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Freiberger Anzeiger * Tageblatt. . r Erscheint jeden Wochentag früh 9 Uhr. Preis vierteljährlich 15 Ngr. — Inserate werden an den Wochentagen nur bis Nachmittags Z Uhr für die nächsterscheinende Nummer angenommen und die gespaltene Zeile mit 5 Pfennigen berechnet. ert. )urch- ezeich- ument amen r, urg. mpfcn üdrcn mii- rau. hlum- Igizcn abrcn cr zu- T arl Tbeil- i zur Ted- cigen- b die Blu- c von h ge- >'.zen, echcn. und enden twe scn. „ 177. Oesterreich und die Westmächte. In den jüngsten Tagen ist aus den weiland Wiener Frie- denöconferenzen, deren Verhandlungen mit sorglicher Aengstlich- keit geheim gehalten wurden, von England und Oesterreich Alles ausgeplaudert worden. Das englische Cabinet hat Lem Parlamente die geheimen Berichte seines Wiener Conferenz-Ge- sandten vorgelegt und heute kann man die ganze Geschichte be reits schwarz auf weiß lesen. Auch Oesterreich, welches nun die Freundschaft Deutschlands wieder angelegentlich sucht, hat den deutschen Regierungen die Conferenz-Actenstücke zugesendet, um mit zärtlicher Fürsorge sie über das Verhandelte genau zu un terrichten. Zwischen Oesterreich und den Westmächten ist jetzt eine ziemliche Spannung eingetreten; da sich nun klar herausstellt, daß Oesterreich Rußland nichts zu Leide thun will, und wenn Oesterreich den Westmächten immer noch seine Freundschaft ver sichert, so scheinen die Seemächte davon nicht viel zu halten. Wenn sich die Leute zanken, so erfährt man die Wahrheit, sagt ein altes Sprüchwort. Diesen Satz kann man auch auf die Politiker anwenden. Im gewöhnlichen Lauf der Dinge, wenn zwischen den betreffenden Regierungen leidliche Einigkeit herrscht, hüllen die Lenker der Staaten ihr Thun und ihre Po litik in den Schleier des Geheimnisses, denn die aufbrausende Leidenschaft des Publicums könnte sich unangenehme Urtheile erlauben, wohl gar die zarten Fäden der Verhandlungen zer reißen und das Fertigen Les beabsichtigten Gewebes hindern, wie dies besonders in England der Fall ist. Das Geheimniß der politischen Verhandlungen wird so lange bewahrt, so lange man noch Aussicht hat, das erstrebte Ziel zu erreichen. Sobald aber diese Aussicht schwindet, sobald man sieht, daß der Freund und Bundesgenosse auf den beabsichtigten Plan nach langem Umgehen des Breies nicht eingehen will, wenn man schließlich nach ärgerlichen Täuschungen gewahr wird, daß man sich hat überlisten lassen, dann hört auf einmal die höfliche Zurückhal tung auf, und da das Geheimniß keinen Nutzen mehr hat, so hört mit einem Male die Verschwiegenheit auf. „Mit dem Gürtel, mit dem Schleier reißt der schöne Wahn entzwei." Von nun an beginnt der Diplomat an die öffentliche Meinung zu appelliren, wie es jetzt Herr Laurentius Hannibal Fischer thut, der früher der öffentlichen Meinung Hohn gesprochen hat^ von nun an überliefern die Archive ihre geheimnißvollen Schätze 1855. den indiskreten Zeitungen, und man kann in unserer Zeit mit einem wahren Gaudium die Geheimnisse der Staatenlenker meist schon nach drei Monaten nach der Verhandlung lesen, waS früher 100 — 200 Jahre dauerte. Die Herren Diplomaten, wollen nun vor dem Publicum ihre Hände in Unschuld wa--. schen, und die Schuld wird weidlich allein auf den Gegner ge schoben. Die konstitutionellen Minister lassen die geheimen „Blaubücher" erscheinen und stehen parlamentarischen Inter pellationen mit großem Vergnügen Rede und Antwort. Das verhüllende Gewand Ler jungfräulichen Konferenzen wird wie auf Verabredung zu gleicher Zeit von dem Bilde zu Sais von allen Tempelwächtern auf einmal herabgezogen, und wer Lust hat, kann sein Auge daran weiden. Man kann ziemlich sicher als Regel hinstellen: wenn Pro tokolle diplomatischer Verhandlungen veröffentlicht werden, so sind die Verhandlungen gescheitert; wenn Regierungen ihre Noten und Depeschen drucken lassen, so stehen sie in gespannten Verhältnissen zu denen, an welche sie gerichtet waren. Wenden wir diese Regel auf Len gegenwärtigen Fall an, so ergiebt sich, daß es mit Ler Allianz zwischen Oesterreich unl> den Westmächten vorüber ist und daß der Vertrag vom 2. De- cember, der seiner Zeit in Preußen und dem übrigen Deutsch land nicht geringes Aufsehen machte, zu Essig geworden ist. Die diplomatischen Aktenstücke, welche auf den Tisch des engli»- schen Parlaments niedergelegt sind, sind zum Theil eines sol^ chen pikanten Inhalts, daß sie niemals das Licht der Oeffentlich- keit erblickt haben würden, wenn man in Paris und London noch die Hoffnung hegte, das Wiener Cabinet für eine Coalition gegen Rußland zu gewinnen. Man ruft gewiß nicht in alle Welt hinaus, Jemand sei seinem Versprechen untreu geworden, wenn man noch glaubt, diesen Jemand zu vermögen, sein Ver sprechen zu halten. Das ist gegenwärtig von England gegen Oesterreich geschehen. Lord Clarendon hat drucken lassen: „Wenn Oesterreich nicht in Erfüllung seiner eingegangmen Verpflichtungen selbst am Kriege theilnimmt, so muß die Ursache entweder darin liegen, daß es die Ausführung deS Vertrags vom 2. Decbr. unbequem findet, oder darin, daß seine Verbündeten wegen Abbruchs der Verhandlungen zu tadeln sind. Ueber die erste UMHe, welche zu unwahr scheinlich ist, um sie glauben zu können, ist es unnöthig, eine Bemerkung zu machen; gegen die zweite aber erlaube ich mir auf das Allerschärfste Verwahrung einzulegen re." Mittwoch, den I. August