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<695 Wollenhaar mit Harzklümpchen zusammen und bestreuen es dicht mit rothem Ocher, wodurch es zu einem, dem Wetter un durchdringlichen Dache wird, ähnlich dem Harzpanzer unserer ehemaligen wilden Schweine. Im Innern dieses Daches ent wickelt sich das selbstständige Leben einer Jnsektenwelt. Um nun diesem Mikrokosmos den Lebensunterhalt abzuschneiden, theils aber auch, um sich ein anderes Ansehn zu geben, rasiren die Neger und Nordamerikaner, sowie auch manche Südseevölker, den Kopf ganz oder theilweise. Bemerkenswerth ist es, daß nur die Männer ihr Kopfhaar rasiren oder verschneiden. Die Frauen aller Nationen, aller Zonen, lassen dasselbe stehen, pflegen es sorgsam, flechten es in lange Zöpfe und betrachten es als einen wesentlichen Theil des schönsten Schmuckes. Die Kopfbedeckung der Männer nun bietet eine sehr große Mannigfaltigkeit in Bezug auf Stoff, Gestalt und Farbe dar, und dient als Unterscheidungszeichen der Völker und Stände. Der Hut der chinesischen Landleute besteht aus einer, in eine viereckige Spitze auslaufendcn, runden Scheibe, die aus Mais- blättern gefertigt und mit einem Netzwerk aus gespaltenen Bam busrohr überzogen ist. Dieser Hut bildet ein dem Sonnenstrahl wie dem Regen gleich vortrefflich widerstehendes Dach, welches sich außerdem durch seine Leichtigkeit und Billigkeit empfiehlt. Die chinesischen Schiffsleute tragen einen Hut, der aus feinen Wurzeln dicht geflochten ist und weniger Umfang hat. Der Stroh Hut findet sich in Deutschland schon im 10. Jahrhundert als Tracht des Landmannes und Fischers und sein Hauptsitz der Anfertigung derselben ist seit uralter Zeit unsere Gebirgsgegend zwischen Altenberg und Lockwitz. Seit dem Ende des vorigen Jahrhunderts machten die höheren Stände und zwar zuerst die Damen, den Strohhut zu einem wesent lichen Theile ihrer Sommertracht, wodurch die Strohhutmanu- sactur außerordentlich ausgebildet und auch nach Toskana ver pflanzt wurde. Man nimmt dazu Waizenstroh, das man aus rauft bevor die Saamenkörner gereift sind. Hölzerne Hüte finden wir bei den Bewohnern der Ostküste Asiens und der Nordwestküste Amerikas und auf den zwischen beiden gelegenen Inseln; sie haben fast die Form unserer Damenhiite, sind bunt bemalt und mit Schnitzwerk aus Wallroßzahn, Fäden .aus Wallfischbarden und Glasperlen verziert und erfüllen ihren Hauptzweck: Schutz vor den blendenden Schneemaffen, ganz gut. Die Jmirathiner im Kaukasuslande bedecken ihren Kopf mit einer etwa einen Fuß im Durchmesser haltenden Tuchscheibe, die meist sehr zierlich gestickt ist; die Tscherk essen mit einer kleinen halbkugelförmigen Mütze aus buntem, mit Gold oder Silber besetzten Tuche, von welchem ringsumher ein dichter Besatz von fußlangem, schwarzen Ziegenhaar herabhängt, der Ohren und Nacken deckt, über der Stirn aber cingeschlagen wird. Die Perser tragen seit alter Zeit die bekannten spitzen Mützen aus schwarzen Lämmerfellen; die höher« Stände Chi nas zeichnen sich Lurch kleine, aus Seide oder Sammet gefer tigte, reich mit Gold gestickte und einer seidenen Quaste verzierte Mützen aus; an der Seite ist durch einen farbigen Knopf der Rang des Trägers angedeutet. Die unbeschreibliche Mannig- . faltigkeit der Turbans in Arabien, Aegypten, den nordafri kanischen Staaten und dem türkischen Reiche will ich nur flüch tig erwähnen. Wenden wir uns nach Europa, so finden wir zunächst im russischen Reiche im Süden die komische Kosakenmütze; »le Weißruffen tragen weiße, randlose, kegelförmige Hüte auS Filz; die Großrussen dagegen würfelförmige Pelzmützen, die wir auch in Polen als Nationaltracht finden. Dit Nordrussen bedecke« dagegen ihr Haupt mit dem schwarzen, breiträndrigen, nitdri- gen Filzhut. In Deutschland war der Strohhut die älteste Kopf bedeckung des Landmanns, während die höhern Stände seit den Kreuzzügen offenbar dem Orient entlehnte turbanartige, bunte oder auch allerlei kronenartige Mützen trugen, die bek festlichen Gelegenheiten mit Kränzen und künstlichen oder na türlichen Blumen vertauscht wurden. Die frühesten Spure« des eigentlichen Hutes finden sich im 16. Jahrhundert bei unS und sie deuten auf Spanien und Venedig. Diese ältesten Hüte waren vorzugsweise aus schwarzem Sammet, mit goldenen Ketten und Schnuren, sowie mit Federn vom Strauß und Reiher verziert. Der runde Hut mit breiter oder schmaler Krempe erscheint erst zu Anfänge des 17. Jahrhunderts vor- 1 zugsweise als Tracht der vornehmen Städter und seit dieser Zeit begann seine weitere Ausbildung, die Gellert in seiner . j Geschichte vom Hute, eben so vortrefflich als wahr geschildert hat. Seitdem machte jeder Stand seine Umgestaltungsversuche mit dem Hute und es entstand der Schachthut des Bergmanns, der breiträndrige Hut des Hüttenarbeiters, der Hut des Abbate und Pilgers, des Matrosen, sowie des Landfuhrmanns. Ja, er drängte sich sogar in die Heere ein, wo bis dahin der Helm sich behauptet, hatte, der allerdings eine unendliche Ausbildung, hatte durchmachen müssen. Ich erinnere nur an die verschiedene« Formen, die derselbe bei den alten Aegyptern, Babyloniern, Griechen und Römern, den Persern und Chinesen, den Mittel europäern, von dem kegelförmigen, ursprünglich kaukasischem Helm, bis zu den Kübelhelmen des 14. und den geschlossenen Helmen des 15. und 16. Jahrhunderts chatte. Seitdem hat sich für jede Truppengattung eine eigne Art Kopfbedeckung gebildet. Die dreieckigen und aufgeschlagenen Hüte der republikanische« französischen Armee, die Blechmiitzen der russischen und die Bärmützen der französischen Garde und Grenadiere, die viel gestaltigen Tschako's, Husaren- und Uhlanenmützen, bis zu den Lederhelmen des preußischen Heeres zeigen uns die große Sorg falt, die man aus die Ausbildung dieses wesentlichen TheileS der kriegerischen Ausrüstung verwendet hat. Welche Verwandlungen übrigens unser Filzhut allein erlebt hat, das hat der alte Gellert in seiner poetischen Er zählung vom „Hute" so köstlich gezeichnet; möge sich Mr Leser nur den zweiten Theil seiner Geschichte selbst bilden; Stoff bietet die Gegenwart genug dar. sbc.