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Freiberger Anzeiger Tageblatt. Erscheint jeden Wochentag früh 9 Uhr. Preis vierteljährlich 15 Ngr. — Inserate werden an den Wochentagen nur bis Nachmittag« 3 Uhr! " - . für die nächsterscheinende Nummer angenommen und die gespaltene Zeile mit 5 Pfennigen berechnet. 186. Sonnabend, den IL. August . .1855. > . — ... . Mittheilungen aus deüi Gebiete der Natur, der Menschheit, der Völker und ihrer Cultur. IV. Acr Mmsch, srink Spracht, seine früheste Lebensdauer- Hier treten uns zuvörderst drei Fragen entgegen, die jeder Gebildete sich vorlegt, der sein Denken und sein Urtheilen aus Glaubensgründen an eine nicht allzu kurze Kette gelegt hat. Diese Fragen sind: wann, wie und wo*) trat der Mensch zuerst in's Dasein? Die Denker auf dem Gebiete der Theolo gie, der Physiologie, der Geologie und Geschichte haben sich bis quf diesen Tag mehr oder minder lebhaft mit ihnen be schäftigt: die freieste Bewegung auf diesem Gebiete zeigen die Deutschen, am befangensten sind die Engländer, gewissermaßen die Mitte zwischen beiden halten die Franzosen. Was nun die erste dieser Fragen anbetrifft, so mag Folgendes hier Platz fin den. Daß die Erdschö,pfung in ihrem ganzen Umfange und in ihrer ganzen Eigenthümlichkeit vollendet sein mußte, bevor der Mensch in's Leben trat, ja in's Leben treten konnte, dafür sprechen vor Allem physikalische und anthropologische Gründe, d. h. solche Gründe, die aus dem Wesen der Natur und des Menschen hergeleitet sind, abgesehen von den mythisch - religiösen Ueberlieferungen vieler Völker, insbesondere der Juden in der mosaischen Urkunde. Der Mensch, der erste Anfänger eines sittlich-geistigen Lebens, ward und ist die Krone der Erd schöpfung: er ist das Edelste, was die Erde zu tragen und zu erziehen vermag. Sie mußte daher ihren Entstehungs- und wesentlichen Bildungsact abgeschlossen haben, bevor dieses We sen auf ihr die Laufbahn seines Lebens betreten konnte. Und die Geschichte der Erde (die Geologie) hat bis jetzt noch keinen beglaubigten Beweis zu führen vermocht, daß dieselbe, als sie die Zeit ihrer Revolutionsprozeffe durchlief, die zu ihrer festen Organisation erforderlich waren, bereits den Menschen auf ih rer Oberfläche getragen und desseü edleres Geschlecht gleich der Thierwelt in den Untergang gezogen habe: denn alle Funde an Fossilien oder antidiluvianischen Menschenknochen, die man von Zeit zu Zeit gemacht zu haben glaubte, sind nach genauern *) Seitdem der Engländer Pritchard namentlich die beiden letzteren Fragen vor etwas länger als 20 Jahren mit großer Sach- kenntniß und Ausführlichkeit behandelt hat, ist eine bedeutende Zahl von deutschen und französischen Schriften über dieses Thema erschienen. Untersuchungen jedesmal als Täuschungen oder als Erscheinun gen erkannt worden, welche bereits der Geschichte angehörten. An die Frage, wann der Mensch entstanden sei, reiht sich aber die ungleich schwierigere an, wie der Mensch in's Dasein gerufen worden. Und der Historiker als solcher kann am aller wenigsten die Hoffnung hegen oder die Berechtigung in An spruch nehmen wollen, diese Frage durch seine Wissenschaft be antwortet zu sehen. Denn als Klio (die Muse der Geschichte) zu ihrer Einleitung in die Geschichte der Menschheit dm Griffel führte, da schrieb sie in hieroglyphischen Geheimnissen, und nach ihrer Vollendung übergab sie den Schlüssel dazu dem Zeus mit der Mahnung: händige ihn nie Einem der Sterbli chen aus, damit sie nimmer vergessen, daß sie dein Werk nach . deinem Bilde und nicht durch sich selbst sind. Und alle andern Götter, welche der Glaube oder die Phantasie der Menschen an seine Stelle gesetzt hat, sind bis jetzt unerbittlich geblieben. Auch muß in der That zugestanden werden, daß die Art und Weise der Entstehung des Menschengeschlechtes für unS zur Zett noch ein Geheimniß ist und es möglicherweise immer bleiben wird. Wir glauben aber dessenohngeachtet, daß der menschliche Forschungstrieb und Scharfsinn der Untersuchung dieser Frage nicht ausweichen dürfe: die Frage selbst führt nicht über dm Markstein der Schöpfung hinaus. Die Sagen, die sich über diesen Punkt bei einzelnen Völkern finden, verweisen uns auf die Erde als die Mutter die Menschen, nicht aber auf eine Ent wickelung aus der Thierwelt. Die hebräische Urkunde, die übri gens in keiner Beziehung über den semitisch-asiatischen Ge sichtskreis hinausgeht, unterscheidet sich nur dadurch aber in würdiger? Weise von den Traditionen anderer Völker, daß sse den Schöpfer der übrigen Welt mit dem Acte der Menschenent- stehung in unmittelbare Verbindung bringt: seine eigene Hand schafft ihn, sein Odem belebt ihn, sein Ebenbild kennzeichnet ihn. Indem der Mensch durch diese Annahme eine Weihe er hält, die seines Wesens, wie seiner Bestimmung würdig ist, und ihn über alle übrigen Thiergattungen erhebt, scheint auch der Schluß gezogen werden zu können, daß sie ziemlich späte» Ursprungs sei: jene Annahme setzt ein bereits stark entwickeltes Bewußtsein von der Würde und höheren Bestimmung des Menschen voraus. ... Die dritte Frage, w o trat der Mensch in's Leben? oder was im Wesentlichen dasselbe ist: stammt das Menschengeschlecht von einem Elternpaare, von einer Race ab oder nicht? darf