Volltext Seite (XML)
Nr. 90/1917 PAPIER-ZEITUNG 1855 Gegenstände, welche bisher auf Grund der durch Artikel I aufge hobenen Bstimmung von der Beschlagnahme ausgenommer waren, ist nur mit Zustimmung der Kriegs-Rohstoff-Abteilung des Königlich Preußischen Kriegsministeriums erlaubt. III. Diese Verordnung tritt am 6. November 1917 in Kraft. Zellstoff-Beschlagnahme Sie haben auf Ersuchen des K- Kriegsministeriums in Ihrer Nr. 85 zur Kenntnis gebracht, daß 1. alle vorhandenen und zukünftig hergestellten oder eingeführten Mengen von Zellstoff beschlagnahmt sind, 2. daß die Beschlagnahme zur Wirkung hat, daß die Vornahme von Veränderungen verboten ist und rechtsgeschäftliche Verfügungen über Zellstoff nichtig sind, 3. daß trotz der Beschlagnahme die Veräußerung und Lieferung vonZellstoff gegen einen Bezugsschein der Zellstoff-Verteilungs stelle in Charlottenburg gestattet ist, und daß bis zum 1. De zember 1917 die Veräußerung und Lieferung von Zellstoff auch ohne Bezugsschein erlaubt ist, usw. Welche Folgen hat diese Beschlagnahme für uns Händler ? 1. Darf der Zellstoff, den ich vor dem 1. Dezember sowohl in Deutschland wie im Ausland gekauft habe, von mir nicht innerhalb Deutschlands weiter verkauft, von mir also auch nicht an Firmen in Deutschland geliefeit werden? 2. Kann ich auch nach dem 1. Dezember Zellstoff sowohl in Deutschland wie im Ausland kaufen und den Stoff vom Ausland nach Deutschland einführen (falls ich Einfuhrerlaubnis erhale), darf ich den Zellstoff also auch noch nach dem 1. Dezember an Firmen in Deutschland verkaufen und liefern? Verkaufsbüro für Zellstoff Wir sind zwar nicht befugt, die Verordnungen des Kriegs ministeriums zu deuten, meinep jedoch zur Frage 1, daß jeder Weiter verkauf von Stoff nach dem 1. Dezember die Genehmigung der Ver- teilungsstclle erhalten müsse. Zu 2 sind wir dagegen der Ansicht, daß Zellstoff wohl aus dem Ausland eingeführt, jedoch nur mit der er wähnten Genehmigung weiterverkauft werden darf. Maßgebende Auskunft dürfte von der Zellstoff-Verteilungsstelle oder vom Papier macher-Kriegsausschuß erhältlich sein, Beschlagnahme als Vorwand für Nichtlieferung Eine Papierfabrik, bei der ich 10 000 kg grau Packpapier nach einliegendem Muster bestellt habe, Schreibt mir: ,,Infolge der am Montag erfolgten Beschlagnahme des Zellstoffs sind wir nicht in der Lnge, Ihren Auftrag auf 10 000 kg Zellschrenzpapier auszuführen. 26. Oktober 1917.” Kann die Fabrik mit dieser Begründung die Ausführung des übernommenen Auftrages ablehnen ? Sie hat den Auftrag zu einem Preis übernommen, der inzwischen überholt ist, und das dürfte der Hauptgrund für die Weigerung sein. Die Beschlagnahme bedeutet doch nicht, daß die Fabriken den Zellstoff abzuliefern haben! An dem Muster werden Sie sehen, daß in diesem geringen Papier nur wenig Zellstoff enthalten ist, es besteht wohl mehr aus Abfallzellstoff und Papierabfällen. Welche Schritte empfehlen Sie mir, um die Fabrik zur Lieferung zu zwingen? Ich will nicht auf die Ausführung meines Auftrages verzichten, kann dies auch schon aus dem Grunde nicht, weil ich bereits einen Tei! davon verkauft habe. Großhändler Die Fabrik hat unseres Erachtens kein Recht, wegen der am 18. Oktober erfolgten Beschlagnahme der Zellstöffe die Lieferung von 10 000 kg grau Schrenzpapier zu verweigern. Wie wir von zu ständiger Stelle erfahren, haben nämlich alle Fabriken die Möglich keit, sich mit Zellstoff zu versehen. Deutscher Zellstoff sei noch zur Genüge vorhanden, und ausländischer ungebleichter Zellstoff werde augenblicklich in großen Mengen nach Deutschland eingeführt. Das vorliegende Papier enthält übrigens keinen marktfähigen Zellstoff, ist vielmehr aus Altpapierstoff mit etwas Stoff aus Zellstoffabfällen hergestellt. Fragesteller kann sich beschwerdeführend an den Papiermacher- 'Kriegsausschuß, Charlottenburg, Joachimsthaler Str. 1, wenden. Auch die Reichskommission zur Sicherstellung des Papierbedarfs, Berlin SW 68, Alexandrinenstraße 110, dürfte sich des Falles an nehmen, wenn sich Fragesteller an sie wendet. Natron-Zellstoff-Fabrikation nach dem Ungerer- Verfahren im Großbetrieb Das Ungerer-Ve fahren ist ein Sättigungsverfahren, bei welchem durch eine Anzahl in Verbindung stehender Kocher die Kochlauge von Kocher zu Köcher in beständiger Bewegung dem frisch einge- tragenen Holz derart entgegengedrückt wird, daß die bereits mit gelösten Inkrusten angereicherte Lauge aus dem frisch eingetragenen Holze die leichter lösbaren Inkrusten auf nimmt, während die nach gedrückte, wirksamere