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Ers cheint jeden Wochentag früh S Uhr. Inserate wer den bis Nachmittags 3 Uhr für die nächst erscheinende Nummer angenommen. Freiberger Anzeiger und Tageblatt. Preis vierteljährlich 15 Ngr. Inserate werden die gespaltene Zeiles oder deren Raum mit 5 berechnet. 3«. Freitag, den «. Februar. 1857. Tagesqeschichtc. Freiberg. Oeffcntliche Gerichtsverhandlungen finden statt den 10. Febr. Nachmittags 3 Uhr: anderweiter Verhandlungs termin in der Untersuchung gegen Carl Traugott Hennig in Weißenborn, wegen Diebstahls. Nachmittags 4 Uhr: Verhand lungstermin in der Untersuchung gegen Ernst Herrmann Schramm u. Cons, in Freiberg wegen Selbsthülfe. Nachmittags 5 Uhr: Verhandlungstermin in der Untersuchung gegen Johann Fried rich Ferdinand Illgen in Freiberg wegen Beleidigung. Freiberg, den 3. Febr. Die heutige Hauptverhandlung betraf die verehrt. Johanne Sophie Wolf aus Crummhenncrs- dorf, die des Meineids, ausgezeichneten und einfachen Diebstahls und Betrugs beschuldigt war. Die Verhandlung begann vor einem ungemein zahlreich versammelten Publikum früh 9 Uhr mit der Einführung der Angeklagten, die in ihrem hochschwan ger» Zustande sichtliche Theilnahme erweckte. Ohne auf den Gang der Verhandlung selbst einzugehen, begnügt man sich, darauf hinzuweiscn, daß die Wolf unumwunden einräumte, am 13. Mai vor. Jahr, durch Vorspiegelung eines Auftrags von Johann Gottlieb Nietzold zu Mohorn 2 Thlr. Geld, ein Stück Topfkuchen und 3 Eier, im Wcrthe von zusammen 5 Ngr. 9 Pf., an sich gebracht, von demselben auch Beköstigung mit einem Stück Topfkuchen und mehreren Tasten Kaffee im Werth von zusammen 2 Ngr. erlangt, auch obige Geldsumme verthan zu haben. Fernerweit hatte sie geständigcrmaßen in der Nacht vom 25. zum 26. Nov. 1856 aus dem unverschlossenen, aus dem Gehöfte zugänglichen Keller des Begüterten Carl Gustav Weise aus Krummenhennersdorf, wohin sie, angeblich um ein Paar Kartoffeln zu stehlen, gegangen, Fleisch, Speck und Schinken im Werth von 8 Thlr. 15 Ngr. entwendet und in ihrem Trag korb, worin sie unter Anderem ihren unterm 11. desselben Mo nats vom hiesigen GerichtSamt ausgestellten Reisepaß gehabt, gesteckt, war dann in Wcise's Gutswohnung selbst durch das in den Garien gehende Festerchen eines an die Wohnstube an stoßenden Kämmerchens eingestiegen, in der Absicht, sich mit Schuhwerk zu versehen, hatte auch bereits 1 Paar Stiefel und 1 Paar Strümpfe aus der Wohnstube herausgcholt, aber sich unter Zurücklassung derselben, vorgeblich Neue empfindend, wie der entfernt und war dann, als der durch das Gebell Les Hun des hcrbeigerufene Weise naht, unter ebenmäßigem Jnstichlassen des Korbes ausgerissen. Hinsichtlich des Umstandes, daß das Fensterchcn zerbrochen und der dasselbe von innen haltende eiserne Stab, der in der Brüstung eingelassen gewesen, herausgerissen und vor dem Fester hingelegt vorgefunden worden, differirten zwar die Angaben der Angeklagten und des Bestohlenen, indes sen war darauf weiter kein Gewicht zu legen, da schon die mit telst Einstcigens in ein Wohngebäude und mittelst Beseitigung des Fensters durch einen, wenn auch minder kräftigen Druck verüble Entwendung einen ausgezeichneten Diebstahl begründet. Weise war der im Schnee sichtbaren Fußspur gefolgt und hatte bald den Tragkorb mit seinem Inhalt, Larumer Len Reisepaß der ihm bekannten Wolf gefunden. Am folgenden Morgen er schien Lie Wolf vor dem GerichtSamt Freiberg, zeigte an und beschwor auch, daß sie den ihr früher ausgestellten Reisepaß ver loren habe, und erhielt auf Grund dieser eidlich erhärteten An gabe einen neuen Paß ausgestellt. Bald darauf war ihre Ver haftung erfolgt und auch des Meineids war sie unumwunden geständig. Die Angeklagte war übrigens schon einmal im vergangenen Jahre wegen Diebstahls mit 2^ Wochen Gcfängniß bestraft, auch in Folge Vagircns aufgcgriffen und in ihre Heimath ge schoben worden, lebte übrigens schon längere Zeil von ihrem Ehcmanne getrennt und fristete ihr Leben durch Tagarbeit und Handel mit Victualien nur kümmerlich. Von Seiten der Staatsanwaltschaft ward die Anklage auf recht erhalten, und cs ergriff hierauf der Advocat Brause das Wort zur Verlheidigung in so klaren und würdigen, trotz sei ner Länge