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rasche Entschiedenheit und der Nachdruck des rechtzeitigen Han- M deins. In verblendetem Zaudern versäumten sie, den deutschen Kaiser und mit ihm die katholische Partei in einer Zeit anzu- greifen, wo diese noch wenig vorbereitet waren, und warteten in thörichter Unentschlossenheit, bis der Kaiser Zeit und Mittel gewonnen hatte, die Evangelischen mit Krieg zu überziehen und sie mit Gewalt zu unterdrücken. In der eignen Partei Ler Protestanten fand der Kaiser einen Mann, der die Sache des schmalkaldischen Bundes an ihre Feinde verrieth. Der junge Herzog Moritz von Sachsen, der Sohn eines biedern Protestan ten, war es, der dem Kaiser seine Hilfe anbot, seine eignen Glaubensgenossen, seine eignen Verwandten unterdrücken zu helfen. Zum Erstaunen der Welt hatte dieser Fürst, 7 «in Genosse des schmalkaldischen Bundes, sich mit dem katholischen Kaiser vereinigt, um die Bekenner seines Glaubens dem Kaiser gebunden zu überliefern. Bei Mühlberg war es, wo der biedre Churfürst Johann Friedrich von den Truppen 7 seines eignen Vetters und denen des Kaisers gefangen genom- * men wurde. Der unglückliche Fürst wurde 5 Jahre ge fangen gesetzt, seiner Länder und Würden beraubt, und der Herzog Moritz bekam die Churwürde und das Län dergebiet seines durch ihn mit entthronten Vetters. Auch das andre Oberhaupt des also zersprengten schmalkaldischen Bundes, , Philipp von Hessen, überlieferte sich freiwillig dem Kaiser auf -Gnade und Ungnade. Auch ihn traf das harte Loos einer fünfjährigen Gefangenschaft. Jetzt war der erzürnte Kaiser Karl V. auf einmal unumschränkter Herr in Deutschland, und er schickte sich an, die Evangelischen zu züchtigen. Ein neues Religionsgebot, hart und parteiisch in hohem Grade, kam zum O Vorschein. Alle Freiheiten, welche den Protestanten bereits zu- ' gestanden waren, wurden ihnen wieder genommen; Lehre, Kir- --chengebräuche und Kirchenverfassung sollten die Lutheraner völlig ^aufden alten Fuß stellen. Wenn nicht Rettung kam, so wur den die Protestanten von der Gewalt des Siegers unterdrückt -t»ind gezwungen, sich unter die Hierarchie der katholischen Kirche 7 und ihrer Satzungen zurückzubegeben. Die Hilfe kam von eben der Seite, von welcher erst das fllnglück gekommen war. Der Fürst Moritz war des vergebli- schen Bittens für Freilassung seines gefangenen Schwiegervaters, ,des Landgrafen von Hessen, überdrüssig, auch fühlte er sich ge kränkt, daß er in den Augen der Protestanten als Verräther -ihrer heiligen Sache galt. Da faßte er den Entschluß, durch einen kühnen Handstreich den übermüthigen Kaiser A zu demüthigen, seinen Schwiegervater zu befreien und die Pro- Ttestanten zu retten. Er brach mit einem wohlgerüsteten zahl- "reichen Kriegsheere plötzlich gegen Tyrol auf und hätte beinahe - den Kaiser gefangen genommen, hätte sich dieser nicht zu rechter - Zeit geflüchtet. Der Kaiser wurde so total besiegt, daß er sich ^u dem Vertrage von Passau (1552) verstehen mußte, durch »welchen sich der Kaiser anheischig machte, die beiden gefangenen -Fürsten freizugeben, binnen einem Jahre einen allgemeinen r Reichstag zu halten, wo der Religionszwiespalt zur Verglei- l.chung gebracht werden solle. Bis dahin und wenn ein Ver- Agleich nicht zu Stande käme, solle Jeder „bei seiner Religion L und Glauben ruhiglich und friedlich bleiben." U Für die Freiheit des Protestantismus und die Ausbreitung Ler Reformation in Deutschland würde vielmehr erreicht wor den sein, wenn man den Reichstag sofort zusammenberufen, _ und die Protestanten im Gefühl ihres Sieges die ihnen gebüh renden Rechte mit Nachdruck gefordert hätten. Ehe der zuge- sagte Reichstag 1555 zu Stande kam, war leider daS fiegrÄche Haupt der Evangelischen vom Schauplätze des Irdischen abge treten, seine Siege traten in den Hintergrund, und die katho lische Partei hatte wieder frischen Muth gefaßt. Der Reichstag wurde bis zum 3. April 1554 nach Augs burg verschoben. Zum Jahresschlüsse, den 29. Decbr., kam endlich der Bruder des deutschen Kaisers, König Ferdinand, in Augsburg an. — Der Kaiser Karl V. war wegen Kränklich keit und zunehmender Geistesschwäche abgehalten, auf dem Reichstage zu erscheinen — allein die Stände des Reichs waren erst in sehr ungenügender Anzahl da. Durch Schreiben und Boten vermahnte nun König Ferdinand die Säumigen zum baldigsten Erscheinen. Allmällg erschienen so Viele, daß der Reichstag am 5. Febr. eröffnet und daß di« Verhandlungen am 7. März beginnen konnten. So wurde denn in Augsburg 1555 ein Religionsfriche gestiftet, nach welchem die Annehmung der beiden Religionen, der katholischen oder lutherischen, allen Ständen und Unterthanen des Reichs freigesMt ward. Die Meinung war die, daß fortan in Deutschland nur die Wahl zwischen Katho- licismus oder Lutherthum sein soll«. Sonach wurden die Re» formirten von der Wohlthat des Religionsfriedens ausgeschlos sen, und es wurde nicht Religionsfreiheit in Deutschland ge schaffen ; die Ketten der Knechtschaft wurden nur erweitert, nicht gebrochen. Ein Religionsfriede im eigentlichen Sinnedes Worts kam nicht zu Stande. Beide Theile, welche in Augsburg Uriede schlossen, waren nicht zwei verschiedene Parteien, die sich einan der nähern und sich wegen ihrer Glaubensverschiedenheit abfin den wollten. Sie waren vielmehr besondre deutsche Reichs theile, welche wegen der Verschiedenheit ihrer Religion in Krieg gerathen und nun entschlossen waren, sich in Ruhe zu vertragen, wobei jeder bei seinem Glauben bleiben wollte. König Ferdinand eröffnete die Reichsverhandlungen sogleich mit der Religionsfrage und bemerkte, daß er von einem Reli» gionsgespräche nicht viel Ersprießliches erwarte, woran er sehr recht hatte; denn die Meinungen würden doch verschieden blei ben; die Hauptsache sei, Frieden und Ruhe im deutschen Reiche zu erhalten. Die katholischen und evangelischen Stände geneh migten diesen weisen Vorschlag, mit dem man weiter kam, als mit kleinlichem rechthaberischen Gezanke der Theologen. Es wurde nun von einem dazu erwählten Ausschüsse ein Entwurf zu einem Vergleiche zwischen den beiden Parteien ausgearbeltet. Das Gutachten der katholischen Stände wich von dem der evan gelischen nicht sehr viel ab, und es war Hoffnung, bald einig zu werden. Da trat der kaiserliche Commissar Cardinakbischof Otto von Augsburg mit einer Protefiation gegen diesen Entwurf auf und hinderte das Zustandekommen des Friedensschlusses. Es war daher ein Glück für das Friedenswerk, daß der Car dinal Otto im April desselhen Kahres nach Rom zur Wahl ei nes neuen Papstes reifete. Nach der Abreise desselben wurden