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Freiberger Anzeiger Tageblatt. Erscheint jeden Wochentag früh 9 Uhr. Preis vierteljährlich 15 Ngr. — Inserate werden an den Wochentagen nur bis Nachmittags 3 Uhr! für die nächsterscheinende Nummer angenommen und die gespaltene Zeile mit 5 Pfennigen berechnet. ' 485. Freitag, de« 1«. August 1855. Tagesgeschichte. Bcrliü, 6. August. Von unterrichteter Seite hören wir die Angabe, daß Rußland die Absicht habe, in seiner Handels sperre auf der ganzen Grenzlinie auf die preußischen und öster reichischen Staaten zu bis auf Weiteres bedeutende Modifika tionen, sowohl für den Import als für den Export, eintreten zu lassen, bestätigen. Dabei vernehmen wir jedoch, daß es sich hier nicht um eine zeitweise völlige Aufhebung der bisherigen Grenz sperre, wie von einigen Blättern berichtet wird, sondern eben nur um Modifikationen in derselben handeln soll, die übrigens aller dings von umfassender Natur sein dürsten. Der Ansicht, daß Rußland durch diese Maßregel beabsichtige, den deutschen Han del für die mannichfachen Verluste und Beschränkungen, die der selbe durch die gegenwärtigen Kriegsverhältnisse erleide, theilweise zu entschädigen, muß jedoch entschieden entgegengetreten werden. Daß der deutsche Handel Rußland so nähr am Herzen liege, das ist in der That neu. Daß die betreffenden Erleichterungen dem deutschen Handel, namentlich in den betreffenden Grenzprovinzen, unter den gegenwärtigen Verhältnissen nur doppelt angenehm sein können, das ist gewiß nicht zu bestreiten; Rußland beabsichtigt die bezüglichen Schritte aber nicht Deutschland, sondern lediglich sich selbst zu Liebe. Der russische Handel stockt seit dem Kriege und die reichen Produkte liegen werthlos im Lande. Hier muß ein Ausweg geschafft werden, wenn die geschäftliche Welt nicht ganz zu Grunde gehen soll. Die Waaren liegen massenhaft da, aber es fehlt an Käufern. Neulich galt in Petersburg der Scheffel Korn 17^2 Sgr. Ist dies eine Beispiel klar genug? (D. A. Z.) Aus dem Herzogthum Braunschweig, 3. August. Das Consistorium zu Wolfenbüttel hat unlängst ein Ausschrei ben an die Kirchenvisitatoren erlassen, welches, da es auf einen hohen humanen Zweck, die Erforschung und Pflege kirchlicher Blterthümer und Kunstschätze, gerichtet ist, die allgemeinste Be achtung verdient. Hiernach sollen die Kirchenvorstände sich die kirchlichen Alterthümer und Kunstgegenstände besonders empfoh len sein lasten, und wegen Sicherung und Aufstellung derselben überall die nöthigen Anordnungen treffen. Zu diesem Zwecke theilt ihnen das Consistorium ein Fragenformular über die ein zelnen Momente, welche bei der Beschreibung der kirchlichen Ge bäude, der Kunstschätze, Alterthümer und historischen Merkwür digkeiten zu berücksichtigen, mit, welchem Formular noch eine Entwickelungsgeschichte der kirchlichen Architektur beigefügt ist. Ganz besonders sollen Nachforschungen dafür angestellt werden, ob sich an einzelnen Orten oder deren Umgebung heidnische Be- gräbnißplätze oder Opferstätten vorfinden, ob darüber handschrift liche oder gedruckte Notizen vorhanden, und ob von den aus- gegrabenen Gegenständen, z. B. von Äschenurnen, Waffen, HauS- geräthen, Handwerkszeugen, Spielsachen, Schmuck, in Stein, Metall, Elfenbein u. s. w., Münzen, Asche, Menschen- und Thierknochen irgendwo Ueberrcste existiren. (D. A. Z.) Aus Brieg, im Canton Wallis, wird unterm 30. Juli, Mittags 1 Uhr, geschrieben: „Zu dieser Stunde ist man hier noch in der größten Besorgniß, hauptsächlich wegen der gerin gen Entfernung von Visp. Dort hat das Erdbeben am stärk sten gewüthet und dauert noch immer fort. Es bietet einen trau rigen Anblick, denn die meisten Häuser sind in Trümmer oder stark beschädigt. Jeden Augenblick stürzt wieder etwas zusam men. Todesstille herrscht im Orte, denn keine lebende Seele be findet sich in demselben, außer dem Wirth und einem Knecht; alles Volk und Vieh logirt entfernt auf einer Matte oder auf Stroh. Die Erschütterungen dauern beständig fort, und ost ver gehen keine 5 Minuten ruhig. Man hört ein immerwährendes unterirdisches Tosen, von Zeit zu Zeit durch einen dumpfen Knall unterbrochen, deren einige so lauten, als wenn man eine» 24 Pfänder unter der Erde losgebrannt hätte. An vielen Orte« hat sich die Erde gespalten, und was am meisten Besorgniß erregt, in Kellern, Magazinen und auf offener Straße öffnen sich Quellen und sprudeln oft armsdick. Die Erde wird immer loser und man befürchtet eine starke Senkung der Ortschaft, wenn nicht gar ein gänzliches Einsenken. Letzte Nacht nach Mitter nacht ward die Erschütterung wieder sehr bedeutend; es wurde auf offenem Felde Gemeinde gehalten und beschlossen, die Stätte zu verlassen, umsomehr, als ein Befehl der Regierung in die sem Sinne angelangt war. Heute ist die Straße mit Wagen bedeckt, die Habseligkeiten bringen. Die Communication ist nicht unterbrochen, und die Post geht ihren regelmäßigen Gang. Die sen Vormittag soll wieder eine starke Erschütterung stattgehabt haben, welche jedoch hier nur ganz leise verspürt wurde." London, 6. August. Wie die „Times" meldet, wird die Königin sich am 18. d. M. zu Dover nach Frankreich etnschiffen. Ein Geschwader, bestehend aus dem „Neptune" (120 Kanonen, Viceadmiral Cochrane), dem „Saint George"(120), dem„Sans- paretl" (70), dem „Malacca" (17), dem „Inflexible" (7), der