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Freiberger Anzeiger Tageblatt. Erscheint jeden Wochentag früh 9 Uhr. Preis vierteljährlich IS Ngr. — Inserate werden an den Wochentagen nur bis Nachmittag» Z Uhr, - . für die nachsterscheinende Nummer angenommen und die gespaltene Zeile mit 5 Pfennigen berechnet. 204. Sonnabend, den L September 1855. Das „tägliche Brot" der Menschen. Das Wort „tägliches Brot" umfaßt alle Nahrungsmittel, welche der Mensch braucht. Die Nahrungsmittel aber, welche der Mensch genießt, richten sich namentlich nach der Lage der Wohnplätze. Wenn man auf unserer nördlichen Halbkugel von Norden nach Süden geht, so findet man im Allgemeinen, daß die Völker allmählig und stufenweise immer mehr Pflanzenkost genießen. Nur die Gebirgsgegenden, in denen die hohe Lage über der Meeresfläche selbst zwischen den Wendekreisen ein nor disches Klima hervorbringt, bilden davon eine Ausnahme. Ter Russe und Schwede, Ler Norweger und Däne, der Deutsche und der Niederländer liebt Fleischspeise; der Südfranzose mehr Brot; Ler Italiener ist zufrieden mit seinen Maccaroni, seiner Polenre und seinen Gemüsen; der Grieche und Türke ist auch sehr mäßig im Fleischgenusse, ebenso wie der ackerbautreibende Asiate; im südlichen Indien bringen Millionen ihr Leben lang kein StüK Fleisch zum Munde und leben vorzugsweise von Reis und Gemüsen und den Früchten Ler Palmen und Ba nanen. Auch essen Südländer weniger, als die Bewohner des Nordens, und die Schiffe nehmen, wenn sie die Meere im ho hen Norden befahren, doppelt so viel Nahrungsmittel an Bord, als wenn ihre Fahrt nach dem Süden geht. In manchen Kü stengegenden bilden Fische das Haüptnahrungsmittel; diese ste hen mitten inne zwischen Fleisch und Pflanzenkost und enthalten nicht so viel Nahrungsstoff, als jenes, weshalb sie auch in den verschiedensten Religionen für eine Fastenspeise gelten. Während das Thier in Bezug auf seine Nahrung vom Instinkte, vom Zufall abhängt, sorgt der Mensch im Voraus für dieselbe. Der Magen ist, so zu sagen, der Weltbeherrscher, ihm verdanken wir, wenn man will, unsere Gesittung, weil Ackerbau, Viehzucht, Fischerei und Jagd ohne ihn wohl kaum vorhanden wären; ohne ihn gäbe es vielleicht weder Gewerbe, noch Handel und Verkehr. Das nächste Bedürfniß für jeden Menschen ist, den Hunger zu stillen, und dieses Bedürfniß ist der erste Antrieb zur Thätigkeit. Zum Hunger gesellt sich das Bedürfniß der Kleidung und Wohnung. Weit über fünf Sechs tel des Menschengeschlechtes mühen sich ab für das tägliche Brot, müssen arbeiten, um Len Hunger zu stillen, der ja tag täglich wiederkehrt. Die Bewohner der warmen und heißen Klimate werden von der Natur, welche in jenen Gegenden besonders die Vege- tabilien entfaltet, vorzugsweise zum Genüsse von Pflanzenspei- sen angehalten. In der Gluthhitze der tropischen Sonne ist vor allen Dingen kühlende, erfrischende Nahrung nothwendig. Es bedarf ferner der Mensch in den warmen Ländern nicht viel zum Leben, das ihm viel leichter wird, als den Söhnen des rauhen Nordens und der gemäßigten Gegenden. Er ruhet im Schatten der Palme, die ihm eine gesunde Nahrung giebt, und seinen Durst löscht er an der nächsten Quelle. Sein HauS baut er aus Bambusrohr, und seine Kleidung besteht in einem leichten Tuche oder auch nur in einer Matte, welche er nach lässig um den Leib schürzt. Auf manchen Inseln der Südsee bilden Obdach und Kleidung nur Luxusartikel, und an Nahrung fehlt es niemals. Wo keine Palmen vorhanden sind, da wächst der Brotbaum, den die Insulaner leicht fortpflanzen; auf den Gewürzinseln leben die Aermeren fast ausschließlich von den Kernen der samentragenden Brotfrucht, welche wie Kastanien in glühender Asche geröstet oder in Wasser gekocht werden. Wie mühsam ist dagegen das Leben des Jägers, deS Hir ten, des Fischers, des Ackerbauers oder Winzers unter den käl- tern Himmelsstrichen. Er muß daL ganze Jahr hindurch im Schweiße seines Angesichts arbeiten) für Kleidung und Obdach und Vorräthe auf den Winter sorgen. Bei der schweren Ar beit und bei der rauheren Luft muß er mehr und öfterer essen, als jene Südseeinsulaner. In den heißen Ländern ist mäßiger Genuß von Speisen eine Nothwendigkeit, aus körperlichen und klimatischen Rücksichten. Der zarte Hindu am Ganges, in der bengalischen Tiefebene, wäre eine Beute des Todes, wenn er dem Mongolen nachahmen wollte, der bei einer Mahlzeit drei bis vier Pfund rohes Fleisch hinabwürgt und es ohne alle Unbequemlichkeit verdaut. Die Eskimo's und Kamtschadalen bedürfen zum Schutz gegen die Kälte fettiger Speisen; sie trin ken über Alles gern Wallfischthran, genießen Wallfischfett und Fischthran als Suppe, und können sie von den Europäern Talglichter erhalten, so dünkt' ihnen das die kostbarste Speise von der Welt. Vor Schnecken und Froschlenden, die unsern Feinschmeckern für Delikatessen gelten, würden sie vielleicht Ab scheu haben, ebenso vor Heuschrecken, denen Syrer, Araber und Aegypter Geschmack abgewonnen haben. Die alte» Bewohner des kleinasiatischen Landes Phrygien aßen gewisse Arten von Würmern, und einzelne Jndianerstämme Amerika's thun das selbe noch jetzt. Manche Eidechsenarten, welche in diesem Erd theile so häufig sind, munden selbst den Europäern, und viel«.