei der fortwährenden Vermehrung und Vergrößerung von Fabriken — seit meiner letzten Mittheilung über die hiesigen Jndustrieverhältniffe sind nämlich wieder fünf Spinnerei-Etablissements entstanden, so daß sich die Gesammtzahl derselben bereits auf 47 beläuft — machte sich das Bedürfniß nach Bestimmungen immer fühlbarer, durch welche die Verhältnisse der Arbeiter zu ihren Arbeitgebern ge regelt wurden. Diesem Bedürfniß hat jetzt der Stadtrath in dankenswerther Weise abgeholfen, indem von ihm unter Gehör der Spinnereibesitzer ein förmliches Regulativ entworfen worden ist, das der vorgesetzten Regierungbehörde zur Bestätigung vor gelegt werden soll. — Demnächst ist auch hier ein Institut ins Leben gerufen worden, das einzig in seiner Art dastehen dürfte. Der Stadtrath hat auS Anlaß der in neuerer Zeit in den Fabri ken so vielfach vorgekommenen Unglücksfälle eine Kranken- und Sterbekasse für die sämmtlichcn hiesigen Arbeiter beiderlei Ge schlechts errichtet; die Bethciligung ist zur Zeit zwar keine ge zwungene, doch umschließt dieser Verein, der unter Oberaufsicht Les Stadtraths steht, fast die sämmtlichen Arbeiter in den ver schiedenen gewerblichen Etablissements, da die von den Lohn- Herren abzuzlehenden monatlichen Beiträge sehr niedrig gestellt sind und die Unterstützung aus dieser Kasse allen bisher Erkrank ten oder Verunglückten als eine große Wohlthat erscheint. Von der Pulsnitz, 3. Juli. (S. C. Z.) Endlich ist auch der hiesigen Gegend am I. und 2. Juli der langersehnte Regen geworden. Trübe lag schon wieder die Zukunft vor des Armen Blicken, denn am 25. Juni gingen in Kamenz die Kornpreise von 3'/2 Thlr. .bis 5 Thlr. in die Höhe; doch gestern fielen sie wieder bis 3'/z Thlr. Am 30. Juni zogen die ersten Gewitter heran, gingen über Pulsnitz nach Elstra hin, wo ein Blitzstrahl Las Wohngebäude und die Ställe des Bauers Lohse in Dobrig bei Elstra in Asche legte. Nach dem Kamenzer Wochenblatte sollen einige Hundert Scheffel Getreide mit verbrannt sein. Der gute Mann hatte am 25. Juni eine Fuhre Korn mit in Kamenz, nahm es aber wieder mit nach Hause, weil der Scheffel blos 5 Thlr. galt; auch sollen für 400 Thlr. Flachs von der Flamme verzehrt worden sei». Der Rauch war in der That furchtbar und in der Richtung des Windes über 3 Stunden Ent fernung durch den Geruch wahrzunehmen. Am 5. Juli Mittags halb 1 Uhr brach in Auerbach bei der Hausbesitzerin und FleischerSwittwe Förster auf der nach Falkenstein führenden Straße Feuer aus, wodurch in kurztt Zeit 36 Wohnhäuser ohne Seiten- und Hintergebäude, sowie Pi» beiden Rittergüter ein Raub der Flammen wurden. Erst; am Abend um 6 Uhr war das Feuer gedämpft. Die Entstehung des Brandunglücks wlrd dem 24 Jahre alten Sohne der Wittwk Förster, einem geisteskranken Menschen, zugeschrieben, der eS- angelegt und schon Tags vorher einen Versuch dazu gemacht haben soll. Er befindet sich bereits in sicherer Verwahrung. » Köln, 30. Juni. Nachdem die hiesige israelitische Gemeind» bis auf 500 Mitglieder gestiegen, entschloß sich Hr. Abraham Oppenheim aus Dank für die großen Reichthümer, mit welchen er gesegnet wurde, dem Herrn einen Tempel zu erbauen. Zu diesem Gotteshause, welches im maurischen Styl für circa 100,000 Thlr. erbaut wird, wurde