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Freiberger Anzeiger Tageblatt. Erscheint jeden Wochentag früh 9 Uhr. Preis vierteljährlich 15 Ngr. - Inserate werden an den Wochentagen nur his Nachmittag« 3 Uhr für Lie nächsterscheinende Nummer angenommen und die gespaltene Zeile mit 5 Pfennigen berechnet. 204. Mittwoch, den Am S. August ist es ein Jahr gewesen, seit Friedrich August H., seine friedliche Laufbahn mit einem gewaltsamen Ende beschließend, in Tirol vollendete. Ein Jahr ist vergangen seit jener Tra gödie bei Brennbichl, seit jener blutigen Katastrophe, wo das Verhängniß vor den Fürsten trat und er, langsam fahrend, umgeworfen von einem durch 17jährige Dienste erprobten Po stillon, von einem sonst lammfrommen Pferde erschlagen wurde, bei einem im Ganzen sehr ungefährlichen Zufall, dem seine bei den Begleiter glücklich entgingen. Verhängnißvoll war der Tod des Fürsten und verhängniß voll kündigte er sich an. Ja, wollte man an Vorbedeutungen zu glauben geneigt sein, wie wir es allerdings nicht sind, so dürften eine Menge Zufälligkeiten aus der letzten Lebensperiode des Königs nahe als dergleichen Vorbedeutungen angesehen werden können. So verlor, wie dem Verfasser aus zuverlässi ger Quelle mitgetheilt wurde, der König auf einer Jagd im März oder April 1854 seinen Trauring, was ihn ungemein verstimmte — der Ring soll trotz aller aufgewandten Mühe nicht wieder erlangt worden sein. Ferner wird erzählt,' wie bei dem Feuerwerk auf der Vo gelwiese in demselben Jahre der Namenszug des Königs un geachtet aller Bemühungen sich nicht entzündete und dunkel blieb, während doch die darüber angebrachte Krone im reinsten Glanze strahlte. Hofbediente wollen sogar das bekannte Ge spenst, den „Dresdner Mönch"*), im Schlosse umherwan delnd erblickt haben; dieses Umherwandeln aber wird stets als sicheres Anzeichen eines der königlichen Familie bevorstehenden /Unglücks betrachtet. Häufig hört man auch noch eines andern rathselhaften Begebnisses gedenken. Am Georgcnthore zu Dresden nämlich befindet sich ein *) Das Mönchsgespenst spukte zum ersten Male kurz vor dem Tode des' Kurfürsten Johann Georg IV. Der Sage nach ist Ler „Dresdner Mönch" ein ehemals unschuldig Geköpfter, er er schien, wie der h. Dionysius, mit Lem Kopfe unter dem Arme und ging mit einer brennenden Laterne in Ler Hand des Nachts auf Len Wällen Ler Festung herum; er spukte hier, indem er die Schildwa chen neckte und sonst des Unfugs mehr trieb. In einem alten Ma- uuscript aus jener Zeit heißt es: „Den 22. April 1694 (also sechs Nächte vor dem Tode des Kurfürsten) ist es sehr unheimlich im Schlosse gewesen und hat sich der Dresdner Mönch als Anzeige ei nes hohe» Todesfalles sehen lassen." ss. August 18^5. aus Stein gearbeitetes sächsisches Wappen. Im Laufe der Zeit hatten sich in diesem Wappen Königskerzen eingenistet. Sie sollten entfernt werden; doch auf erfolgte Anfrage beim König selbst entschied dieser, ihre Blüthe vorüberzulassen und sie erst dann wegzunehmen. Am Morgen des 10. August nun — Friedrich August war den Tag vorher verunglückt — fand man die schönste und größte der Königskerzen — gebrochen. Und doch war die Nacht-sehr still gewesen! Die Pflanze war ge sunken, gesunken wie Derjenige, unter dessen Schutze sie ihre Blüthe erwartete — eine rührende Sage! Auch die Reise in Tirol selbst verlaust nicht ohne die auf fallendsten Erscheinungen. Die ersten Wort« des Priesters Morrigl in Zirl am 7. August Vormittags, als et den Kö nig, den er schon früher bei dessen Ausflügen in Tirol beglei tet/wiedersieht, sind auf die Frage: „Heute haben Sie mich in Zirl wohl nicht erwartet?" diese: .„Ew. Majestät, das Sterben wäre mir wohl in den Sinn gekommen, nicht aber der Gedanke, daß ich heute die Ehre und das Ver gnügen haben sollte, Ew. Majestät in Zirl zu bewillkommnen." Und dann: Vom Bade Sellrain war der König mit Moriggl nach der nahen Mel ach gegangen, während im Gasthof ein Mittagsmahl für ihn bereitet wurde. Bei seiner Rückkehr nach dem Wirthshause führte ihn sein Weg an der Kegelbahn vor über. Schnell ergriff er eine Kugel, warf und — fehlte. Mit einer zweiten Kugel aber warf er den „König" und seinen Hintermann zu Boden! Weiter: Der König hatte sich auf der Alpe Lisens mit seinem Adjutanten in das Fremdenbuch eingezeichnet, hart an Lem Namen eines Reisenden, der sich einige Tage vorher ein geschrieben. Der Pfarrer Moriggl wollte den Namen des Kö nigs auszeichnen und zog — schwarze Linien um die Na men der Reisegesellschaft. Die Linien sollten zu einem Trauerrande werden! Und ferner, gleichsam als poche eine unsichtbare Mahnung an sein Herz, spricht der König beim Abschied von demselben Pfarrer am 9. August mit besonderem Nachdruck- „Bleiben Sie meiner im Gebete eingedenk!" Schließlich aber giebt daS Schicksal dem König, als schon das Verhängniß mit schwerem Flügelschlag näher rauscht, noch einen Wink: er ist so ermü det, fast entkräftet, daß er das Pitzthal nicht besuchenwill. Doch ein erquickender Schlaf ändert seinen Entschluß und . so vollendet er sein Geschick.