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Freiberger Anzeiger und Tageblatt. 1855 Donnerstag, den 28. August Erscheint jeden Wochentag früh 9 Uhr. Preis vierteljährlich 15 Ngr. — Inserate werden an den Wochentagen nur bis Nachmittag» 3 Uhrj für die nächsterscheinende Nummer angenommen und die gespaltene Zeile mit 5 Pfennigen Serechnet. Tagesgeschichte. Dresden, 19. August. Nachdem in vielen Städten des Lan des die Fleischtaxe bereits aufgehoben worden ist, hat man bei uns in Erwägung gezogen, ob nicht auch für Dresden im öffentlichen Interesse ein solches Verfahren rathsam erscheine, das zugleich eine größere Freiheit bezüglich der Fleischverkaufsstellen nach sich ziehen würde. Die unter Zuziehung von Sachverständigen im Schoose der städtischen Behörde stattgehabten Berathungen haben indessen zu ei nem einer diesfallsigenReform geneigtenResultate nicht geführt, viel mehr hat man beschlossen, vor allen Dingen eine Zeit lang noch wei tere Erfahrungen zu sammeln. Als ein sehr Leachtenöwerther Moment bei Entscheidung der einschlagenden Fragen erscheint der Umstand, daß die hiesigen Fleischbänke mit einer ansehnli chen Hypothekenlast, die man wohl ohne Uebertreibung auf ca. 90,000 Thlr. veranschlagen darf, versehen sind. Eine Entwer- thung dieser Verkaufsstellen würde zahlreichen Privaten die em pfindlichsten Vermögensverluste bereiten. Dresden, 21. August. Se. Majestät der König werden Donnerstag, den 23. d. M., eine Reise durch das Erzgebirge antreten. Wie wir vernehmen, werden Se. Majestät Sich von hier zunächst über Riesa nach Mitweida und von dort über Hainichen, Bräunsdorf, Oederan und Augustusburg nach Chem nitz begeben und am 24. und 25. daselbst verweilen. Von Chemnitz gedenken Allerhöchstdieselben Ihren Weg über Hohen stein und Glauchau nach Zwickau zu nehmen, sodann Schnee berg , Eibenstock, Johanngeorgenstadt und Schwarzenberg zu besuchen und über Aue, Zwönitz, Stollberg, Chemnitz und Wald heim am 30. August nach Dresden zurückzukehren. Die An gabe, daß Se. Majestät auch Annaberg besuchen dürften, beruht auf einem Jrrthume. Alle Empfangsfeierlichkeiten haben Se. Königl. Majestät für diese Reise ausdrücklich untersagen lassen. Zittau, 19. August. Der Anbruch des heutigen festlichen Tages, an welchem unsre Stadt das scchshundertjährige Jubi läum ihres Bestehens feiert, wurde Morgens 4 Uhr durch zahl reiche Böllerschüsse und die Reveille der Communalgarde den Be wohnern verkündigt; um 6 Uhr wurde derselbe vom Johannis thurm aus mit Gesang und Instrumentalmusik begrüßt. Vor 8 Uhr versammelten sich die sämmtlichen Theilnehmer an dem Zuge nach der Kirche in dem großen Bürgersaale des Rath- hauses. Daselbst übergab Stadtrath vr. Klien aus Budissin im Namen der übrigen Vierstädte der sächsischen Oberlausitz dem Stadtrath zu Zittau eine geschmackvoll entworfene, in Bunt druck ausgeführte Erinnerungstafel, sowie ähnliche Beglückwün schungen von den ehemaligen Sechsstädten Lauban und Görlitz, namentlich aber auch von der Residenzstadt Dresden (bestehend in einer meisterhaft geschriebenen Gedenktafel) eingegangen wa ren. Um Punkt 8 Uhr bewegte sich der Zug durch die en Kai« ausgestellte Communalgarde nach der St.-Johanniskirche. Die Festpredigt in der St.-Johanniskirche (welche wie die übrigen Kirchen festlich ausgeschmückt war) wurde von dem Pastor Pri marius vr. tireol. Klemm gehalten, welcher den Spruch Spruch. 11, 11: „Durch den Segen der Frommen wird eine Stadt er hoben" zum Text und Thema gewählt hatte. — Während deS Gottesdienstes war indessen mit dem Frühzuge der Löbau-Zit tauer Eisenbahn (^10 Uhr) Se. Königl. Hoheit der Kronprinz von Dresden angelangt, von einer Deputation des Stadtraths, dem Amtshauptmann v. Carlowitz und den höher» RegierungS- beamten am Bahnhofe empfangen und nach Seinem Absteige quartier im Gasthof zur goldenen Sonne geleitet worden. Da selbst geruhte Derselbe nach beendigtem Gottesdienste die Vor stellungen der verschiedenen Behörden und Corporationen entge-- gen zu nehmen, die Communalgarde vorbeidefiliren zu lassen und verfügte Sich darauf zu dem in dem Saale des Weinkellers für Ihn und die sämmtlichen Gäste bereit gehaltenen Dejeuner. Nach demselben wünschte Se. Königl. Hoheit die Johanniskirche zu sehen, bestieg selbst den eine schöne Umschau gewährenden Thurm und begab Sich dann durch einen Theil der Promena den nach dem vor dem Frauenthor gelegenen Sthamer'schen Garten, den Er mit Befriedigung in Augenschein zu nehmen schien. Um 2 Uhr begann das in dem großen Bürgersaale ser- virte Festmahl, an welchem gegen 240 Personen Theil nahmen. Das erste Hoch wurde von dem greisen Bürgermeister Just Sr. Majestät dem Könige, Ihrer Maj. der Königin, sowie Sr. Königl. Hoheit dem anwesenden Kronprinzen unter allgemei nem Jubel dargebracht und von Sr. Königl. Hoheit mit einem Hoch auf die „nicht blos reiche, sondern auch treue und anhäng liche Stadt Zittau" erwiedert. Noch während der Tafel nahte sich ein von einer Anzahl junger Leute, namentlich Kaufleuten, in aller Eile zu Ehren des Kronprinzen veranstalteter costümir- ter Zug, König Ottokar vorstellend, wie er die Stadt umreitet und umpflügen läßt. Den Zug eröffneten Hellebardiere und Herolde; darauf erschien König Ottokar selbst zu Pferde in strahlender Rüstung und im königl. Mantel, umgeben von gleich--.