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Freiberger Anzeiger und Tageblatt. Erscheint jeden Wochentag stütz S Uhr. Preis vierteljährlich 15 Ngr. - Inserate werde» an den Wochentagen nur bi« Nachmittag« Z Uhr für die nächsterscheinende Nummer angenommen und die gespaltene Zeile mit 5 Pfennigen berechnet. Sonnabend, de» Neue Methode, nm vollstündigt Kartoffrierutt zu gewinnen und dabei da; ganze Saatgut der Consumtion zu erhalten. (AuS der Zeitschrift des rh. pr. landwirthsch. Vereins.) Bei der diesjährigen Ausstellung landwirthschaftlicher Pro- ducte auf der 25. Generalversammlung des landwirthschaftlichen Vereins für Rheinpreußen in Kreuznach befanden sich unter den Kartoffeln 7 Sortimente, von denen 6 durch die Ackerbau schule zu St. Nicolas und 1 durch den Direcior der Local-Ab- theilung Neuß, Herrn vr. Kemmling zu Glehn, eingesandt worden waren, welche die Aufmerksamkeit des landwirthschaftli chen Publikums durch die Art und Weise, wie sie gewonnen worden sind, verdienen dürften. Eines dieser Sortimente war aus gewöhnlichen Keller keimen, vier aus künstlich getriebenen Kartoffelaugen und drei aus faulen Knollen gewonnen worden. Das erste ent hielt nur schwache Knollen, aber reich en Knollen ansatz; das zweite aus getriebenen Kartoffelaugen enthielt neben vielen kleinen Knöllchen eine sehr befriedigende Anzahl von Kar toffeln in der Stärke eines großen Hühnereies, und, was wohl zu beachten ist, gar keine kranken Kartoffeln. Das dritte Sortiment war aus faulen Kartoffeln gewonnen und enthielt lauter starke und viele Knollen, derselben aber war krank. Bei dem zweiten Sortimente ist besonders bemerkenswerth, daß der ganze Satz, also die Mutterknollen, Ler Consumtion er halten, und daß nur die getriebenen Augen ausgebrochen und zu je drei Stück in eine Stufe gepflanzt wurden und eine ganz befriedigende Ernte gaben, ebenso reich wie die Ernte der jenigen Felder, welche mit ganzen Knollen bepflanzt worden waren. In der vorigjährigen Ausstellung bei der 24. Generalver sammlung zu Trier haue nämlich ein sehr schönes Sortiment Kartoffeln von dem Gutsbesitzer Herrn Henry Servais zu Duisburg im Kreise Bitburg die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Es war aus getriebenen Kartoffelaugen gewonnen, und die Mutterknollen sind verspeiset worden. Herr Servais versicherte, daß er, wie seine Nachbarn, seit drei Jah ren ihren ganzen Kartoffelschlag nur mit getriebenen Augen bestellt, und daß sie jedes Jahr gleich gute Ernten von völlig gesunden Knollen gemacht hätten. Wie wenig ich auch Ur sache hatte, Zweifel in die Wahrhaftigkeit dieser Versicherung zu setzen, so wagte ich es doch nicht, diese Methode zu empfeh- I. Dezember 1855. > len, bevor ich selbst den Versuch damit gemacht hätte. Ich bat also den Herrn Servais, mir zum Frühjahr ein Körb chen voll von seinen getriebenen Kartoffeln nach St. NicolaS zu schicken. Das geschah. Ich theilte dem Herrn vr. Kemm- ling in Glehn 6 Augen und 2 Knollen mit und pflanzte selbst im Garten Anfangs Mai 18 Keimaugen auS, und zwar je drei in eine Stufe. Die Mutterknollen, von welchen diese Keimaugen ausgebrochen wurden, waren zur Zett der Pflanzung weit besser und fester, als die auf die gewöhn liche Weise im Keller aufbewahrten Kartoffeln, und zum Ver speisen völlig brauchbar. Aus diesen Keimaugen ist eine be friedigende Ernte hervorgegangen, sowohl bei dem Versuche deS vr. Kemmling, als bei dem meinigen, vr. Kemmling bezeuget dies in seinem Begleitschreiben durch folgende Stelle: „ Diese Kartoffeln rühren her von 8 Kartoffelkeimen. Ob wohl der Ertrag nicht reichlich ist, so ist derselbe doch nicht spärlicher befunden worden, als der Ernteertrag von den Mut terkartoffeln, welche ich, wie Ihnen bekannt ist, gleichzeitig ne ben den Keimen auspflanzte, und auch nicht spärlicher, als der Ernteertrag meiner übrigen in der gewöhnlichen Weise im Tar ten gepflanzten Kartoffeln." Herr Servais schreibt mir, daß sein Kärtoffelschlag, den er lediglich mit getriebenen Keimen bestellt habe, ihm 1800 Scheffel Kartoffel liefere, von denen auch nicht eine von der Krankheit befallen sei, während sonst in der Gegend die Krankheit ziemlich stark aufgetreten sei, und daß er die Mut terknollen nach dem Ausbrechen der Pflanzkeime zu 25 Franken die 6 Scheffel verkauft habe. Bei der großen Theuerung, welche die Kartoffeln leider seit mehreren Jahren behaupten, ist es gewiß von großer Wichtig keit, wenn das ganze Saatgut der Consumtion erhalten werden könnte, ohne daß eine Einschränkung in der Bestellung mit Kartoffeln einzutreten brauchte. Die preußische Kartoffelpro- duction wird auf 132 Mill. Scheffel geschätzt. Rechnet man Vtg davon als Saatgut, so würde die Ersparniß 13 Mill. Scheffel oder, ä 15 Sgr. der Scheffel, 6>/, Mill. Thlr. be tragen!') ') Künftige« Frühjahr wird aber der Schfl- selbst zu 1'/, Thlr. nicht zu haben sein und also, wenn einmal nach Geld gerechnet werden soll, die Ersparniß an 20 Mill. Thlr. betragen. Aber wir fürchten sehr, daß der Werth der im Volkshaushalt möglichen Ersparnisse in dernächsten Zukunft mehr nach Metzen Kartoffeln, als nach Thalern wird ange schlagen werden.