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1855 Sonnabend, den I?. November 270. hlmrßize ien in« »baust Freiberger Anzeiger Tageblatt. Erscheint jeden Wochentag stüh S Uhr. Preis vierteljährlich IS Ngr. - Inserate werden an den Wochentagen nnr LiS Nachmittag» S Uhr für die nächsterscheinende Nummer angenommen und die gespaltene Zeile nnt 5 Pfennigen Lerechnet. rscheinliM ichs, M 2. worbe,.«W il einmU» rcrsehnrM ilflich M mersboisIW srtemon- ^aun aus rerden. rle trwA cn untnÄ c, ohne» b wezai W es ch«»D cnen, dit f ncg mir bki-M- wünsch, W bren Ks-W von najM 1855. I »upt. !)6r, 7 M lustr.)^ Ein guter Witz über eine ernste Angelegenheit. Es hat sich in der Weltgeschichte oft gezeigt, daß ein gutes, zur rechten Zeit angebrachtes Witzwort mehr gewirkt hat, als eine starke Rede und eine kräftige Agitation. Wmn wir richtig urtheilen, dürfte sich dies auch jetzt in England bewahrheiten. Die „Times" schließt einen Artikel gegen den General Simpson in der Krim mit dem Witzwort: „Unser Heer besteht aus Löwen, die von Eseln geführt wer den." Wir glauben, daß Simpson und mit ihm das ganze System der abgelebten englischen Aristokraten-Wirtschaft durch dieses Witzwort gründlicher beseitigt werden wird, als durch alle bisherige Bemühung um Administrativ - Reform. Daß die englische Nation und daß der englische Soldat frisch, thatkrästig, ausdauernd und unerschütterlich muthig ist, das beweist die ganze Geschichte der letzten Jahre, sowohl in der englischen Heimat, wie auf dem Schlachtfeld. Daß aber diese Nation und deren heldenmüthige Armee von alten und altersschwachen Systemen und Personen geleitet wird, ist eine Wahrheit, die sich außerordentlich gewaltig aufdrängt. In England giebt sich dies in der jämmerlichsten Jämmerlichkeit kund, welche sich die Opposition der Tory's zu Schulden kom men läßt. Diese ist so regierungssüchtig, daß sie Anfangs eine Majorität im Lande zu erhalten hoffte durch übertriebene Kriegs liebe und durch einen heuchlerischen Haß gegen Rußland. Diese regierungssüchtige Partei war es, welche Alles daran setzte, das cvewbn, Güldner. ,lieber zu - 65t Ncobr-, lana. Ministerium zu verdächtigen, daß es russisch gesinnt sei. Als jedoch das Ministerium selbst kriegerisch auftrat und die Steuer kraft und Energie des Landes zur Führung des Kampfes her ausforderte, da war es die verrottete Tory-Partei, die fichxmit den Friedensmännern der Freihandelsschule verband, um wie derum eine starke Opposition zu gewinnen, und indem sie ge gen die Anträge der Regierung stimmte, ihre bisherige Maske ablegte und für einen Augenblick in ihrer wahren Gestalt er schien. Leider aber steht dieser Partei durchaus keine junge kräf tige und frische gegenüber. Die gegenwärtige Regierung Eng lands stellt zwar dem Princip nach die fortschreitende Partei vor; allein auch diese Partei ist veraltet und in aristokratischen Vorurtheilen befangen, und selbst, wo sie dem Fortschritt hul digt, ist sie durch eine solche Masse von Familien - Rücksichten und veraltetem Herkommen beschränkt, daß sie unmöglich eine ernstliche Krisis zu leiten im Stande ist. — Die Schwäche deS ganzen englischen Staatssystems zeigt sich aber nirgend so sehr hervorstechend wie. gerade auf dem Schlachtfeld, wo diesem Sy stem zur Seite das der alliirten Franzosen dasteht, welches, wie sehr man auch seinen Grundfehler erkennt, daS Eine für sich hat, die Frische und Regsamkeit eines StaateS, der die aristo kratischen Vorureheile von sich abgrthan. Eine gewissenhafte Vergleichung zwischen den englischen und französischen Soldaten ergiebt unverkennbar, daß der eng lische Soldat dem französischen, wenn auch nicht tm Sturm und in der Begeisterung des Augenblicks gleichkommt, doch ihn weit überragt an Ausdauer und Unerschütterlichkeit. Die Ta pferkeit und Hartnäckigkeit der Engländer im Angriff ist bewun derungswürdig groß. Schwerlich aber ist schon einmal eine gleich tapfere Armee jämmerlicher cömmandirt worden, alS die - englische in der Krim. — Es stimmen alle gesunden Urtheile darin überein, daß die Engländer seit der Alma-Schlacht, wo sie mit der unerschütterlichsten Ruhe durch den Fluß und auf die russischen Kanonen losgingen und den Sieg entschied«, stets den schwersten Theil der kriegerischen Aufgabe übernahmen, daß sie aber jedes Mal so schlecht cömmandirt waren!, daß die schwersten Verluste zur natürlichsten Folge wurden. Es vereinigen sich Stolz und Unwissenheit, Vorurtheil und Hochmuth in dem englischen Kommando, um den Untergang einer der tapfersten Armeen herbeizuführen. Dabei sind die englischen Feldherren tapfere, aber abgelebte Helden, die schwer eine neue Situation begreifen und noch schwerer neue Gedanken fassen, deshalb führen sie das Mißgeschick der Armee in jedem Falle herbei, wo der Erfolg von dem augenblicklichen günstig benutzten Umstand abhängig ist. - Während die französischen Heerführer jung sind und Jugendkraft besitzen, während sie zwar ohne alte Ahnen, aber auch ohne alte Marotten und Vorurtheile sind und die Leitung jedem Untergebenen zuschreiben, dem sie Energie und gesunden schnellen Verstand zutrauen, während der französische Heerführer mit dem Soldaten selbst verkehrt, und deshalb die Leute kennt, denen er eine schwere Aufgabe stellt, wird daS englische Heer, wmn auch nicht gerade von Eseln, aber doch von eingebildeten, altersstolzen und alters schwachen Befehlshabern geleitet, die mit Stolz auf die Tapfer sten herabsehen und mit Verachtung jede nicht im Herkommen begründete Beförderung zurückweisen und deshalb weder ihr Heer genau kennen, noch sich die Mühe nehmen, es vor kriege-