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Freiberger Anzeiger kau- I UNd I Tagevlatt. di-sich I , ,. r Ana- I -suchen I Ersckeint jeden W-Lent-z ftüh 9 Uhr. Preis vierteljährlich 1S Ngr. — Inserate werden an den Wochentage« nur bi« Nachmittag« S Uhr gungtn I für die nächsterscheinende Nummer angenommen und die gespaltene Zeile mit 5 Pfennigm^berechnet. gebil- I - - ' , - .——^7- I 57, Sonnabend, den 10. März 1855. hat Li gnit« hren in f durch Mädchen nde Ei- d und mpfang ert in ins zu d I-, «nd. ! 7 Uhr Fran- rch v. Kuchen, rth. Erbse». Ä aiegrie«. I Die Armuth sfrage. Wenn man unsere Zeit mit.unbefangenem Auge betrachtet, und aus den Erscheinungen, die vor uns hintxeten, den tiefer liegenden Grund sucht, so kann es keinem denkenden Beobachter entgehen, daß unsere Zeit an Krankheiten leidet, die ebenso ver derblich in ihren Wirkungen, als riesig in den Fortschritten sind, die sie nehmen, wenn Niemand da ist, der ihrer wehrt. Alle diese Krankheiten, an welchen die heutige Gesellschaft leidet, sind aber mehr oder weniger Ausfluß des einen Mangels, der mit der Zeit immer fühlbarer wird und der in den Herzen und Ge- müthern der Menschen seinen Grund hat. Es ist eine traurige Sache auf solche Schäden hinzuweisen, und der das thut, ver dient sich in den meisten Fällen nicht nur keinen Dank, sonder« viel häufiger Vorwürfe und Angriffe, und das um so mehr in unserer Zeit, die nur zu ost veranlaßt wird, sich selbst zu ver göttern und über den unbestreitbaren Vorzügen, welche sie auf der einen Seite sich erworben, nur zu oft und zu leicht ihre Schattenstcllen zu vergessen. Doch auf die Gefahr hin, ver schiedene Namen, die man für solches Beginnen sogleich bereit hat, zuerthcilt zu bekommen, wollen wir doch in diesem Artikel und vielleicht in einigen folgenden, mehrere solche wunde Stellen der Gegenwart berühren, die krebsartig mit der Zeit zu werden scheinen und die uüs nicht zum „Vorwärts", sondern zur Unr und Rückkehr auffordern. Für dies Mal nur ein Uebel unserer Zeit — eins, das auch schon von anderer Seite in diesem Blatte berührt worden ist, von dessen verschiedener Betrachtungs weise aber uns nur die eine angesprochen hat, die das Uebel an der Wurzel angriff. Das Uebel selbst ist das Wachsen der Armuth, das bald seine eigene Statistik haben wird. Arme hat es immer gegeben; sie sind so recht eigentlich von Anfang gewesen, um ein Gefäß zu bilden, das Gott hingestellt hat für die Mehrbegüterten, einen Zoll von den unverdienten göttlichen Gaben darein zu opfern. Darum können wir an vergangene und lange verstrichene Zeiten denken, Jahrhunderte zurück, überall finden wir die ungleiche Vertheilung der irdischen Güter und immer sehen wir neben Wohlhabenden auch solche Leute, welche aus der Hand in den Mund leben — auch solche, welche darben müssen. Das kann also kein Schaden unserer Zeit sein, daß Arme in ihr existiren. Aber geht nur hin und seht euch an verschiedenen Orten diese Armen an oder leset die Berichte aus großen und kleinen Städten, aus der Nähe und aus der Ferne, in denen die jetzige Armuth geschildert wird. Das sind nicht mehr jene Armen, die wie Lazarus schweigend an den Thüren lagen und demüthig warteten, bis sie bekamen; die ihren besten Freund im Himmel wußten und so ihre Wohl- thäter in ihre Gebete schloffen und für sie Fürbittec wurden bei Gott. Die Armen der Jetztzeit sehen scheel, daß Gott An dern mehr gegeben; sie bitten nicht mehr in alter Wesse, sondern sie verlangenundfordern; sie haben für Nichtgeben Drohungen; finden die Ungleichheit im Besitze ungerecht; sie warten zum großen Theil noch auf den Tag, wo „getheilt" wird; sie empfangen mit einem Gesichte, auf dem deutlich die Meinung geschrieben steht, daß sie nicht ein Almosen empfangen, sondern nur Etwas auf die allgemeine Rechnung. Unsere Armen find zur Armuth, die Armenpflege zur Armennoth und die Armuth zum Proletariat herabgesunken. Wie kommt es, daß dieser Umschwung eingetreten? daß die Denk- und Gesinnungsweise der Unbemittelten so verkehrt und die Armen in den verschie denen Staaten zu einer Macht geworden find, förmlich zu einem bösen Principe, das nur durch Gewalt in einzelnen Län dern niedergehalten werden kann und dann und wann an seinen Banden rüttelt, um Alles umzukehren und zu verderben? daß in ihren Herzen Haß gegen die Reichen kocht und jeder Be sitzende ihr persönlicher Feind geworden? Das liegt tiefer, lieber Leser, sind hat seinen Ursprung nicht in den Armen selbst, sondern das Uebel hat zum größten Theil seinen Kern weit entfernt von ihnen und ist nur im Laufe der Jahre, und be sonders in jenem Jahre des allgemeinen Sturmes und Drange- bis zu ihnen hinabgedrungen und hat da allerdings der Natur der Sache, nach solche zur Aufnahme bereite Herzen und Ge- müther gefunden, daß es nun dort fest zu sitzen scheint. Du siehst doch selbst ein, daß unsere Welt und die Ein richtungen auf derselben nicht das Werk von Menschen sind, sondern daß Gott nach seiner für uns, unfaßbaren Weisheit die Erde so geordnet und auch die Menschen auf ihr so hingesteitt und mit Gütern bedacht hat. Dieser Glaube an den lebendige« Gott und an eine göttliche Weltordnung ist es, der unser« Geschlechte mehr und mehr entschwunden und aus den Herze« und Sinnen gekommen ist. Der Glaube an eine göttliche Einrichtung der Dinge und an eine göttliche Ordnung der verschiedenen Gaben und Güter ist es, der von vielen Sekte« nicht nur Ungläubige, sondern sogar Anfechter, und leider auch Verspötter gefunden hat. Es find dies namentlich Philosophen,