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Freiberger Anzeiger Tageblatt. 1855 Montag, den » Juli 156 Erscheint jeden Wochentag ftüh S Uhr. Preis vierteljährlich 15 Ngr. — Inserate werden an den Wochentagen nur bis Nachmittags S^UHr für die nächsterscheinende Nummer angenommen und die gespaltene Zeile mit 5 Pfennigen berechnet. es in der Regel geschieht, mit deutschen Augen betrachten. Der Inhalt ist übrigens in Kürze folgender:. 1) Die Herstellung der Bourbonen: 2) Der Wiener Congreß. 3) Die Reactionen von 1615 — 1820: a) vorbereitende geistige Bewegungen; b) Oesterreich. Wir empfehlen die Lektüre des Werkes, daS auf 6 -8 Bände berechnet ist, Jedem, für den der Ernst und die Lehren der Geschichte einen geistigen Genuß bilden, da eS nicht blos im Dienste der politischen Bedürfnisse der Gegenwart und des Vaterlandes geschrieben ist, sondern vor Allem tat Dienste der geschichtlichen Wissenschaft, deren erstes und letzte- Gebot es ist, „nach bestem Wissen und Gewissen die reine, die strenge und volle Wahrheit zu sagen." Dresden, 6. Juli. Die Erste Kammer hat heute die nachträglich auf das außerordentliche Budget gebrachten Zinse« für das Baucapital der Chemnitz-Zwickauer und der ZwickcM- ' Schwarzenberger Staatseisenbahn auf die drei Baujahre be» willigt und sodann einen Gesetzentwurf, die Anlegung und Be nutzung elektromagnetischer Telegraphen betreffend, dessen Zweck die Verhütung des Mißbrauches bei Benutzung der Telegraphen ist, angenommen. — Die Zweite Kammer hat gestern in einer Abendsitzung einen Gesetzentwurf über di« Aufbringung des Äe- darfs für Kirchen und Schulen erledigt und mit einigen Modi fikationen angenommen, welcher den Gemeinden eine größere Frei heit bei der Aufbringung ihrer Parochiallasten zu gewähren, einige Härten auszugleichen, entstandene Zweifel über die Aus legung zu heben und einige früher bestandene persönliche Be freiungen wiederherzustellen bestimmt ist. Heute war die Zweite Kammer zu einer geheimen Sitzung zusammengetreten. - Die durch den Brückeneinsturz bei Löbau gestörte GlelS- verbindung auf der Eisenbahn zwischen Löbau und Görlitz ist wieder hergestellt. Infolge dessen treten vom 9. d. M.an so wohl für den Güterverkehr, wie für die Viehtransporte die frü- hern geringern Tarifsätze, wie sie bis zum Schluffe des vorige« Jahres bestanden, wieder in Kraft. . Chemnitz. Die Eisenbahnbauten haben auf der Strecke von Chemnitz bis Schönau (etwa 1 Stunde WegS- bereits am 25. Juni begonnen, ausgenommen bei dem Schachte Sk. 2, bezüglich dessen der Abschluß erst jetzt geschehen ist. Da kn je dem Schachte anfänglich verschiedene Schwierigkeiten zu beseiti gen find, ehe der Bau in größerm Umfange angegriffen werden kann, so wird die Zahl der Arbeiter, die jetzt arbeiten, wenig über 200 steigen. Indessen find die Schwierigkeiten, dazu die Tagesgeschichte. Freiberg, d. 26. Juni. Das 19. Jahrhundert ist au ßerordentlich reich an politischen Ereignissen, an mehr oder min der hervorragenden Persönlichkeiten, an Umgestaltungen in dem öffentlichen Leben der Staaten und an tief und weit greifenden Einflüssen der Wissenschaften auf die praktischen Verhältnisse der Völker. Und es ist nicht minder schwer für den Forschen den und Schreibenden, ein treues und vollständiges Bild von all' diesen Erscheinungen zu entwerfen, als für den Lernenden, den ächte Wißbegierde beseelt, ein solches in sich aufzunehmen und festzuhalten. Bringt man damit in Verbindung, daß zu keiner Zeil die Parteileidenschaften rühriger gewesen sind in dem Bestreben, die geschichtlichen Thatsachen' und Zustände in ihrem Lichte durch Schrift und Wort erscheinen zu lassen, so wird man um so mehr begreifen, wie schwer es in unseren Ta gen sei, die geschichtliche Wahrheit zu gewinnen, abgesehen da von, daß viele historische Urkunden und Quellen noch unter Schloß und Riegel gehalten werden aus Rücksichten, denen sich civilisirte Nationen und Zeiten nun einmal nicht entschlagen können und dürfen. Allein trotz aller dieser Schwierigkeiten feiert die Geschichtswissenschaft nicht: es liegt in ihrem Wesen, in ihrem Berufe, unausgesetzt und unermüdlich^ zu forschen, aufzuklären und der Wahrheit nachzujagen. Ein Geschichts werk, welches aus diesem Triebe hervorgegangen ist, liegt vor uns unter dem Titel „Geschichte des 19. Jahrhunderts seit den Wiener Verträgen (1815). Von G. G. Ger- vinus. 1.Bd. Leipzig 1855. S. 518.8. Für die Kenner oder Besitzer des großen Geschichtswerks von Schlosser möge gleich die Bemer kung hier Platz greifen, daß da, wo Schlosser abbricht, sein Schüler Gervinus den Faden der Geschichtserzählung aufnimmt. Der Schüler ist aber seines berühmten Meisters nicht nur wür dig, sondern er übertrifft ihn noch insofern, als er in seinen Urtheilen gemäßigter und in der Verarbeitung des Geschichtlichen sorgfältiger und sprachlich eleganter ist. Ueberall spricht sich ein tiefer, mitunter bitterer Ernst aus, sowie das Bestreben der Wahrheit die Ehre zu geben und den Leser über Thatsachen und Persönlichkeiten möglichst aufzuklären. Zugleich darf des Verfassers Werk das Verdienst in Anspruch nehmen, daß es uns Deutsche immermehr von französischen Urtheilen über die Ereignisse und Zustände im 19. Jahrhunderte unabhängig zu machen bemüht ist: wir müssen die deutschen Dinge mehr, als