Lauge in den vorhergehenden Kocherfüllungen die schwerer löslichen Inkrusten und die Farbstoffe in Lösung nimmt. Durch dieses systematische Entlangführen der Kochflüssigkeit an der in den Kochern in den verschiedenen Kochstadien befindlichen Kochmasse wird die Flüssigkeit auf das vollkommenste ausgenützt, und der Laugenverbrauch auf das mindeste Maß beschränkt. Der Vorteil dieses Verfahrens ist daher: geringster Soda-(Sulfat-) Kalk- und Kohlenverbrauch bei Erzielung einer ganz vorzüglichen, leinen weißen und geschonten Faser. Das Ungerer-Verfahren wird daher von Praktikern wie Theo retikern als das rationellste, daher billigste Verfahren anerkannt. Während zum. Fortdrücken der zum Kochen der frischen Holz füllung benutzten schwarzen Lauge (Schwarzlauge) dem fast fertigen Zellstoff in dem letzten Stadium der Kochung frische Lauge (Frisch lauge) zugedrückt, diese aber nach beendetem Abdrücken der Schwarz lauge sofort fast gänzlich durch Dampf nach dem nächsten Kocher weitergedrückt wird, befindet sich im fertigen Zellstoff nur wenig gebrauchte Frischlauge. Diese aber wird durch systematisches Aus waschen des fertigen Zellstoffs wiedergewonnen und in Mengen, welche nach ihrer Grädigkeit bestimmt werden, der Frischlauge zugesetzt. Da sich die wenig benutzte Frischlauge aus dem aus dem Kocher genommenen Zellstoff viel leichter und gründlicher auswaschen läßt als Schwarzlauge, so treten damit als Eigentümlichkeit des Ungerer verfahrens die weiteren Vorteile auf: 1. daß die Waschwasser nicht der Schwarzlauge beizumischen sind, sondern als Frischlauge wieder verwendet werden können, 2. daß damit die Schwarzlauge auf die vom Kocher kommende Menge beschränkt bleibt und keine Verdünnung durch Waschwasser erleidet, 3. daß keinerlei schädliche Abwasser auftreten und beseitigt werden müssen. Diese Vorteile sind nicht hoch genug einzuschätzen, denn es folgt: aus L, daß der Soda (Sulfat-) Verlust sehr niedrig ist; aus 2., daß der Kohlenverbrauch für das Eindampfen der Schwarz lauge und Regenerieren der Soda niedriger sein muß als bei jedem anderen Verfahren, da die Schwarzlauge nicht durch Waschwasser verdünnt sondern in der Stärke, wie sie aus dem Kocher kommt, der Verdampfstation zugeführt wird; aus 3., daß keine kostspieligen Vorkehrungen zui Unschädlich machung der Abwasser getroffen werden müssen. Wohl war für die mit Inkrusten hoch angereicherte Schwarz lauge nicht jedes Verdampfverfahren anwendbar, doch hat sich hierfür der von mir konstruierte Scheibenverdampfer, bei welchem auf das Verhalten der während des Verdampfens sich ausscheidenden Inkrusten Bedacht genommen ist, bei einer 24- bis 30 fachen Ver dampfung glänzend bewährt. Daß von gewisser Seite und mit einer unbegreiflichen Beharr lichkeit behauptet wird (siehe Nrn. 9 und 82 der Papier-Zeitung von 1917), daß das Ungerer-Verfahren für den Großbetrieb nicht geeignet sei, ist vielleicht auf den Umstand zurückzuführen, daß der Erfinder Albert Ungerer nicht von den kleinen Kochern abzubringen war und in seiner Schrullenhaftigkeit über die Verwendung größerer Kocher gelegentlich eines Besuches der Stuppacher Zellstoffabrik sich in seiner drastischen, schwäbischen Weise äußerte: „Des ischt mein Sestern nemmer, des ischt mei Sestern verballhorniert." Wer mit den nötigen technischen Kenntnissen unvoreingenommen der Sache nähertritt, muß finden, daß kein anderes System sich besser für den Großbetrieb eignet, als das Ungerer-Verfahren. Allerdings müssen dabei Laugenerhitzer (Dampfkessel) sowie die Zu- und Um leitungsarmatur in dem richtigen Verhältnis zur Größe der Koch apparate angeordnet und darauf Bedacht genommen werden, daß die für die Holzmasse auf je 100 kg Zellstoff erforderliche Laugen menge nicht nur ebenso groß bemessen sein muß wie bei den kleinen Kochern, sondern auch die für die Kochung erforderliche Laugen menge stets unter gleichem Druck, also auch dem Druck entsprechend erhitzt, für die Kochung rechtzeitig zur Verfügung sein muß. ■— Andere Erfordernisse sind beim Ungerer-Verfahren für den Groß betrieb nicht erforderlich. Namentlich die Behauptung; daß wenn beim Ungerer-Verfahren große Kessel zur Anwendung kommen, die Lauge rascher ausgenützt wird, als bei Benützung kleiner Kocher, ist hinfällig. Aus obigem erhellt ohne weiteres, daß beim Großbetrieb nicht nur der Nutzeffekt der Erhitzer günstiger wird, sondern auch die Wärmeverluste pro zentuell viel geringer sind als bei Verwendung kleiner Kocher. Diese Erkenntnis datiert nicht erst von heute, vielmehr hat seit jeher das