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Freiberger Anzeiger Tageblatt. Erscheint jeden Wochentag früh 9 Uhr. Preis vierteljährlich 1S Ngr. - Inserate werden an den Wochentagen nur b!S Nachmittag» 3 Uhr - . für die nächsterscheinende Nummer angenommen und die gespaltene Zeile mit 5 Pfennigen berechnet. 253. Montag, den 28. October 1855. Arabische Höflichkeit. (Schluß.) Der Araber bedient sich nie eines Messers beim Essel, das Fleisch wird geschnitten vorgesetzt, und wo noch eine weitere. Trennung desselben vonnöthen scheint, wird es mit den scharfen Fingernägeln zerrissen. Halbflüssige Speisen werden genossen, indem man die Finger der geöffneten Hand etwa bis an die Mittelgelenk« in das Gefäß taucht und die Fingerspitzen sodann schließt, so Laß die Speise in der Höhlung, welche so die fünf Finger bilden, hängen bleibt. Man führt dann die Hand über den weit geöffneten Mund, indem man den Kopf weit zurück beugt. und läßt die Speise hinunterfallen. Die Manipulationen der Araber beim Essen haben für den Europäer etwas entschie den Abstoßendes. Der Prophet hat den Gläubigen verboten, auf ihre Spei sen zu blase». Sich beim Essen zu beobachten, ist ein harter Verstoß gegen die arabische Höflichkeit. Ein Wirth, der Be merkungen über die größere oder geringere Geschwindigkeit macht, mit der seine Gastfreunde essen, würde sich der Gefahr aussetzcn, in Verruf zu kommen. Die Araber weisen jede hierauf bezügliche Andeutung mit Energie zurück. Ein Araber, der mit einem andern einen Schöps verzehrte, sagte zu diesem: „Wenn man die Wuth sieht, mit der du diesen Schöps zer reißest, so sollte man meinen, daß er dir bei seinen Lebzeiten Hörnerstöße versetzt hätte!" Der Andere versetzte hierauf er zürnt: „Und das Zögern, mit dem du an die Verspeisung gehst, läßt vermuthen, daß die Mutter des Schöpses deine Amme gewesen sei!" Der Wirth giebt bei den Arabern stets das Beispiel zum Sitzen. Ein Gast giebt niemals den Leuten des Wirths einen Auftrag. Der Araber grüßt nicht beim Weggehen, außer wenn er im Begriffe steht, eine Reise anzutreten; sonst tritt er in eine Gesellschaft, spricht und verschwindet ohne Abschied. Kein Mu selmann kehrt um, wenn er eine Reise angetreten hat, habe er auch die wichtigsten Dinge vergessen. Wird durch dies Ver gessen seine Reise unnütz, so betrachtet er dies als himmlische Fügung. Die Sitte will, daß die Füße des Pferdes eines Abreisen- den mit Wasser besprengt werden. Diese Sitte, welche wahr scheinlich ihren Ursprung von langen Wüstenreisen hat, auf denen Wasser und Glück fast gleichbedeutend ist, wird selbst von den aufgeklärtesten Arabern streng befolgt. Abd-el-Kader hatte zur Erfüllung der Pflicht, sein Pferd zu besprengen, seine Frauen und Diener auf das Bestimmteste angewiesen. Eine, ähnliche Jdeenverbindung ist auch Grund für den Glauben, daß ein Regenguß bei der Abreise Glück bedeute, und für den oft gehörten Wunsch: „ Möge dein Sporn grün sein!" daS heißt so viel als: „Der Segen folge dir wie dem Wasser, das auch Alles grünen macht." Es würde die Geduld des Lesers in Anspruch nehmen hei ßen, wenn wir hier die tausend kleinen Erscheinungen aufzäh len wollten, die dem Araber für gute und böse Vorzeichen gel ten; sie übertreffen darin noch die Juden, die alten Römer und die Wiedertäufer. Ebenso würde es zu weit führen, wenn die unermeßliche Anzahl von süßen Formen der Danksagung, Bitte, Schmeichelei, des Verlangens und Werbens mitgethM werden sollten, mit denen dies geschmeidige, kluge Volk Dieje nigen zu umschleichen und zu umgarnen versteht, von denen es einen Vortheil oder eine Gunst zu erwerben, bei denm es zu seinem Zwecke zu kommen hofft. Hat aber dann der Araber Das von euch erlangt, was er wünscht, sieht er, daß ihr ihm ferner von keinem Nutzen sein könnt, dann — zeigt er euch seine Gleichgültigkeit in ost empörender Weise! Der Mann, der euch noch vor Kurzem mit den wärmsten Freundschaftsver sicherungen, den demüthigsten Bitten bestürmte, kann heute stolz an euch vorüberreiten und, wenn ihr ihn ansprecht, sagen: „ Vielleicht kennt dich mein Pferd, ich kenne dich nicht!" Der Wahlspruch der ganzen Nation ist charakteristisch für ihre vor keinem Mittel zurückschreckende Schlauheit: „Küsse den Hund auf das Maul, bis du von ihm hast, was-du willst! " Die Küsse, welche dem Hunde gegeben, die Lockungen, welche dem Raben mit dem Käse im Schnabel zugerufen werden, sind ste reotyp und dabei unzählig der Menge nach. Nur einige haupt sächlich charateristische seien hier gegeben: Gott lasse deinen Bauch niemals hungern! Gott decke dich zu! Gott erinnere sich deiner Eltern! Gott lasse dich wie einen eingeseiften Fisch sein! (der sich nicht fangen läßt.) Die Mutter, die dich gebo ren, bringe noch hundert deiner Art zur Welt! Gott öffne dir die Thüren! Ich bitte dich im Namen des Angesichtes GotteS l Herr, ich bin dein Hund! Herr, deine Gnade wird der Ge danke in meinem Kopfe sein! Deine Eigenliebe ist so viel' Werth, als die Tugend von Hundert! Gott zähle dich unter die Freunde des Propheten! Gott lasse dich im heiligen.