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984 Wirkung'der neuen Patkerien, welche Lie Alliirten mit so vieler Mühe errichten, derÄtig^ sein wird, daß die dadurch verursach ten Beschädigungen nicht vor dem Sturm, von dem die Entschei dung deS Feldzuges abhängt, reparirt werden können. Wenn diese Erwartung sich abermals täuschen sollte, so würde die Be lagerung, wenn sie überhaupt fortgesetzt würde, sich sehr in die Länge ziehen, denn man müßte der Artillerie und dem Genie dann lange Zeit gönnen, um den Erfolg einigermaßen sicher zu- fiellen." London, 1. August. Wenn Rußland durch englische Er findungen besiegt werden kann, dann hat seine Todesstunde ge schlagen. Es vergeht kein Tag, an dem nicht die eine oder an dere Kriegserfindung angekündigt, ausposaunt, patentirt, appro- klrt oder aüSgelacht wird. Ein Secretär Lord Panmure's hat von Morgens bis Abends zu thun, um nur alle die vielen Ge nie« zu empfangen, dir mit ihren Erfindungen im Vorzimmer des Kriegsministers warten. Es ist kaum möglich, alle diese Vorschläge einer genauen wissenschaftlichen Prüfung zu unter ziehen, und doch ist dafür eine besondere Commission eingesetzt. Diese berichtet nun günstig über ein neues, vom Capitän Dis ney erdachtes Wurfgeschoß, das so zerstörend wirken soll, wie die modernen Kriegsgötter nur wünschen können. Gewöhnliche Hohlkugeln werden außer der gewöhnlichen Pulverladung, die in einem Blechcylinder eingeschlossen bleibt, in dem Raume, der zwischen letzterem und der Kugelwand übrig ist, mit einem neuerfundenen flüssigen Stoffe gefüllt, der sich entzündet, sowie er in Berührung mit atmosphärischer Luft geräth, Alles was in sein Bereich kommt, in Flammen steckt, und durch Wasser nicht bewältigt werden kann. Diese Geschosse werden aus den BelagerungS- und Feldgeschützen geschossen; ein Zünder bringt das Pulver im Cylinder zum Erplodireu, die Kugel platzt in gewünschter Entfernung, und die flüssige brennende Materie ver brennt Alles, Menschen, Häuser, Schiffe, die ihr in den Weg kommen. Die Proben, die man gestern mit dieser furchtbaren Waffe anstellte, sollen sehr befriedigend ausgefallen sein. Capi tän Disney will außerdem eine andere Füllung erfunden haben, die, in ähnlicher Weise gegen den Feind geschossen, ein ganzes Bataillon Russen blind machen würde. Doch konnte diese Lie benswürdigkeit nns augenscheinlichen Gründen noch nicht prak tisch erprobt werden. London, 1. August. Es war gestern ein festlicher Tag für Portsmouth. Das riesige Linienschiff „Marlborough" nämlich, das größte aller bis auf den heutigen Tag gebauten Kriegsschiffe, ward in Gegenwart der Königin und einer Zuschauermenge, die sich trotz Les vom Himmel strömenden Regens eingefunden hatte, vom Stapel gelassen. Der „Marlborough" ist 245 Fuß lang, seine größte Breite beträgt 61 Fuß, sein Tonnengehalt 4000 Ton nen. Kurz nach 11 Uhr kündigten Kanonensalven die Ankunft der Königin, des Prinzen Albert und der königl. Familie an. Ihre Mafestät vollzog die Ceremonie der Taufe des Schiffes: um ungefähr halb 1 Uhr ward das Zeichen gegeben, den „Marl borough" vom Stapel zu lassen, und die ungeheuere Masse setzte sich nach dem Wasser zu in Bewegung. Anfangs ging Alles gut; aber ungefähr auf halbem Wege gerieth der Koloß ins Stocken, und alle Bemühungen, ihn weiter zu schieben, waren lange umsonst. Bis um Mitternacht saß daS Ungethüm