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Freiberger Anzeiger Tageblatt. Erscheint jeden Wochentag früh 9 Uhr. Preis vierteljährlich 15 Ngr. — Inserate werden an den Wochentagen nur bis Nachmittag« ZsUhr für die nächsterscheinende Nummer angenommen und die gespaltene Zeile mit 5 Pfennigen berechnet. , 155 1855. Sonnabend, den 7. Juli Der Prinzenraub. 1455 — 1855! - (Schluß.) Trotz der dringenden Abmahnungen seiner Gemahlin Mar garethe (Tochter eines Herzogs von Oesterreich), die durch schwere Träume und mancherlei „Anzeichen" Vorahnung des kommenden Unglücks gehabt haben soll, trat doch der Kurfürst am Morgen des 6. Juli mit einem großen Gefolge seine Reise nach Leipzig an; die Aufsicht über die beiden Prinzen (Ernst, geb. 1441, und Albert, geb. 1443 — also 14 und 12 Jahr alt) war ihrem Hofmeister, dem Grafen von Barby, an's Herz gelegt. Kunz hatte auch nichts versäumt. Schon war in der Leine (einem großen, eine Stunde von Altenburg beginnenden Walde) die Räuberschaar versammelt; es waren 37 Reiter und 10 Fußknechte. Kunzens getreuer Reißiger, Johann Schweinitz, trug schon am Abend des 7. Juli die „Steigleitern" heimlich ins Schloß zu Hans Schwalbe und blieb daselbst versteckt. Des Kanzlers Fest war eben im besten Zuge, Graf Barby aber aller Sorgen um das Schloß und seine Prinzen glücklich ledig geworden; der alte Asmus hatte sich auch willig „ein schläfern" lassen und der kranke Thorhüter seufzte auf seinem Lager, befahl des Thores Hut allen Heiligen an. Um die 11. Nachtstunde rückte Kunz heran; Schweinitz und Schwalbe hat ten neben der Küche an einem „hohen" Fenster die Steiglei tern befestigt. Kunz mit zehn Begleitern glomm bald über den Fels und die niedrigen Mauern der Burg, und so stiegen sie denn nun unverweilt auf der Leiter ins Schloß hinein. Hier konnten sie mit Ruhe ihr Werk aussühren. Kunz dachte im Nothfalle an einen schnelleren Rückzug, befestigte darum eine zweite bereitliegende Holzleiter an ein tiefer gelegenes Fenster, schloß sodann der Kurfürstin und ihrer Hofdamen Schlafzim mer durch „Anwürflinge" und öffnete der Prinzen Schlafge mach gewaltsam „durch syne künste." Außer Ernst und Albrecht schliefen in dem Zimmer noch eine alte Kammerfrau und ein Spielgefährte der Prinzen, der junge Graf von Barby, des ge wissenlosen Hofmeisters Sohn. Als Kunz in das stille Gemach tritt, erwacht Ernst von dem Geräusch und erkennt den gefürch teten Feind des Vaters. Aengsilich ruft er darum der Kam merfrau zu: „ O Buhle, Buhle (Liebste ), Kunz von Kauffun- gen ist da und will uns erwürgen!" Mit gezücktem Schwerte und drohenden Wortes weiß Kunz sich endlich Ruhe zu ver schaffen, hebt den älteren Ernst aus dem Bette und eilt mit . ihm von dannen; Wilhelm von Mosen folgt mit dem anderen. Aber siehe, als sie an dem indeß geöffneten Schloßthore Zusam mentreffen, ist's nicht Prinz Albrecht, den Mosen ergriffen, son dern der junge Barby. Sollte das Werk nur halb gelingen? Kunz dringt noch^ einmal ins Schloß ein, nachdem er Mosen mit Ernst vorausgesendet; den jungen Barby führt er zurück, zieht den unter das Bett gekrochenen Albrecht hervor und geht mit ihm über den Schloßhof. Die unterdeß erwachte unglück liche Mutter, Margarethe, rief flehentlich durch's Fenster herab um Erbarmen; aber umsonst. Kunz eilte mit seinem Raube und seinen Räubern in die finstere Nacht hinaus. Die Frauenzimmer erhoben natürlich nun im Schlosse einen entsetzlichen Lärm, sie sprengten eine Thür und liefe« jammernd hinab nach der Stadt. Wie mögen da des Kanz lers fröhliche Gäste emporgefahren sein! Nun holten die Hof herren wenigstens die versäumte Pflicht nach Kräften nach. Nach allen Richtungen hin sprengten Ritter und Reißige, auf die Fliehenden zu fahnden; Boten flogen von Ort zu Ort, ein allgemeines Stürmen der Glocken anzubefehlen und Leute auf zubieten, daß alle Wege und Stege in Eile besetzt würden, den Räubern den Weg zu verlegen. An den Kurfürsten war eben falls sofort ein Eilbote nach Leipzig entsandt worden und bald heulten die Sturmglocken bis an die böhmischen Gebirge hin.*) Die Räuber waren vorher schon in kluger Berechnung überein gekommen/ auf verschiedenen Wegen ihre Flucht zu be werkstelligen, damit, weckn ja der eine Theil gefangen genom men werden sollte, doch der andere seine Beute in Sicherheit bringen und sie bis zur Loslassung Aller als Pfand innebehal ten könnte. So war denn Kunz zunächst wiederum dem Lei nenwalde zugesprenzt; hier entließ er den größten Theil seiner Schaar und setzte, blos von sieben Reitern begleitet, worunter sein getreuer Schweinitz, seine eilige Flucht fort. Vielleicht wen dete er sich zunächst nach Wolkenburg, ging dort über die Mulde, wechselte auf seinem Stammschlosse Kauffungen die Pferde und jagte dann in die dichten Rabensteiner Wälder hinein, an welche sich Wald an Wald schloß bis hinauf nach Böhmen, seinem Ziele. Nun war keine Gefahr mehr und an scheinend das Werk schon gelungen. Der junge Prinz Albrecht *) Die braven Männer in Geier droben trieben s so eifrig, daß ihnen darob ihre beste Glocke zersprang.