heute Abend der Grundstein unter den entsprechenden Feierlichkeiten gelegt. Wien, 4. Juli. In den drei Gemeinden Sebusch, Brotzen und Andaun wurde neulich den dortigen israelitischen Ein wohnern von der Localbehörde der Auftrag ertheilt, ihre christ lichen Dienstboten innerhalb drei Wochen sammt und sonderS zu entlassen. „Diese Thatsache", schreibt man der Ost-Deutschen Post aus Prag, „macht in unserer Hauptstadt, die bekanntlich eine ansehnliche Anzahl jüdischer Einwohner zählt, großes Auf sehen, und zwar nicht blos in jüdischen Kreisen. Es sind hier zum mindesten 1500 christliche Dienstboten in jüdischen Häuser» bedienstet. Es ist daher die allgemeine Frage: Ist der Vorfall im leitmeritzer Kreise eine vereinzelte Erscheinung, der Ueber- griff eines die Grenzen seiner Vollmachten überschreitenden Localbeamten, oder ist es blos der Vorläufer eines zusammen hängenden Systems, das überall zur Ausführung gebracht werden soll? Die überwiegende Ansicht bleibt, daß es ein vereinzelter Mißgriff ist, der von den höher» Behörden mißbilligt werden wird. In der That wäre die Consequenz dieser Maßregel keine andere, als daß keine Familie berechtigt ist, andere Dienst boten ins Haus zu nehmen als die des eigenen Glaubensbekennt nisses. Wo aber würde man htngerathen, wenn die Verwen dung der Arbeitskräfte plötzlich nach confessionellen Schematismen eingerichtet werden sollte, wenn der Jude keinen Christen, der Protestant keinen Katholiken, der Katholik keinen Protestanteu ». in sein Haus nehmen dürfte, um die Kinder zu warten, die Speisen zu kochen, die Felder zu düngen rc. Ein solches ChaoS zu schaffen in einem geordneten Staate, Konflikte nnd Gehässig keiten zu fördern, die bis in das Privat- und Familienleben sich erstrecken, dies ist sicherlich eine Tendenz, welche von den Staats- und Verwaltungsmännern Oesterreichs pcrhorrescirt wird. Und darum sind wir der festen Ueberzeugung, daß jene — wie man behauptet, von dem Ortsgeistlichen zu Sebusch an geregte — Maßregel in höherer Instanz redressirt und der be treffende Staatsbeamte die ihm gebührende Weisung exhalten wird." Darmstadt. Die hiesigen Einwohner boten Alle« auf, um den russischen Majestäten ihren Aufenthalt zu verschönern. Die ganze Stadt "prangte im Fcstschmuck und bei der Ankunft des Kaiserpaars bildeten die Schuljugend im Sonntagsstaat so wie die Gewerke mit ihren Fahnen Spalier vom Bahnhof bi8 zum Schloß. Die Kaiserin, welche 6 Jahre lang ihre Vater stadt nicht gesehen hat, soll hocherfreut gewesen sein. Der Kaiser reist unter Lem Namen eines Grafen Borodinsky. Koburg, 1. Juli. (Dr. I.) Mit dem heutigen Tage ist die erste Nummer der „allgemeinen Schwurgerichtszeitung für Deutschland", eine Fortsetzung der V. L. Demme'schen „Anna len deutscher und ausländischer Criminalrechtspflege", hier auS- gegeben und in vielen Exemplaren nach allen Theilen Deutsch lands versendet worden. Dieses deutsche Unternehmen erfreut sich der besonder« Protection Sr. Hoheit des Herzogs, Höchstwelcher in einem Cabinetserlaß „der Redaction für ihren gemeinnützigen Zweck jede Förderung, welche ihr in der That erwiesen werden kann, verspricht." Es erscheint diese Wochenschrift in Großoxtav — ein Format, welches sich zum Handgebrauch sehr empfiehlt —