halb im Wasser, halb auf dem Lande, und erst um jene späte Stunde gelang es den vereinten Änstvengnngrn von 4000 rüstigen Ar men, es zum Schwimmen zu bringen. Db ihm auf dieser er sten Reise Wunden geschlagen worden sind, die schon jetzt eine Reparatur nöthig machen werden, muß sich bald zeigen. AuS der Krim. Die „Milit. Ztg." schreibt: Die Be lagerungsarbeiten sind, was die Annäherung an die Centralba stion und an die Malakoffwerke betrifft, so weit gediehen, daß die Alliirten nur noch zunächst der großen Bai von Sebastopol, als am äußersten linken Flügel der russischen Vertheidigungs- linie, eine ähnliche Thätigkeit zu entwickeln hätten, um sofort zum Bombardement zu schreiten. Aus den neu getroffenen Dis positionen des Generals Pelissier ist ersichtlich, daß man die russische Flotte sowohl aNS den Batterien an der nordwestlichen Spitze der Quarantänebucht, als auch aus den Redouten vom Sapunberge zu beschießen gedenkt, um sie zum Anlegen unter halb des Katharinenforts zu zwingen und mit Bombenwürfen zu gefährden, denn nur auf diese Weise kann die rechte Flanke des französischen Belagerungscorps gegen die verheerende Wir kung des Feuers der russischen Schiffe sichergestellt werden. Die Times hat folgende Berichte aus dem Lager vor Sebastopol, 15. Juli. Heute ward ein heftiges Feuer zwi schen dem Malakowthurm und den vorgeschobenen französischen Batterien gewechselt. Gestern Nacht machten die Russen vom Malakowthurm aus einen Angriff auf die französischen Linien. Es geschah dies um 10 Uhr Abends und der Kampf dauerte beinahe eine Stunde. Er endigte, wie gewöhnlich, damit, daß die Russen zurückgeschlagen wurden und sich in ihre Werke zu rückzogen, nachdem sie die Arbeicen der Franzosen mehr oder weniger aufgehalten hatten. Der Verlust der Franzosen an Kampfunfähigen belief sich nach ihrer eigenen Aussage auf 2 Offiziere und 30 Mann. Nach Dauer und Ausdehnung des Kampfes jedoch zu urtheilen, muß er weit bedeutender gewesen sein. Die Franzosen haben ihre Werke bis nahe an die Ver haue des Malakowthurms vorgeschoben, und ihre Entfernung von der russischen Position ist so gering, daß sie dieselbe mit einem Steinwurf erreichen können. Die Verhaue werden als ein wahrhaft furchtbares Hinderniß geschildert. Sie bestehen aus Eichen- und Buchenstämmen aus den Waldungen der Krim und find über 6 Fuß hoch. Ohne Zweifel wird man versuchen, sie aus der Ferne zu zerstören, ehe man zu einem I neuen Sturme schreitet. Man sieht die Russen noch immer an I dieser Position arbeiten, die, wie jetzt allgemein anerkannt wird, I den Schlüssel von Sebastopol bildet. Sie sind in letzter Zeit! auch mit Ausbesserung des Sägewerks beschäftigt gewesen, wel- s ches durch das ununterbrochene Feuer der englischen Batterien k stark gelitten hat. In der vorigen Nacht fand außerdem ein k gegen den linken Flügel der Franzosen gerichteter kleiner Aus- A fall statt. So lange das Feuer dauerte, war es heftig; allein die ganze Sache war schnell vorüber. Man fühlt, daß gegen d diesen Theil der Position nichts unternommen werden wird und I daß die Malakowbefestigungen den wahren Angriffspunkt bilden 8 werden. Sind sie genommen, so läßt sich das Sägewerk nicht mehr halten, und in Bezug auf die Uebergabe der Südseite der ' Festung handelt es sich dann blos noch darum, ob dieselbe ein Paar,'Wochen früher oder später erfolgen wird.