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Freiberger Anzeiger und Tageblatt. Erscheint jeden Wochentag früh 9 Uhr. Preis vierteljährlich 1- Ngr. - Inserate werden an den Wochentagen nur bis Nachmittag« Z Uhr - für die nächsterscheinende Nummer angenommen und die gespaltene Zeile mit 5 Pfennigen berechnet. 255. Donnerstag, den 1. November 1855. Tagesgeschichte. Dresden, 29. Oct. Die Leipzig-Dresdner Eisenbahncom- pagnie hat jetzt die Uebersicht ihrer Einnahmen bis mit Ende Sept. d. I. veröffentlicht. Dieselbe weist für die ersten neun Monate dieses Jahres eine Gesammtsumme von über 1,165,000 Thlr. nach. Das im Vergleich zu dem vorigen Jahre auch bei dieser Bahn sich herausstellende Plus hat im Monat Sept, wie derum einen Zuwachs von über 8000 Thlr. erhalten und be trägt nunmehr 109,711 Thlr. Berlin, 25. Oct. In Betreff des großartigen Unterneh mens zum Bau eines Kanals durch die Landenge von Suez ist von Paris aus auch an Preußen die Einladung ergangen, «inen bewährten Techniker zu den am Ende dieses Monats be vorstehenden Berathungen nach Paris abzuordnen. In Folge dieser Aufforderung ist vom Handelsminister v. d. Heydt einer der ausgezeichnetsten Wafferbaumeister des preußischen Staats, Geh. Oberbaurath Lentze, gegenwärtig Vorsitzender der königl. Comissionen für die umfassenden und schwierigen Stromgebiete und Deichbauten an der Weichsel und Nogat sowie für den Bau der Weichsel- und Nagatbrückcn in Dirschau, ausgewählt worden, um an jener Versaminlung in Paris, wozu die be rühmtesten Ingenieure Deutschlands, Frankreichs, Englands, Hollands und Italiens berufen sind, Theil zu nehmen. Das Han delsarchiv hebt in dieser Beziehung hervor, daß die getroffene Wahl keinen Zweifel lasse, daß Preußen unter den hervorragend sten Technikern Europa's in würdiger Weise werde vertreten werden. Die Versammlung zu Paris hat Hr. v- Lcsscps im Auftrage des Vicekönigs von Aegypten veranstaltet. Es sollen nämlich dieser Versammlung, die von den ägyptischen Ingenieu ren ausgearbeiteten Plane für den oben bezeichneten Kanal zur Begutachtung vorgelegt werden, um auf diese Weise eines Theils die zu wählende Richtung des Kanals nach reiflichster Erwä gung aller Schwierigkeiten endgültig festzustellen und andern Theils die technischen Hindernisse, die zu beseitigen sind, einer nochmaligen tiefeingehenden Prüfung der auf diesem Gebiete der Baukunde bedeutendsten Männer Europa's zu unterwerfen. Erst nach erfolgter Prüfung sollen die europäischen Capitalisten aufgefordert werden, die Sache ihrerseits in die Hand zu neh men. Gegenwärtig handelt es sich mithin um die wissenschaft liche Sicherstellung des Unternehmens, das als eins der groß artigsten der Neuzeit bezeichnet werden darf. Die in Paris stattfindenden Berathungen sollen, wenn es von der Versamm lung als unerläßlich befunden wird, an Ort und Stelle des be absichtigten Kanals fortgesetzt werden. Der Vicekönig von Aegypten hat erklärt, er werde jeden Weg, den die Wissenschaft für den geeignetsten zur Verbindung beider Meere östlich von dem Nil erachten würde, genehmigen, jedoch könne er keine Linie zulassen, die von der Küste des Mittelmeeres westlich von dem Nilarm von Damiette ausgehen und den Lauf des NilS durch kreuzen soll. Die Kosten de^ Unternehmens sind auf 185 Mill- Fr. veranschlagt worden. Das bedeutendste Hinderniß, welches der Verwirklichung noch entgegensteht, ist der Widerstand der englischen Regierung, deren Einfluß in Konstantinopel in Bezug auf diese Angelegenheit noch der entscheidende zu sein, scheint. Im englischen Cabinet soll die Ansicht vertreten sein, daß durch die Herstellung des geraden und unmittelbaren Wegs nach In dien Englands Handelsherrschaft gebrochen werden würde und England sich durch wirkliche Beförderung des Unternehmens das Schicksal Venedigs selbst bereite. Diesen Widerstand Eng lands zu brechen, ist bis jetzt in Konstantinopel noch nicht ge lungen, so daß die Genehmigung des Großsultans noch fehlt. Durch , die gegenwärtig veranlaßte genauere Beleuchtung des Unternehmens im Angesicht Europa's hofft man Englands Vor- uriheil zu beseitigen und Len Hauptvorthekl, welcher sich gerade England durch die Ausführung des besagten Kanals darbiete« würde, klarer und unzweifelhafter hervortreten zu lassen. Dir Ergebnisse der bisherigen Untersuchung sprechen entschieden für die gerade Grabung des Kanals durch die Landenge von einrur Meer zum andern. Dem Pesther Lloyd wird aus Wien vom 22. Oct. geschrie ben: „Hr. de Bourqueney wird am 26. Oct. hier eintreffen, und erwartet man die Ankunft dieses Gesandten mit großer Spannung, weil man weiß, daß er wichtige Aufträge von Sei ten seines Souveräns mit sich bringt. Es fand nämlich in de« letzten Wochen ein diplomatischer Meinungsaustausch zwischen dem Wiener und dem Pariser Hofe statt, wobei es sich um die Interpretation der neuen an Rußland zu stellenden Forderun gen gehandelt hat, die von den alliirten Mächten als legale Consequenzen der von ihnen zu erreichenden Kriegsresultate an gesehen werden. Wie es scheint, ist es bis jetzt nicht gelungen, in dieser Beziehung eine Vereinbarung zwischen den December- verbündeten zu Stande zu bringen, und zwar aus folgenden Ur sachen: Die Westmächte haben nämlich die Absicht, die ganz*