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sich daher der Soldat in den Kampf, ficht mit Löwenmuth, und wo es irgend angehk, schneidet er den erschlagenen Feinden die Köpfe ab; denn mag Omer Pascha dies immerhin in seinen Tagesbefehlen verbieten, der Prophet hat es geboten in seiner 47. Sure (Abschnitt aus dem Koran): „Wenn ihr mit den Ungläubigen zusammentreffet, so schlaget ihnen die Köpfe ab, bis ihr eine große Niederlage unter ihnen angerichtet habt." Im gegenwärtigen Kriege wird diese Grausamkeit zwar haupt sächlich nur von den Baschi-Bosuks (auf Deutsch: verdorbnes oder zerrüttetes Haupt) geübt, aber auch die Landwehr, die Radifs, verschmähen dieselbe in ihrem Kriegseifer nicht. Wie barbarisch dieses Thun auch ist, so muß man dem Türken das selbe doch nicht zu schwer anrechnen; ihm erscheint es grausa mer, den Menschen zu tödten, als ihm den Kopf abzuschneiden, da letzteres sa nur eine Folge des ersteren ist, und seine Feinde find ihm doppelte Feinde, da sie nicht nur Ungläubige, sondern auch Räuber an seinem Vaterlande sind. So trefflich also der gemeine Soldat ist^ so unfähig und untüchtig zeigt sich in den allermeisten Fällen der Officier. Beginnen wir nun mit der Bildungsstufe der höchsten Offi- eiere. Als in Kalefat einem türkischen Brigadier gesagt wurde, man könne durch die Fortschritte der Kunst jetzt an dem einen Ende Europa's in so und so viel Minuten wissen, was an dem anderen Ende geschehen oder gesprochen sei, man nenne diese künstlichen Beförderungsmittel Telegraphen :c., — da schüttelte der General das gläubige Haupt und brach endlich in ein lautes Gelächter aus, weil er meinte, man wolle ihm einen Bären aufbinden, und keinerlei Versicherungen waren im Stande, ihn vom Gegentheile zu überzeugen. Er wollte von solchen Albernheiten nichts wissen, und als man ihm eine Karte zeigte und deutlich zu machen suchte, da und dort stehe der Feind, wußte sich der General in diesem Gekritzel von Linien, Punkten und Buchstaben nicht zurecht zu finden und schob, ganz confus gemacht, die Karte von sich. Dergleichen Aeußerungen der Ig noranz oder der Unfähigkeit von Seiten der Commandirenden geben natürlich den europäischen Officieren, welche ihnen unter geordnet find, immer einen Stich in's Herz. Man glaube über haupt nicht, daß die hier größteutheils in Verbannung von ihrem Vaterlande lebenden Officiere gern in diesem Dienste stehen; er ist ihnen vielleicht herber, als sie es selbst eingestehen wollen, und wenn sie nicht mindestens schon den Rang eines - Cvlassi (Vicemajor, monatlich 600 Piaster) erreicht haben, ist der Dienst ihnen auch nicht einmal pecuniär dankbar. Eine hervorragende Eigenschaft der Türken ist ihr Geiz, den.sie in's Schmuzige treiben und der natürlich auch aus dem Wesen der Officiere hcrvorsticht. Man erzählte mir, baß ich eS immerhin wagen könne, einem türkischen Officier einen Backschr'sch (Trinkgeld) zu bieten; mit meinen Begriffen von militärischem Ehrgefühl sträubte ich mich anfangs gegen diesen Gedanken, war aber doch bereit, auf eine Probe einzugehen. Man verschaffte mir Gelegenheit, einen türkischen Hauptmann um eine kleine Gefälligkeit zu bitten; dieser war mir mit der größten Bereitwilligkeit zu Dienst. Als er zurückkehrte, zog ich meine Geldbörse hervor, und mit einem gewissen Schamge fühl reichte ich ihm einen Baschlik (fünf Piaster), den er mit großem Dank annahm und in seinen