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Wagen schnell verlassend, versetzte ihm einen Dolchstoß in den Rücken. Ein Polizeiagent, nach Andern ein Militär, soll ihn an der Wange verwundet haben. Letzteres sehend — fügt man hinzu, — trat der Kaiser lebhaft dazwischen und wehrte weitere Tätlichkeiten mit den Worten ab: „Tödtet den Elenden nicht!" — Der „Constitutionel" meldet: Auf der rechten Seite der Hauptallee, fast an der Ecke der Straße Balzac, sah man einen Mann von der Seitenallee her auf den Kaiser zugehen. Er hatte die rechte Hand in der innern Tasche seines Paletots, als ob er eine Bittschrift hervorziehen wollte, um sie dem Kaiser zu überreichen. Er war anständig gekleidet, anscheinend 35 Jahre alt, und sein Gesicht ließ einen Italiener in ihm ver- muthen. Mit einem doppelläufigen Pistol, von der Länge einer Sattelpistole, bewaffnet, feuerte er zweimal mit kurzer Zwischen pause. Der Kaiser warf ihm zwischen dem ersten und zweiten Schüsse einen Blick tiefer Verachtung zu, wies grüßend die Personen ab, die auf ihn losstürzten, um sich zu überzeugen, ob er unversehrt sei, und ritt der Kaiserin nach, deren Kutsche einen gewissen Vorsprung hatte. Inzwischen war ein dem Kaiser beigegebener Agent beim Knalle des ersten Schusses auf den Mörder losgestürzt, den er, als derselbe gerade den zweiten Schuß abfeuerte, packte und niederwarf, wobei er ihn anschei nend mit seinem Dolche verwundete, was das irrige Gerücht veranlaßt haben mag, der Mörder habe sich entleiben wollen. Dieser hatte gar keinen Dolch; aber man fand bei ihm einen Revolver, den zu gebrauchen er keine Zeit hatte. Von Stadt sergeanten umringt, welche die Neugierigen fern hielten, brachte man ihn zum Posten an der Sternbarriöre, wo er durchsucht wurde. Seine Papiere stellen heraus, daß er ein Römer, Na mens Liverani, ist und in London, wohin er, nach Roms Einnahme durch die Franzosen, auswanderte, zum Protestan tismus übertrat. Er trug unter seinem Oberrocke einen zwei ten, an Schnitt und Farbe gänzlich verschiedenen, so daß er, hätte man ihn nicht sofort verhaftet, sich leicht unkenntlich ma chen und in der Menge verlieren konnte. In einer Miethkutsche wurde er geknebelt nach der Polizeipräfectur abgeführt; man mußte aber unterwegs Halt machen, um seine Wunde zu ver binden. Liverani hatte 100 Fr. in Gold bei sich; das große Doppelpistol, dessen er sich bediente, ist eine Waffe von Werth, und vielleicht ist es ihrer Länge zuzuschreiben, daß er zweimal sein Ziel verfehlte. Während man den Mörder festnahm, holte der Kaiser, von den Vivats der vielen Fußgänger und Reiter begleitet, die Kaiserin ein und langte bald inmitten einer Art von Triumphgeleit bei den Tuilerien an. — Nach der Patrie ist der Mörder von mittlerer Größe, hat einen schwarzen Bart und eine geistvolle Physiognomie. Er trug ein doppelläufiges Pistol und zwei einläufige. Das erste feuerte er wenige Schritte vom Kaiser ab; als er das zweite abdrücken wollte, hielten ihn zwei nahestehende Blousenmänner fest; das dritte Pistol stack in der Seitentasche seines Paletots. Der Minister Les Innern eilte sofort zum Kaiser in die Tuilerien, von da nach der Po- lizeiprä'fectur, wohin man den Mörder gebracht hatte, um den selben zu verhören. Derselbe soll seinem Stande nach Schuh macher sein und einen neuen Hut aus einer Londoner Fabrik getragen haben. AuS der Krim. Die neuesten Nachrichten find heute in einer Depesche des „T- C. B." aus Paris, vom 1. Mai, enthalten, welche folgendermaßen lautet: Der heutige „Mo niteur" enthält eine Nachricht aus Ler Krim vom 28. April, nach welcher Las Feuer vor Sebastopol suspenLirt worden ist, um Munition zu ersparen, indem Verstärkungen von Konstan tinopel erwartet werden. Wie die „M. Post" unterm 30. April meldet, hatte das Bombardement von Sebastopol nach Len letzten Depeschen Lord Raglan's und General Canrobert's noch keinen solchen Erfolg gehabt, daß ein Sturm gerechtfertigt schien. „Daily News" melden sogar, das Bombardement sei eingestellt und der Sturm aufgegeben. Man habe den Plan, die Streitkräfte im Süden der Stadt, an der Tschernaja, zusammenzuziehen, um den Rus sen im offenen Felde eine Schlacht zu liefern. — Der „Köln. Ztg." wird unterm 29. April aus Paris gemeldet: Gestern hat die Regierung eine Depesche aus Seba stopol bekommen, die in einer Zeit von sechs Stunden die weite Strecke zurücklezte. Dieselbe enthielt blos die Woite: Kien äe nouveau. Die neuesten Nachrichten aus der Klim sind un günstig. Alles, was wir über diesen Gegenstand hören, be stätigt es. Die Kanonen sind abgenutzt, ohne daß irgend ein Fortschritt constatirt werden könnte. Leuittelon. * Die Eröffnung der Pariser Jnd'ustrie-A ns stell» ng soll zwar auf den 1. Mai festgesetzt bleiben, da aber ein ganz fer tiges Arrangement bis dahin nicht zu treffen ist, so wird nach Ler Eröffnung wahrscheinlich sofort wieder ein Schluß der Ausstellung auf ein oder zwei Wochen cintreten müssen, um die Aufstellungen zu vollenden. * Vor einiger Zeit starb in London ein gewisser Rogestone, der in zehn Jahren 150,000 Pfd. Sterling im eigentlichsten Sinne des Wortes verspeist hatte und wahre Kreuz- und Q-uerzüge durch ganz Europa machte, um seinen gastronomischen Gelüsten zu genügen, sich dabei eine Schaar Köche hieb, die sich durch irgend ein Gericht aus- zeichneten, die hervorragendsten Genies ihrer Kunst. Im Jahre 184S entführte er aus Petersburg dem Fürsten Potcmkin seinen Mundkoch. Er hatte Agenten in China, Mexico und Canada, wie in allen Län dern Europa's, um ihm die kostbarsten Leckerbissen zukommen zu lassen. Nicht selten bezahlte er ein Gericht mit 50 Guineen. Ein Nebenbuhler des Apicius, war er nur weiser als der römische Gast ronom; denn er sagte der Welt Valet, als er sein Kindestheil ver speist hatte, als ihm nichts mehr übrig geblieben war als eine Guinee, ein Hemd und ein abgenutzter Hut. Am 15. März kaufte er sich für seine letzte Guinee eine Schnepfe, die er nach allen Regeln der Kunst zubereiten ließ. Mit Lem ganzen Genuß der höchsten Ekstase des Wohlschmcckens verzehrte er seine Schnepfe, schwelgte zwei Stun den in dem Genuß und stürzte sich dann von der Wcstminsterbrücke in die Themse. Noch hätte er gerettet werden können, wenn nicht zufällig zwei Personen gewettet hätten, ob er ertrinken oder nicht er trinken würde. Wie es seit undenklichen Zeiten Gebrauch, machten die Rettungsboote keine Anstalt, dem Ertrinkenden zu Hilfe zu kom men, um die Wette nicht zu stören.