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Freiberger Anzeiger und Tageblatt. Erscheint jeden Wochentag früb S Ubr. Preis vierteljährlich 15 Ngr. - Inserate werden an den Wochentagen nur bis Nachmittags Z Uhr, .. für die nachsterscheinende Nummer angenommen und die gespaltene Zeile mit S Pfennigen berechnet. , ' ' ' --MMU'V - - ' - : / - ——' > '.>', ^.^^2-, ^89. Mittwoch, -ev 18. August 185Äi lleber Kleidermoden und ihren Wechsel. Eine der interessantesten Erscheinungen auf dem Gebiete des Menschenlebens sind die Moden und ihre Abwechslungen. Wenn ihre Beschaffenheit uns auch ost wenig befriedigt, wenn sie uns sogar bisweilen zurückstoßen, sie hören darum nicht auf, anziehende Gegenstände unserer Betrachtung zu sein. Sie be zeichnen den Geist und den Geschmack der Menschen und liefern mit Urkunden zur Geschichte der Völker, ihrer Sitten und ihrer Cultur. Keine Zeit ist in den Moden so veränderlich gewesen, als die letzivergangene, und keine Nation so erfinderisch in den Veränderungen, als die französische. Es verlohnt sich wohl der Mühe, den Ursachen dieser Erscheinung nachzugehen. Früher hatten die Völker ihre Nationaltrachten, und viele Völker, haben sie noch heutigen Tages. Fast alle asiatischen Völker gehen wie ihre Väter und Mütter vor vielen Hundert Jahren gegangen sind. Stoff, Farbe und Schnitt Ler Klei dungen bleiben unverändert und die Urenkel tragen die Festklei der ihrer Urgroßältern mit demselben Wohlgefallen, als wenn sie neu wären. Auch in Europa giebt es noch Völker, die ihre Nationaltrachten haben. Der Russe und der Pole, der Ungar und der Schotte geben ungern ihre Kleidungen auf. Haben wir doch noch ganz in der Nähe ein Völkchen, dem die Mode nicht viel anzuhaben vermag. Mit großer Mühe dringt sie in die Hütten des Altenburger Ländchens ein. Ihre Sprache ha ben die Altenburger Wenden aufgegeben, ihre Kleider hat man ihnen lassen müssen. Auch Lie Franzosen hatten einst ihre Na tionaltrachten. Was hat aber die Mode in Frankreich so ver änderlich gemacht? Man wird sich wundern, wenn man hört, daß der loyale Sinn der Franzosen, ihre Anhänglichkeit an König und Königthum die Veranlassung zu der Veränderlich keit der Kleidermoden gegeben hat, eine Erscheinung, von wel cher jetzt die Reisenden nichts mehr finden wollen, obschon die Folgen, die Veränderung der Kleidermoden, in ununterbrochener Herrschaft fortdauern. Frankreich besteht aus verschiedenen Provinzen, in welchen bekanntlich die größte Mannichfaltigkeit von Volksstämmen, Sprachen und Sitten sich findet. Man sollte kaum glauben, daß der gelassene Picarde und der extravagante Gascogner, der ernste Normann und der lebhafte Marseiller demselben Könige gehorchten. Doch hat vor Jahrhunderten das königliche Haupt alle diese Nationen zu gewinnen" und zu unbedingter Ergebung in den königlichen Willen zu begeistern gewußt. Es ist eine der glücklichsten Unternehmungen der ehemaligen Könige von Frankreich, daß sie die Hingebung für das königliche Haus zu einer Ehrensache für das Volk zu machen wußten. Die Hin gebung ging so weit, daß der Adel in den Provinzen und der vornehmere Bürgerstand seine Nationaltracht aufgab und die Farbe des Königs annahm. Farbe und Schnitt der Kleider ward die des Hofes. So verschwand nach und> nach aus den Schlössern und aus den Städten die Nationaltracht, und die Hofkleidung verbreitete sich über ganz Frankreich. Man hätte denken sollen, dem Hofe mache diese Wahrneh mung Vergnügen. Anfangs war eS wohl auch der Fall. Nach und nach aber mochte er doch dm Wunsch haben, sich durch irgend Etwas vor dem Volke auSzuzeichnen ^nd änderte bald mehr, bald weniger merkbar wesentliche Theile der Klei, Lung ab. Auch machte das Bedürftn'ß manche Abänderung nothwendig. Aber so wie die Veränderungen am Hofe erfolgt waren, gingen sie in die Provinz) und was früher eine dem Fürsten erwiesene Aufmerksamkeit und Huldigung gewesen war, ward nun Sache der Gewohnheit oder der Eitelkeit. Jndeß läßt sich nicht leugnen, daß bei vielen Veränderungen der Mode die frühere Ursache fortdauerte. Man nahm sie an, weil man dem Hofe ein Compliment machen wollte. Darum nannte man solche Leute auch höflich. Sie hatten die Manieren und die Kleidung des Hofes. Die lächerlichsten Dinge sind auf diese Weise in die Mode gekommen, aus keinem andern Grunde, als weil sie an dem Hofe getragen wurden. Karl IX. hatte einen schlecht aussehenden Hals. Damals aber trugen «och alle Männer, wie heute die Griechen, den Hals bloß. Was that er? Er wand zierlich ein Tuch um seinen Hals, um das Uebel zu verdecken. Die Männer mit den schönsten Hälsen machten es ihm nach und brachten den männlichen Theil der europäi schen Bevölkerung nach und nach um das Glück, den Hals, so sehr es die Gesundheit zu wünschen scheint, frei zu tragen. Die Deklamationen Rousseaü's, Basedow's, Faust's rc. suchten vergebens die Natur in ihre Rechte einzusetzen. Wir leiden noch imwer an den Folgen dieser französischen Loyalität. Philipp der Gute verlor frühzeitig sein Haar. Sein Leibarzt rieth ihm, als sein Haar ausging, eine Perücke zu tragen, und suchte überhaupt darzuthun, daß das Tragen einer Perücke, weil der Kopf in einer gleichmäßigen Erwärmung bliebe, erstaunlich heil» sam wäre und daß dadurch alle Haupterkältungen nnd allr