nicht ermüdendem Vortrage, daß seine Vertheidi- gungsrcde füglich als Muster hingestellr werden kann. ES ist doch gewiß richtig, daß ungeschickte Angriffe auf die Staatsan waltschaft, unüberlegtes und unmotivirteS Absprechen von An sichten derselben und eben so rücksichtslose, als unfertige Beur- theilung von Zeugenaussagen, Gutachten von Sachverständigen u. dgl., wie sie da und dort bei öffentliche» Gerichtsverhand lungen vorgekommen sind, nicht geeignet sind, dem Defendenden zu nützen; es wird zwar ihm nicht schaden, aber desto mehr Lem Vertheidiger. Mit aufrichtigem Bedauern müssen wir UNS heute versagen, auf jene Vertheidigung einzugehen, werden aber wohl noch Gelegenheit finden, darauf zurückzukommen. Der Gerichtshof erkannte in gerechter Würdigung der der Wolf zur Seite stehenden mildernden Umstände wegen Meineids auf acht Monate und wegen der Eigenthumsverbrechen auf fünf Monate und — wegen Rückfalls — zwei Wochen, zusammen also 1 Jahr 1 Monat 2 Wochen Arbeitshausstrafe. Dresden, 3. Februar. Zu der Mittheilung der Hambur ger Nachrichten, daß die Beichtordnung der dresdener Conferenz demnächst auch im Königreich Sachsen zur Ausführung kommen solle und sogar schon Las desfallfige Regulativ abgefaßt sei, be merkt Lie Sächsische Constitutionelle Zeitung, daß die Hambur ger Nachrichten wohl im Jrrthum sein dürften; denn der Ober hofprediger vr. Liebner sei bei der genannten Conferenz mit jener Beichtordnung nicht einverstanden gewesen, und je mehr er hierbei die Ansicht des Landesconsistoriums vertreten haben dürste und je mehr diese Ansicht durch die späteren Vorgänge in Baiern gerechtfertigt worden sei, umsoweniger lasse sich an nehmen, daß das Kirchenregiment irgend etwas zur Ausführung jener Bcichtordnung thun werde. Berlin, 3. Februar. (Dr. I.) Schon im September vori gen Jahres machte ich Sie auf die bedeutenden Einwirkungen aufmerksam, welche die Verwirklichung der Finanzpläne der Regierung auf die Parteistellungen in den beiden Häusern unsrer Landesvertrctung hervorbringen würde. Die Erwartungen, welche man in dieser Beziehung hegte, sind aber bei weitem übertrof fen worden. Die neuen Steuern sind von allen Seiten mit trüben Gesichtern ausgenommen worden und der allgemeine En thusiasmus für Erhöhung der Beamtengehalte ist doch sehr herabgestimmt, seitdem die Enthusiasten wissen, daß sie ihre Be geisterung auch bezahlen sollen. Das Lager der Opponenten ist aber noch größer geworden, seitdem man weiß, daß die Einnah men auch für die Verlängerung der Dienstzeit bei der Linie verwendet werden sollen. Und nun gar kommt zu der Oppo sitionsfahne ein ganz neues Häuflein: die kleine, aber mächtige Partei der ,,Kreuzzeitung", wie sie sich selber nennt. Ein An trag des Abg. Wagener, Les frühern Chef-RedacteurS^der „Neuen Preuß. Ztg." erregt allgemeines Erstaunen, da er geraden We ges die Nichtanerkennung der Bedürfnißfrage hinsichtlich der Beamtengehaltserhöhung bezweckt. Man weiß sehr wohl was cs mit dieser Opposition der genannten Partei für eine Bewandt- niß hat und daß sie auf eine rein ständische Umwandlung deS preußischen Staatswesens abgesehen ist, welche womöglich den Interessen des größern Grundbesitzes den weitesten Spielraum gewährt. Wie ich aus zuverlässiger Quelle erfahren, ist die Negierung gewillt, fest und konsequent an den von ihr einge brachten Finanzvorlagen festzuhalten, und nicht gemeint, die für dringende Staatsbedürfniffe erforderliche Steigerung der Staats einnahmen aufzugeben und den Mehrbedarf durch Lie Einschrän kung von Ausgaben zu decken, welche durch die Förderung wich tiger Zweige der national-ökonomischen Cultur in Anspruch ge nommen werden. Es ist möglich, daß die in der Finanzeom- mission aus dem Schooße der Mitglieder cingebpachttnWnträge, welche zum Theil auf anderweitige Deckung dMMWHedarfS aus Len Besteuerungen der Eisenbahnen, zum WtzM Mf Be schränkung der Gehaltserhöhungen nur für die^Csvilbeamten (also nicht für die Offiziere) gehen, hier einen Vermittelungsweg schaffen. In Ostpreußen erscheint eine neue Zeitung unter dem Titel Ha Magid d. h. der Verkündiger. Sie ist vielleicht die einzige ihrer Art, von und für Juden und in hebräischer Sprache geschrieben. Daß man sie von hinten nach vorn, von den Bör-