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Freiberger Anzeiger und Tageblatt. Erscheint jeden Wochentag früh 9 Uhr. Preis vierteljährlich 15 Ngr. - Inserate werden an den Wochentagen nur bis Nachmittags 3 Uhr - für Lie nächsterscheinende Nummer angenommen und die gespaltene Zeile mit 5 Pfennigen berechnet. ^83. Mittwoch, den 8. August 1855. Der menschliche Schmuck. I. Gold und Edelsteine. Unter diejenigen Merkmale, welche den Menschen vor sei nen übrigen Mitgeschöpfen, den Thieren, auszeichnen, ist auch das Bestreben zu rechnen, seinen Körper durch Hinzufügung anderweiter Gegenstände größer, stärker und schöner zu machen und dadurch bei seines Gleichen die Gefühle der Furcht, Hoch achtung und Liebe zu erwecken. Kein Thier legt Schmuck an, und wenn wir sagen, unsere Katzen, Enten, Hühner und an dere Vögel putzen sich, so legen wir denselben eine ihnen fremd artige Absicht unter, denn indem sie ihren Haaren und Federn eine besondere Sorgfalt zuwenden, bezwecken sie doch nur, das unbehagliche, die Haut störende Gefühl zu entfernen, welches eine Unordnung in diesen Körpertheilen hervorbringt. Den Menschen finden wir dagegen schon auf den niedrigsten Anfän gen der Cultur bei besonderen Anlässen, namentlich wenn die stürmischen Anforderungen des Magens genügend befriedigt sind, beschäftigt, seine Haut zu bemalen, sein Haar durch Blu men und Federn zu schmücken und die einzelnen Glieder seines Körpers durch mancherlei daran befestigte Steine, Pflanzen und Thiertheile zu verzieren. Es ist dies eine Erscheinung, die uns auf den nieder», wie auf den höhern Culturstufen der Völker begegnet. Der Buschmann in den südafrikanischen Steinwüsten, Ler amerikanische Waldindier, wie der Eskimo und der Neger, der kriegerische Germane, wie der betriebsame, anständige Ae- gypter und Chinese, der ernste Römer, wie der frivole gentll- komme üo la cour äe I,oui8 XIV., ein Jeder thut sein Mög lichstes, durch mannichfachen Schmuck seinen Genossen die vor- theilhafteste Meinung von sich beizubringen und ihnen schöner, wohlhabender und muthiger zu erscheinen, als dies in der That der Fall ist. Wie nun Kleidung, Waffen, Wohnung, so ist auch der Schmuck des Menschen ein öffentliches Zeichen, das er von sei nem Wesen und von seiner Gesinnung abgiebt, eine Art von tostimooiam worum (Sittenzeugniß), das er sich selbst ausstellt. Die rohen Küstenbewohner Australiens, die wilden Jäger der amerikanischen Steppen, die wüsten Neger, wie die trübseligen Fischer der Polarzone deuten die niedrige Stellung, die sie ih ren Frauen anweisen, schon dadurch an, daß Lei ihnen der Mann der vorzügliche Inhaber des Schmuckes ist, die Araber, Chinesen, Kaukasier, Griechen und die romanischen und germa nischen Völker Europa's dagegen ehren das weibliche Geschlecht auch dadurch, daß sie demselben vorzugsweise den Schmuck überlassen und schon dadurch die würdigere Stellung andeuten- die dasselbe auf den höheren Stufen der Cultur einzunehmen berechtigt ist. So isind denn die Schmucksachen, die ihrer Natur nach gesehen sein wollen und sich gleich dem Lichte zur ErscheinungKvordrängen, vor Allem geeignet, uns eine Erkennt- niß des, Culturzustandes ihrer Träger zu gewähren, sei dieS nun an einzelnen Menschen oder an ganzen' Völkerschaften. Das alte Sparta, das republikanische ernste Rom legten in ihren Ansichten über den Schmuck ebensowohl ein Zeugniß über ihre ganze Gesinnung und Richtung ab, wie die Zeloten, die in dem letzten Drittheil des 16. Jahrhunderts nicht weniger als 45 Teufel entdeckt hatten, welche sich bestrebten, den Menschen zu verderben. Wir finden unter ihnen nächst dem Hoffahrts teufel auch den Kleiderpluder-, Faust- und Krausteufel, deren specielle Betrachtung sich der Schneebergische Prediger Johann Strauß zur Aufgabe gestellt hatte. Schon insofern gehört also der menschliche Schmuck zu einem vollständigen Bilde des ge sellschaftlichen Zustandes der Völker. Demnächst ist er aber auch ein bedeutender Hebel des Völkerverkehrs selbst. Tausende von Menschen fanden und finden ihren Lebensunterhalt in der Aufsuchung, Bearbeitung und Zusammenstellung der zum Schmuck dienlichen Naturstoffe und Kunstproducte; Tau sende beschäftigen sich mit dem Verkaufe derselben; und von diesem Standpunkte aus betrachtet erscheinen manche an sich werthlose Dinge von großer Bedeutung. Die Venetianischen Glasperlen z. B. werden zu Schiffe nach den Häfen der nord afrikanischen Küste geführt, von da aus wandern sie auf Ka- meelen nach der Oasenstadt Tombuktu, hier werden sie von den Sorakolrts oder Negerkaufleuten erworben und auf dem Kopfe bis zu den Negern von Benzuela im neunten Grade südlicher Breite, ja bis zu den Gallasvölkern im tropischen Ostafrika getragen. Bedenken wir endlich, wie sogar di« Wissenschaft durch das Bestreben, neue Gegenstände des Schmuckes aufzu finden, manche werthvolle Bereicherung erfahren Hat, wie die Kenntniß der Färbestoffe, der Edelsteine, der Perlen, Käfer, Schmetterlinge und der tropischen Prachtvögel vorzugsweise durch jenes Bestreben erweitert worden ist, so erscheint uns der menschliche Schmuck wohl als ein Gegenständ, der würdig ist, zur nähern Betrachtung gezogen zu werden. Bevor wir uns in einer Reihe von Artikeln zur Betrachtung