Gürtel steckte. Hätte ich einer unwillkürlichen Neigung folgen dürfen, sagt unser Rei sender weiter, ich würde diesem Patron im Namen der ganzen türkischen Armee eine Ohrfeige gegeben haben. Eine klägliche Rolle spielen die Türken, Militär und Ci- vil, wenn sie vor ihren Vorgesetzten erscheinen; die Hände auf den Bauch legend, machen sie ein so miserables Gesicht, als hätten sie die Kolik im Leibe, schauen zagend zu dem Obern auf und empfangen seine Befehle mit dem bekannten türkischen Gruße. Ich habe Gelegenheit gehabt, bei einem höheren Offi cier das Eintreten mehrerer Lieutenants zu beobachten; wahr scheinlich die Anwesenheit eines Fremden berücksichtigend, gab der erstere ihnen einen Wink, sich auf den Divan niederzulas sen; mit einem Armensündergesicht, die Hände auf den Bauch legend, knieten sie auf die Ecke des Divans; anstatt dreist die Beine unter sich zu schlagen, zeigten sie auf ihre schmuzigen, halbzerrissenen Stiefel, die ihnen nicht erlaubten, die türkische Bequemlichkeit zu genießen, und verblieben in dieser Stellung, bis sie die Erlaubniß erhielten, sich wieder zu entfernen. Auch der Muschir, Omer Pascha, weiß nur zu gut, wie ein großer Theil seiner unteren Officiere beschaffen ist und thut alles Mög liche, um sie von einer Einmischung in die Kreise der europäi schen Officiere zurückznhalten, wie dies ein Tagesbefehl Omer Pascha's bewies, in welchem den national-türkischen Officieren bis zum Major hinauf untersagt wurde, Lie von einem Ungarn gehaltene Locanda (Schänke) in Schumla, Len Versammlungs ort der europäischen Officiere, zu besuchen, wahrscheinlich um diesen gegenüber durch ihre Unbildung nicht abzustechen. . Wie kann das auch anders sein? Sind Bildung und Ehrgefühl von heute bis morgen La einzuimpfen, wo man bisher von die sen fremdartigen Wesen keinen Begriff hatte? Heute steht der Hauptmann, sogar der Major zu seinem Obersten in einem Lakaienverhältniß, vor acht Jahren aber bekam der Haupt mann, der Major sogar noch Stockprügel! Ebenso überraschend ist der Einblick in eine Canzlci eines Paschaliks. Ich sah, so erzählt Wachenhusen, zu meinem Er staunen die ganze Registratur in Säcken auf der Erde stehen; ein nothwendiges Aktenstück herauszufinden, war die Arbeit einer guten Stunde. Die Sekretaire sah ich auf den Teppichen hocken, das Tintenfaß im Schoose, das Papier in der Hand — so wurden die Regierungsrescripte aus bloser Faust angefertigt. Und die türkischen Spitäler? Zu Hunderten lagen in einem großen Schuppen die armen Soldaten im kläglichsten Zustande, ohne alle Erwärmungsmittel, nur mit leichten Decken bekleidet; der Arzt, ein junger Mann von einigen zwanzig Jahren, tritt ein, er geht zu den Kranken, läßt sich auf ein gewisses Kom mando hin die Zungen ausstrecken, wirft einen flüchtigen, halb verächtlichen Blick auf dieselben, faßt einige der Kranken in's Auge, die schon den sichern Stempel des Todes auf dem Antlitz tragen und kaum noch dieser Welt angehören, bezeichnet diese Armen dem Spitaldiener, sagt demselben: Dieser oder Jener da wird heute sterben; darauf geht er seines Weges. Ob nun die Diener wirklich das Gestorbensein dieser beklagenswerthen Opfer der Medizin abwartcn oder ob sie dieselben vom Spital nach dem Friedhof schaffen, wenn sie hartnäckig genug an die sem armseligen Leben hängen — das will ich ungesagt lassen. So wahr diese meine Worte sind, sagt unser Reisender, ebenso