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Freiberger Anzeiger und v Tageblatt. M ' Erscheint jeden Wochentag früh S Uhr. Preis vierteljährNch 1S Rgr. - Inserate werden an den Wochentagen nur bis Nachmittag« S Uhq für die nächsterscheinende Nummer angenommen und die gespaltene Zeile mit S Pfennigen berechnet. 2L5. Mittwoch, den 26. September 1855. Der menschliche Schmuck. IV. Zur Kunst de; Schmücken;.*) Die alten Griechen und Germanen trugen das Haar lang, die Römer schnitten dasselbe kurz. Im ganzen Mittelalter tru gen Fürsten und höhere Standespersonen stets langes Haar, und nur Knechte und Leibeigene schoren dasselbe ab. Seit dem Zeitalter Ludwig XIV. ersetzte man spärlichen Haarwuchs durch Perrücken, die allgemach zu kolossaler Größe anwuchsen und, wie ein Schriftsteller des vorigen Jahrhunderts mit großem Wohlgefallen bemerkt, dem Menschen das ehrwürdige Ansehen eines Löwen gaben. Ihr Gebrauch erhielt sich bis in den An fang dieses Jahrhunderts, und noch jetzt gehören sie zur feier lichen Amtstracht englischer hoher Staatsbeamter. Cook und seine Genossen waren nicht wenig erstaunt, bei ihrer Ankunft in Otaheiti unter der herrschenden Bevölkerung den Gebrauch der Perrücken zu finden. Gleichzeitig mit den Perrücken tritt in Europa der Zopf auf, der seit dem Ende des 17. Jahrhun dert? sogar in den Kriegsherren eingeführt wurde und ein we sentliches Stück der Armatur der Napoleon'schen Garde war. Die. seltsame Sitte, das natürliche oder künstliche Haupt haar mit einem farbigen Staube zu bestreuen oder den Gebrauch des Puders, der in Europa sich fast 200 Jahre lang erhielt, finden wir schon in den nieder» Culturzuständen; die Australier bestreuen ihr mit Harz in Klümpchen zusammengeklebtes Haar mit rothem Ocker, was wir auch bei den ost- und westafrikani schen Negern schon seil uralter Zeit finden. Die Bewohner von Tahiti und andern Südseeeilanden bedienen sich zu gleichem Zwecke des gebrannten und gepulverten Kalkes, der bei fortge setztem Gebrauch dem Haar eine lichtere Färbung verschafft. Den kostbarsten Puder haben unstreitig die westafrikanischen Neger, namentlich die Könige der Goldküste, welche ihr dickes, geöltes Haar, ja zuweilen sogar den ganzen, vorher mit Talg eingesalbten Körper mit Goldstaub bestreuen, ein Schmuck, der ihrer durch Branntwein gesteigerten Seele die Ueberzeugung giebt, daß sie nur wenig geringer seien, als ihre Gottheit. Be- merkenswerth ist es aber, daß in den Zeiten des größern Sit tenverfalls im alten Rom, unter Caligula und Caracalla, ein ähnlicher Luxus erscheint. Der Kopfputz der Frauen besteht bei allen Völkern in der *) Vergl. Nr. 192 d. Bl. reichen Fülle des Haares, dessen Wuchs man durch Oele und Fette und anderweite sorgsame Pflege möglichst zu fördern sucht. Selbst die Negerinnen suchen der Wolle, welche ihre Schädel dicht bedeckt, durch Abschneiden, Salben und andere Mittel eine größere Länge zu geben, während die Frauen anderer Nationen durch Einflechten fremder Haare, Bänder und Schnüre ihre Haarfülle zu vermehren streben. Die Frauen der amerikanischen Jägerstämme, dann die Mongolinnen, Tatarinnen, Russinnen, Finnländerinnen flechten ihr Haar in lange Zöpfe, die mit Glasperlen, Metallplättchen, farbigen Bändern und andern Zierathen möglichst stark und scheinbar gemacht werden und den Rücken herabhängen. Die selbe Sitte finden wir in mehreren Gauen von Süddeutschland und der Schweiz. Dabei ist bemerkenswerth, daß sich die Frauen vor den Mädchen durch bestimmte Zierathen auszuzeich- nen suchen. Die Frauen der Südseeinseln, der Hindu, der Chinesen und Japaner, der alten Griechen, Römer und Germanen, so wie der heutigen Italiener, Spanier und Franzosen und der höhern Stände der übrigen europäischen Nationen trägen LaS Haar ebenfalls lang, allein sie winden und flechten dasselbe in einen Knoten, den sie auf dem Hinterkopfe durch Nadeln oder Kämme, Reifen oder Bänder festzuhalten suchen Uyd sodann durch Blumen, Federn, Kränze, Schleier, Bänder, Schleifen u. dergl. anderweit verzieren; eine Sitte, die theilweise auch bei den alten Aegyptern vorkommt, wenigstens bei den Tän zerinnen, während die Damen dort das Haar ungeflochten über Schultern und Nacken wallen ließen. In den Gräbern der alten Griechen, Römer, Selten und der germanischen Völker finden wir silberne und eherne, selten elfenbeinerne und knöcherne Nadeln von 3 — 11 Zoll Länge, welche an einem Ende mit einem Knaufe versehen sind, der bald als Perle, Kugel, Halbkugel, bald als Scheibe, Rad, Spi rale, kurz in den mannichfaltigsten Gestalten erscheint. Such unter den ägyptischen Alterthümern hat man ähnliche Nadeln gefunden, welche dort wohl den Zweck hatten, den Schleier auf dem Haupte festzuhalten. Die einfachsten Haarnadeln finden wir bei den mittelafrikanischen Negern; sie bestehen aus dem natürlichen Stachelschweinkiel. In China fertigt man aus El fenbein und Holz sehr künstlich geschnitzte Haarnadeln. Der Kamm erscheint nicht minder in mannichfalttgen Ge stalten. Die Neger schnitzen denselben ziemlich roh Mb Holz.