Volltext Seite (XML)
Freiberger Anzeiger und Tagetlatt. Erscheint jede« Wochentag früh 9 Uhr. Preis vierteljährlich 1S Rgr. — Inserate werden an den Wochentagen nur bis Nachmittags 3 Uhr für die nächfierscheinende Nummer angenommen und die gespaltene Zeile mit S Pfennigen berechnet. L^^91» Sonnabend, den 21. April 1855. Die Ostsee und ihre Küsten. Die neuesten Zeitungen haben bereits die Nachricht gebracht, daß England abermals eine gewaltige Flotte, gewaltiger denn je, versammelt hat und ein Theil derselben bereits in die Ostsee eingefahren ist. Mit Aufmerksamkeit verfolgen wir nun ihren Lauf; denn die Ostsee und ihre Küstenländer scheinen der Schauplatz neuer Kämpfe werden zu sollen. Unseren Lesern dürften darum folgende Mittheilungen über jene Gegenden nicht unwillkommen sein. Die Ostsee bespült die Küsten von Rußland, Dänemark, Schweden, Lübeck, Meklenburg und Preußen und hängt durch den Sund und die beiden Belte, alle drei sind enge Wasser straßen, mit der Nordsee zusammen. Die Ostsee ist durch die Flachheit der schwedischen und preußischen Küsten und durch den oft von Stürmen begleiteten Wechsel der Winde sehr ge fahrvoll, jedoch sind dessen Wogen weniger furchtbar als jene der Nordsee. Das Wasser enthält fünf Mal weniger Salz theile , als das dls atlantischen Meeres. Das Eis hindert jährlich drei bis vier, bisweilen auch fünf Monate hindurch die Schifffahrt. Ebbe und Fluth sind, wie in allen so enge ver schlossenen Binnenmeeren, wenig bemerkbar. Es ergießen sich Wenigstens 260 Flüsse in die Ostsee, darunter: Weichsel, Oder, Aiwa. Unter den Inseln der Ostsee sind die bedeutendsten: See land, Fönen, Bornholm, Samsöe, Moen, Langoland und Caa- land, die zu Dänemark gehören; die schwedischen Inseln Goth land, Oeland; die zu Rußland gehörenden Alandsinseln und Dagö nebst Oesel an der livländischen Küste, endlich die preu ßische Insel Rügen. Die nichtigsten Handelshäfen an der Ostsee sind: in Dänemark Kopenhagen, Flensburg, Schleswig und Kiel; in Deutschland Travemünde (Lübeck,) Wismar, Ro- stok, Stralsund, Stettin, Swinemünde und einige pommersche Häfen; in Preußen Danzig und Weichselmünde, Elbing, Königs berg mit Pillau und Memel; in Rußland Riga, Reval, Nerva, Kronstadt (Petersburg) und Helsingfors-Sweaborg, und endlich in Schweden Stockholm, Karlskrone und Ustad. Die Ostsee theilt sich in drei große Becken und greift mit diesen drei langen Armen tief in die nordischen Ländermaffen hinein, mit einem, dem bottnischen Meerbusen, in den skandi navischen Norden, mit einem anderen Zweig, dessen Spitze die alte Hansestadt Riga besetzte, dem Golf von Riga, in die deut schen Ostseeprovinzen, und mit dem dritten, dem finnischen Meer busen, zu ^dem Rußland zuerst zum Meere durchbrach. Die äußersten Ausläufer von Finnland und Esthland bilden die Eingänge zu diesem Golf, und Reval auf der einen, Abo auf der andern Seite die beiden Thorwächter. In der Mitte erweitert er sich zu einem breiten Becken, verengt sich dann and fällt endlich in dem kleineren engen Kronstädter Meerbusen zu sammen. Dieser kleine Meerbusen ist eigentlich nur eine Er weiterung der Newamündung oder vielmehr das kleine Ueber- gangsbecken von dem Newadelta zu dem offenen Meere. Die Newa hat seit Jahrhunderten Schlamm und Schutt da hinein- qeschwemmt und an der Erhöhung des GrundeS und Bodens, sowie an dem Baue von Sandbrücken und kleinen Inseln ge arbeitet. Die Bucht ist daher sehr seicht, durchschnittlich kaum 12 Fuß tief, und ist nur für Fahrzeuge, welche nicht mehr als 8 bis 9 Fuß Wasser halten, an einigen wenigen Stellen schiff bar. Dort, wo das eigentliche Meer beginnt, das Ende dieser kleinen Bucht bezeichnend, erheben sich allmählich die Küsten der „Kesselinsel" über dem Niveau des Meeres. Diese Insel verwechselte ihren russischen Namen Kotlinoi-Ostrow gegen ihren früheren finnischen „Retusari" (Ratteninsel,) als im Jahre 1703 die Schweden durch die bewaffneten Abgesandten Peter des Großen vertrieben wurden und nichts auf der Insel zurückließen, als einen großen „Kessel", nach welchem die Insel sofort getauft wurde. Schon Peter der Große erkannte die Wichtigkeit dieses Punktes und begann mit der Befestigung desselben. Alle Mün dungsarme der Newa zu befestigen, hätte unsägliche Summen gekostet, denn die Inseln, welche dazwischen liegen, sind gegen die See hin niedrig und sumpfig und verlieren sich nach und nach unter dem Meeresspiegel, so daß die Errichtung von Festungswerken an diesen Stellen wohl nur mit den unverhält- nißmäßigsten Opfern wäre zu ermöglichen gewesen. Dagegen legt sich die Keffelinsel mit einer Länge von etwa 9 Wersten von dem Kronstädter Meerbusen gerade in die Mitte der Wasser breite, ungefähr gleichweit von der nördlichen wie von der süd lichen Küste. Somit blieben nur zwei Arme zu befestigen. Der eine dieser Arme, der nördliche, ist theilweise bereits von der Natur für den Feind unpraktikabel gemacht, er ist wegen der vielen Riffs und der Sandbänke sehr schwer fahrbar. Durch künstliche Versenkung von Felsgestein und mit Ballast beschwerten Schiffswracks wurde er endlich ganz unzugänglich gemacht. Dagegen hat der südliche Arm, obschon seine Breite beiläufig