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Freiberger Anzeiger und Tageblatt. Erscheint jeden Wochentag früh 9 Uhr. Preis vierteljährlich IS Ngr. — Inserate werden an den Wochentagen nur bis Nachmittag« 3IUHr für die nächstcrscheinende Nummer angenommen und die gespaltene Zeile mit L Pfennigen berechnet. 157. Dienstag, den LS. Juli 185L / Tagesgeschichte. Dresden, 4. Juli. Am 30. Juni besuchte Se. Majestät der^König die Stadt Pirna. Sein Besuch galt zunächst der daMn Waisenversorgungsanstalt, wo er um 11 Uhr ganz, un- vermuthet eintraf und vom ersten Lehrer der Anstalt sich alle Räumlichkeiten zeigen und die übrigen Angestellten vorstellen ließ. Nachdem die Waisen noch das Lied „Den König segne Gott" gesungen, das der König mit sichtlicher Theilnahme an hörte, besuchte er das neugcgründete Äannerhospital, wohnte dann, in die Waisenversorgungsanstalt zurückgekehrt, noch in den beiden Classen der Schule einer religiösen Unterredung bei, worauf er um 1 Uhr die Anstalt verließ. Vom Waiscnhause begab er sich noch in die städtische Hauptkirche und verließ dann wieder die Stadt. Leipzig, 7. Juli. Die verschiedenen Angriffe, welche im letzten Frühling auf das fernere Bestehen der hiesigen Commu- nalgarde gemacht wurden, sind für dieses Jahr ohne Erfolg geblieben, und dieselbe hat in den eben vergangenen Wochen ihre regelmäßigen Hebungen auf dem nach Gohlis zu gelege nen Exercirplatze gehalten. Die gestern stattgefundene letzte diesjährige Uebung gab dem Commandanten Neumeister beim Rückmärsche Veranlassung, an die in einem Quarre um ihn aufgestellte Garde eine kurze Anrede zu richten, in der er dem Geiste der Ordnung, der sich aufs Neue in ihren Reihen be währt habe, das gebührende Lob spendete, zur fernern Ausdauer darin ermahnte und mit einem dreifachen Hoch auf Se. Maj. den regierenden König schloß. Chemnitz, 3. Juli. Gestern hat sich bei den Eisenbahn arbeitern am Sonnenberge der traurige Fall zugetragen, daß ein Mann, der am Morgen die Arbeit begonnen hatte, vor Entkräftung umgefallen und nach Verlauf von zwei Stunden gestorben ist. Ein anderer wurde in das Krankenhaus geschafft. Paris, 4. Juli. Während die Thronrede an allen Stra- ßeuecken angeschlagen ist, bringt der Moniteur unter dem Striche, welcher die officielle Welt von der nichtofficiellen scheidet, einen Commentar dazu, welcher, indem darin noch einmal der letzten Ver handlungen recapitulirt wird, deutlich ausspricht, daß Frankreich nur auf die brittische Allianz zählen könne, und daß Frankreich, Arm in Arm mit England, dreist das Jahrhundert in die Schran ken fordern dürfe. Der Moniteur sagt gleichsam: die österrei chischen Vorschläge, welche uns ungefähr hätten genügen kön nen, die allerletzten nämlich, waren nicht als Ultimatum gesagt und waren auch von Nußland keinesfalls acceptirt mord«, und diejenigen, welche als Ultimatum aufgestellt wurden, koemSn uns keineswegs genügen. Uebrigens enthält dieser officielle Ar tikel der „nichtofficiellen Partei" nicht den Schatten einer Dro hung gegen Oesterreich, und auch die Ausrüstung polnischer Legionen geschieht in zu kleinem Maßstabe, als daß män der selben schon eine hohe politische Bedeutung beimeffen könnte Daß die polnischen Flüchtlingssactionen sich regen, sich he»a«- schmeicheln möchten, wichtige Gesichter schneiden und maskrte Demonstratiönchen versuchen, das versteht sich ganz von selbst, das kennt man schon'. — Einen fernern Commentar zur Thron rede liefern die Nachrichten über die vorzunehmenden Finanj- maßregeln. Die Anleihe soll 750 Millionen betragen und un gefähr sowie die vorige abgeschlossen werden; jedenfalls tvird sie durch öffentliche Subscriptionen aufgebracht fverden. Somit hätte man die dritte Kriegsanleihe, welche dreimal die Summe der ersten und anderthalbmal die Summe der zweiten betragen wird, in Summa 1*/, Milliarden neuer Schulden, deren Zin sen zu bezahlen etwa 70 Millionen erforderlich sind. Düse sollen durch drei neue Steuererhöhungen aufgetrieben werden, von denen zwei wenigstens nicht sehr drückend sind. Die eine ist die Erhöhung der Alkoholbesteuerung, welche kurz nach der Jull- revolution auf 34 Fr. per einfache Steuerquote herabgesetzt worden war, auf den alten Satz von 50 Fr. Die zweite Be- steuerungsmaßregel soll ein Gesetz von 1838 aufheben, wonach die Eisenbahncompagnien für zwei Dritttheile ihres Betrücks von dem alten Staatsregal des Zehnten, das auf allen öffent lichen Verkehrsanstalten lastet, eximirt worden waren, und auch die sogenannten Passagiergüter sollen künftig gleich den übri gen Waareniransporten in dieser Weise besteuert werden. Die dritte Maßregel und die bedenklichste von allen soll den indi- recten Taxen ein zweites Zehntel (von 10 Centimen) hinzu fü gen. Freilich hat das englische Gouvernement dem Volke schon weit schwerere Kriegslasten aufgebürdet; aber es hat dafür auch die Zukunft schuldenfreier gelassen. Der Constituti'onnel, hier mit noch nicht zufrieden, schlägt auch noch die Erhöhung der Salzsteuer auf den alten Fuß vor. Die Alkoholsteuer wtro vielleicht in dem weinarmen Jahre 1855 viel e/nbringen -uns keinenfalls so unpopulär werden alS die Erhöhung der motrtt- ten Steuern, welche an eine bedenkliche Maßregel des Wahres 1848 (die 45 Centimen Ledru-Rollin'SY "innern durfte. »m wenigsten wird sich das Volk, am meisten die Börse von der Eisenbahnsteuer ergriffen fühlen. A. H.)