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Freiberger Anzeiger Tageblatt. Erscheint jeden Wochentag früh S Uhr. Preis vierteljährlich 15 Ngr. - Inserate werden an den Wochentagen nur bis Nachmittag« 3 Uhr 1 - für L^nSchsterschcinende Nummer angenommen und die gespaltene Zeile mit S Pfennigen berechnet. 176. Dienstag, den 31. Juli 1855. Tages^eschichte. s Saida, 24. Juli. Der gestrige Tag war für unsere Stadt ein ebenso seltener, wie erhebender und freudiger. Der Saidaer Zweigverein zur Gustav-Adolph-Stiftung beging näm lich seine Jahresversammlung in festlicher Weise. Schon im vorigen Jahre beabsichtigten die Vorsteher des hiesigen Zweig vereins eine ähnliche Festlichkeit zu veranstalten, allein die un erwartete und traurige Nachricht von dem plötzlichen Dahin scheiden des höchstseligen Königs machte zunächst einen Aufschub dieser Festlichkeit nothwendig und dann kam man auch überhaupt dahin überein, in diesem Jahre von einer derartigen Festlichkeit gänzlich abzusehen. — Doch in diesem Jahre faßte man von Neuem den Entschluß, zur tieferen Begründung und immer größeren Belebung des Vereins eine öffentliche Feier zu veran stalten. Dies geschah nun gestern in folgender Weise: früh von 4—5 Uhr wurde das Fest mit allen Glocken feierlich ein- gelauten. Um 8 Uhr wurde abermals getauten, und während dieser Zeit versammelten sich sämmtliche Festtheilnehmer im hiesigen, Schlosse und beziehendlich auf dem Schloßplatze. Ge gen 9 Uhr stellte sich der Zug auf und bewegte sich unter dem Erschallen des Liedes: „Ein' feste Burg ist re." von dem Ver sammlungsorte aus in folgender Ordnung nach der, Lem Zwecke entsprechend festlich geschmückten Kirche zu. Voran gingen zwei Marschälle, ihnen folgten: die erwachsenen Jungfrauen, die Lehrer, die Geistlichen, die Königl. Gerichtsbeamteten, die übri gen Königl. Beamteten, der Stadtrath, die Stadtverordneten, die Gemeinderäthe und Mitglieder der Localvereine aus den sämmtlichen zum Zweigverein gehörenden Ortschaften, die Musik, die Innungen und den Schluß bildeten die übrigen Festtheilneh mer, welche sich dem Zuge noch anschlossen. Beim Gottesdienst selbst wurden zuerst Vers 1—3 aus dem 500. Lied des Frei berger Gesangbuchs gesungen, und nach dem Verlesen einer Bibelstelle stimmte der hiesige Gesangverein in Gemeinschaft mit den Lehrern aus den zu dem Zweigverein gehörenden Ort schaften die Motette an: Hoch in den Wolken thront der Herr re. Darauf folgten als Hauptlied die drei ersten Verse aus dem Liede: Ein' feste Burg ist re. und hierauf betrat Herr Pastor Terne aus Neuhausen die Kanzel. Er legte seiner Festbetrach tung die Textesworte zum Grunde: Siehe, ich komme bald. Halte was du hast, daß Niemand deine Krone nehme. (Off. Joh. 3,4.) In schlichter und einfacher, dabei aber durchdrin gender und erhebender Weise zeigte der beredte Kanzelredner, wie . uns diese Worte zunächst sagen, a) was wir sollen — bewahre die Krone des Evangeliums, des evangelischen Glaubens! b) was wir können — wir können die Krone des evangelischen Glaubens uns und namentlich andern zerstreut lebendm, bedrängten Glau» bensbrüdern dadurch erhalten, daß wir für sie beten und ihnen Gaben der Liebe spenden, die Gott durch Christum, das einzige Oberhaupt unsrer Kirche, segnen wird, wie er die 5 Brode und ein wenig Fischlein im Evangelium segnete, daß Tausende davon gesättigt wurden, und wie auch aus dem Schicksal der Gustav-Adolph Stiftung bis jetzt -schon der. Segen GotteS sicht bar zu erkennen ist, und c) was wir wollen — wir wollen unS selbst die Krone des evangelischen Glaubens durch jeglichen Kampf zu erhalten suchen, und unsern Glaubensbrüdern, mit denen wir gern das leibliche Brod theilen, auch zu dem Him melsbrode des Evangeliums behilflich sein. Nach Beendigung der Predigt folgte der Gesang des 4. Verses aus dem bereits angefangenen 500. Liede und hierauf las der Vorstand des Vereins, der Herr Pastor aus Dorf chemnitz, einen Bericht über das ganze bisherige Leben des Zweigvereins vor. Es ergab sich daraus in der Hauptsache Folgendes: Der Zweigverein zu Saida, besteht seit dem Jahre 1853 aus der Stadt Saida, den Parochien Neuhausen, Seifen, Neudorf, Oberneuschönberg, Pfaffroda, Dörnthal, Dorfchemnitz, Clausnitz und Kämmerswalde und die Summe der milden Beiträge war im ersten Vereinsjahre 135, im zweiten aber 137 Thlr.; wie groß die Summe der Beiträge in diesem Vereins- jahre sein wird, ist bis jetzt noch nicht bestimmt anzugeben; doch zeigt ein kurzer Ueberblick, daß sie hinter den früheren nicht zu- rückstehen, sondern sich, trotz Ler großen Armuth der hiesigen Gegend, immer noch bedeutend vermehrt habsn wird. Ueber- haupt konnte man bei dieser Feierlichkeit, so wie namentlich auch bei der Einsammlung der diesjährigen Beiträge ersehen, daß namentlich die Aermeren und Armen es sind, die ihren Glauben am liebsten haben, und gern und willig ein Scherffein mit beitragen, um bedrängten Glaubensgenossen das größte Kleinod der Erde, den evangelischen Glauben mit zu erhalten. Mancher Arme, der wohl kaum selbst das tägliche Brod hat, legte gern und willig seinen Neugroschen oder Fünfpfennigeic auf dem Altäre der christlichen Liebe nieder und bekannte freudig r „Es ist zwar wenig, doch unser Herr Jesus hat selbst gesagt, daß Lei ihm das Scherflein der Wittwe einen größeren Werth