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Freiberger Anzeiger und . . - Tageblatt. Erscheint jeden Wochentag früh S Uhr. Preis vierteljährlich 15 Ngr. — Inserate werden an de» Wochentagen nur Li« Nachmittag« 3 Uhr' für die nächsterscheinende Nummer angenommen und die gespaltene Zeile mit 5 Pfennigen berechnet. 103. Sonnabend den 8. Mai 1855. Tharandt-Freiberger Eisenbahn-Angelegenheit. Freiberg, 28. April. Unsere Eisenb ahnangelegen- heit hat bereits eine Geschichte von 20 Jahren hinter sich; und wenn der Aufwand an Zeit und Kraft dem Erfolg entsprechen sollte, ein Wunsch den mit uns gewiß Tausende theilen, so wären an unsere Eisenbahn nicht blos die schönsten Hoffnungen zu knüpfen, sondern ihr Gesammtresultat müßte in der That ein höchst erfreuliches sein. Wenn nun aber auch anfänglich in gewissen Kreisen der hiesigen Bürgerschaft nicht diejenige An hänglichkeit an den Plan, eine Eisenbahn nach Freiberg zu führen sich kund gab, wie zu wünschen war, so lag dies in der damaligen Neuheit der ganzen Sache und hat sich dies" in der jüngsten Zeit gar sehr geändert, um so mehr als die Ueberzeu- gung, daß die Interessen der Stadt mit denen des Bergbaues aufs innigste verbunden seien, eine immer tiefere und allgemei nere geworden ist. Darum ist aber auch der Vorwurf, den man jüngst in diesem Blatte zu lesen Gelegenheit hatte, daß ein gewisser Jndifferentismus gegen die Eisenbahnangelegenheit obwalte, in seiner Allgemeinheit ein durchaus ungerechtfertigter.*) Es lies sich nun erwarten, nachdem insbesondere die hiesigen Grubenvorstände eine energische Petition an das Finanzmini sterium gerichtet, daß auch die hiesige Gemeindebehörde in Ver bindung mit der Stadtverordnetenschaft denselben Schritt thun werde. Es ist dies auch in den jüngsten Tagen geschehen: die Petition befindet sich bereits in den Händen des Ministeriums. Sie liegt vollständig vor uns. Und wir handeln gewiß den Wünschen und dem Interesse der hiesigen Bewohnerschaft sowie eines großen Theiles unseres Erzgebirges gemäß, und erfüllen zugleich eine Pflicht gegen die städtische Behörde, wenn wir sie in ihrer ganzen Ausdehnung veröffentlichen. „Nach Inhalt der mittelst Königl. Decrets vom 17. März *) Gesuche an die Staatsregierung von dem Stadtrathe und resp. Stadtverordneten sind in dieser Angelegenheit abgegangen: am 15. Mai 1844; 10. Juni 1844; 27. August 1844; 11. Januar 1847; 26. Juni 1847; 15. Juni 1848. An Se. Majestät den König am 1. Juli 1845. An die Stände eine Petition am 10. November 1845 und am 23. November 1852. Endlich ging auch noch ein Deputirter des Stadtraths 1853 an die Regierung ab, um mündlich die bereits gethancn Schritte zu unterstützen. Sind das nicht Beweise genug gegen eine an böswillige Verläumdung grenzende Beschuldigung, daß Lauheit und Jndifferentismus gegen die Eisenbahn frage im Kreise des hiesigen Bürgerthums obgewaltct habe? 1855 an die versammelten Stände des Landes gelangten Mit- theilungen und Anträge in Betreff der Albertsbahn und deren Fortführung nach Freiberg hat die hohe Staatsregierung bei Concessionirung der Dresden-Tharandter Eisenbahn auch deren Fortsetzung in westlicher Richtung in's Auge gefaßt, die für eine Freiberger Linie schon seit längerer Zeit betriebenen Vor arbeiten sowohl in Rücksicht auf den mit der Ausführung einer Bahuanlage nach dem hiesigen Orte verbundenen Kostenaufwand, als auf die einschlagenden eigenthümlichen Betriebsverhältnisse einer sorgfältigen Prüfung unterworfen, unter den vorliegenden fünf Bahnprojecten aber jenes, nach welchem die Bahn durch das Weiseritz- und Seerenbachthal geführt werden soll, als dasjenige erkannt, welchem sowohl bezüglich der Füglichkeit der Ausführung als in Hinblick auf den fortlaufenden Auf-, wand für Unterhaltung und Betrieb der Bahn, sowie für Ver zinsung des Anlagekapitals vor den verschiedenen andern Pro» jecten der Vorzug zu geben ist, und auf Grund des Gesammt- ergebniffes der angestellten Ermittelungen zwar Anstand nehmen zu müssen geglaubt, die Ausführung der fraglichen Bahnanlage für Rechnung der Staatskasse der Ständeversammlung anzu empfehlen, wohl aber in der Hoffnung, daß es möglich werden dürfte, eine Eisenbahnverbindung zwischen Freiberg und Tharandt im Anschlusse an die Albertsbahn vielleicht schon im Laufe der begonnenen Finanzperiode durch Privatmittel ins Leben treten zu lassen, den Kammern einen Entwurf eines hierauf bezüg lichen Expropriationsgesetzes vorgelegt und die ständische Zu stimmung zu der gesetzlichen Abtretung des erforderlichen Grund eigenthums für die in Rede stehende Eisenbahn beantragt. So dankbar wir nun auch, als die gesetzlich berufenen Vertreter einer bei der Sache vorzugsweise und nach den ver schiedensten Seiten interessirten Gemeinde, es anzuerkennen haben, daß die hohe Staatsregierung einem Unternehmen, welches schon seit den ersten Anfängen der sächsischen Eisenbahngeschichte, leider aber bisher immer noch ohne Glück und günstige Erfolge, an- gestrebt wird, Ihre unausgesetzte Fürsorge erhalten und neuer dings in der im Eingänge erwähnten Decretsbeilage dessen thunlichstc Förderung durch im Verwaltungswege ausführbare und an sich räthliche Zugeständnisse in Aussicht gestellt hatx so muß es uns doch mit banger Besorgniß erfüllen, daß die Tharandt-Freiberger Bahn heute noch hinter alle auf Erhal tung und Belebung des Linienverkehrs berechnete, auf Staats kosten auszusührende Bahnprojecte, selbst hinter das erst aus