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Erscheint jeden Archen tag früh 9 Uhr. Preis vierteljährlich 15 Ngr. — Inserate werden an den Wochentagen nur bis Nachmittag- 3 Uhr . für die nächsterscheinende Nummer angenommen und die gespaltene Zeile mit 5 Pfennigen berechnet. Freiberger Anzeiger und Tageblatt. 235. Montag, den Die Tage vom 1.—4. October in Freiberg. Kaum war Gewißheit darüber vorhanden, daß Sr. Maje stät der König unsre Stadt mit seiner Gegenwart beglücken Wierde, ais un Erreiche der Behörden und im Kreise der Fami lien viele Hundert Hände in Thäligkcil gesetzt wurden, um der Stadt ein wahrhaft festliches, ein würdiges Gewand zu geben. Man zeigte aber in diesem Bestreben einen um so regern Eifer, je mehr Lie Bewohner Freibergs die Auszeichnung zu schätzen wußten, Laß Se. Majestät nicht blos als König und Herr, son dern als Familienhaupt, als Vater in ihrer Mitte einige Tage zu verweilen gedenken. Und das einmüihige Streben der Be hörden und Einwohner, selbst solcher, die nur vorübergehend zu ihnen gehören, ward von einem glücklichen Erfolgt gekrönt. Wir haben oft Freibergs Straßen, Häuser und Thürme festlich geschmückt gesehen, aber nie in so reicher und gelungener Weise. Besonders gaben die ungewöhnlich zahlreichen Fahnen, die von den Thürmen, aus und aus den Häusern wehten, dem Ganzen ein festliches Anseben: diese Fahnen trugen die Farben Freibergs, Sachsens, Ba-crns, Bernburgs, Englands, Bolivias und Chile's; das Sternbanner Nordamerikas mit seinen 31 Sternen ward vermißt. In die so schön geschmückte Stadl — nur wenig« Häuser trugen keinen Schmuck — zog Se. Majestät mit dem Prinzen Georg unter dem Geläute aller Glocken und unter dem lauten Jubelruf einer zahlreichen Volksmenge durch eine von Gaslampen erleuchtete Ehrenpforte am 1. Oct. bald nach 7 Uhr Abends ein. Der Stadtraih, die Liadtverordneten und die Communalgarde empfingen den König, der die im Namen der Stadt vom Hrn. Bürgermeister Clauß gesprochene Bewill- kommnungsrede mit gewohnter Güte ausnahm. Die in dergl. Fällen gewöhnlichen Vorstellungen nicht weiter besprechend, he ben wir nur den einzigen Umstand hervor, daß eine zusammen gesetzte städtische Deputation durch einen würdigen und allgemein geachteten Bürgergreis Sr. Majestät im Namen der Freiberger Einwohnerschaft ein Gedicht überreichte*) — es war vom Hrn. Director Barth verabfaßt — das sehr gnädig ausgenommen ward. Bei der Auszählung von Einladungen zur Königl. Tasel nicht weiter verwertend — es erfolgten deren überhaupt jeden Tag, wie sie nach den bei solchen Vorkommnissen gebotenen Rücksich ten gewöhnlich find — bemerken wir von dem Anfänge des fol genden Tages, daß das Singechor und das Gymnasium um 7 Uhr Sr. Majestät einen Morgengesang brachten. Bald darauf ging der König und der Prinz in die Messe der katholischen Kirche — es geschah dies auch an allen nächstfolgenden Tagen — um dann Sich »ur Revüe des ersten Reiterregiments zu be geben. Auf der Rückkehr wurden die Muldner Hütten besucht, «och nur kurze Zeit konnte diesem Werke gewidmet werden um für den Besuch der städtischen Institute noch einige Muse zu ge- *) s. unten. 8. Letober 1855. Winnen; und es erfreuten sich des königlichen Besuches daS Be zirksgericht, — auch in die Zellen des Gefängnisses trat der König ein — das Gymnasium, die KnabenburgerschUle und das Seminar. — Abends kurz nach 6 Uhr hielt Ihre Maje stät mit den Prinzessinen Anna, Margaretha und Sophia Ih ren Einzug in die Stadt: auch Sie empfingen die Glocken dtt Stadtkirchen, die Behörden und laute Freudenrufe der versam melten Volksmenge, die um so größer war, da im Laufe LeS Nachmiitages aus Nah und Fern Fremde in großer Anzahl herbeigeströmt waren. Nicht lange nach 7 Uhr begaben Sich die Königlichen Herrschaften auf das Rathhaus. Dort im grö ßern RathSzimmer begrüßte die Königin und Prinzessinnen eine weiß und grün geschmückte Reihe von Jungfrauen und kleineren Mädchen; und während die Letztern 4 Blumenbouqets darbrach ten, überreichten Lie Erster» ein vom Hrn. Conrektor Vr. Döring verabfäßtes Gedicht*): das Wort führte Fräul. Laura Döring. König und Königin waren hocherfreut über diesen Ausdruck det Liebe und Anhänglichkeit. Die Ausstellung der Fabrikate Hrn. Schlegels erregte die größte Befriedigung und AnerkennüNg der Königl. Herrschaften: Se. Majestät befahlen eine bedeu tende Anzahl von Ankäufen**). Mit ganz besonderer Aner kennung muß Ler trefflichen Instrumente, z. B. der Grubeu- theodoliten nach neuer Constrüction, Les PlattUerschen Löthroht, apparateS, Erwähnung gethan werden, welche Herr Berg- mechanikus Lingke ausgestellt hatte, um so mehr, La sein Name zu den Ehren unserer Stadt gehört und deren Ruf selbst übet Europa's Grenzen hinaustragen hilft. Auch die aus dem bie- figen Rathsarchiv im Stadtverordnetensaale ausgelegten alte» Urkunden und Druckwerke zogen Lie Aufmersamkeit Ler Hoheit Anwesenden auf sich; namentlich erregte die Urkunde Heinrich d. Erlauchten vom Jähre 1259, in welcher der Dünger dell Obermarktes zu Freiberg Lem St. JohanniShospitale überlassen wird, eine große Heiterkeit. Mittlerweile hatte sich Lie große BergparaLe, die aus etwas mehr als 800 Mann Derg- und Hüttenleuten bestand, unter der Führung des Herrn Oberberg hauptmanns, dem Rathhause genähert. Und bald war der ganze Obermarkt von der eigenthümlichen Beleuchtung erhellt, wie sie Ler Bergmann mit seinem Grubenlichtchen gewährt. Musikstücke und Dergsänger gaben der BergparaLe den lebendigen Ausdruck ihrer Originalität. Als aber der Herr Oberberghaupttnann o. Beust ein dreimaliges Glückauf auf Len König uud Sein HauS mit weit hin vernehmlicher Stimme auSrief und benga lische Flammen die laut und begeistert einstimmende Volksmenge in einem magischen Lichte erscheinen ließen, da war Jeder er^ *) s. unten. **) Herr Schlegel hat zum Andenken an diesen Tag und aus Dankbarkeit gegen die königliche Gnade der Krankenkasse ferner Ar beiter SV Lhlr. geschenkt: Herr Schlegel hat auch schon früher Be weise der Fürsorge für seine Arbeiter gegeben.