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Nr. 85/1917 PAPIER-ZEITUNG 1745 Papier-Spinnerei Verhütung der Schimmelbildung auf Papierwaren und -Geweben Seitdem Papiergarn der wichtigste Ersatzstoff in der Textil industrie geworden ist, sind auch seine Mängel offenkundiger ge worden. Während man es allmählich fertig gebracht hat, die gang barsten groben Nummern einwandfrei rund in gleichmäßiger, guter Arbeit zu spinnen, ja sogar erfolgreich zu feineren Garnen überge gangen ist und sich jetzt an so feine Gespinnste wagt, die man noch vor Jahresfrist für unmöglich erklärt hätte, während man gelernt hat, die Garne und Gewebe zu färben, zu bleichen und schön zu be drucken, und es gelungen ist, auch in der Weberei so ziemlich alle Schwierigkeiten zu überwinden und recht dichte Gewebe z. B. Segel Bild 1 tuch, bunt gestreifte Matratzen Stoffe, sehr schöne Jacquard sachen, Tischdecken, Vorhangstoffe usw. herauszubringen, scheint man bezüglich der Bekämpfung der S chimmelbildung noch nicht über die ersten, tastenden Versuche hinausgekommen zu sein, ja, was noch schlimmer ist, der Ernst dieser großen, den feuchten Garnen drohenden Gefahr ist noch garnicht genü - gend erkannt worden. Man freut sich seiner schönen Erzeug nisse, steckt sie in Kisten, vernagelt diese, und wenn nach einigen Wochen der Empfänger die Sen dung öffnet, schlägt ihm eine Wolke schimmeligen Geruchs ins Gesicht; die Spulen sind mit feinem, mehlartigem Staub überzogen, und das Garn hat an Reißfestigkeit verloren. Dies ist aber nur der Anfang. Nach längerem Lagern, zumal bei ungenügendem Luftzutritt, nimmt das Garn alle möglichen Barben an, vorwiegend gelb, kirschrot, bläulich und grünlich, ja sogar tiefschwarze Pilze treten auf. Zunächst bilden sich in großen Abständen solche bunt gefärbten Stellen, an denen das Garn keine Reißkraft mehr aufweist, dann aber vermehrt sich die Schimmel bildung derart, daß man außer den äußersten Windungen der Kreuz spule kaum noch eine gesunde Stelle im Garn findet. Allein durch die Reibung der Spulen in der Kiste schleißt das Garn hundertfach an den Stirnflächen der Kreuzspulen, wie aus Bild 1 ersichtlich ist. Solche Garne sind nicht einmal mehr als Einschlag zu verwenden, denn sie halten weder das. Spulen noch das Verweben aus. Es dürfte überhaupt keine Verwendungsart für so morsches Garn geben, weil alle die angepriesenen Mittel wohl schimmelverhütend, höchstens noch Schimmelpilz zerstörend wirken, dem Garn aber die Festigkeit nicht wieder verleihen können. Die Gleichgültigkeit vieler Spinner gegenüber diesen heimtückisch zerstörenden Pilzen ist um so unverständlicher, als große, mühsam geschaffene Werte auf diese Weise verloren gehen, während die Papierknappheit größte Sparsamkeit gebietet. Die Schimmelbildung gefährdet aber besonders dann gute Geschäftsverbindungen und führt zu ernsten Streitigkeiten zwischen den Webern und Spinnern, wenn sie erst nach dem Verweben in den gelagerten Stücken in Form buntester Muster so auftritt, daß die Ware, zumal in nassem Zustand jede Reißfestigkeit einbüßt. In diesem Fall ist nichts zu tun, 'als dem Wachstum der Pilze durch scharfes Trocknen der Stücke Einhalt zu gebieten, oder sie durch Desinfektionsflüssigkeiten zu zerstören. Der Vorwurf der Gleichgültigkeit kann dem Spinner mit um so mehr Recht gemacht werden, weil man jetzt für diesen Zweck her vorragend geeignete Desinfektionsmittel zur Verfügung hat. In Seifenwasser getauchte oder damit versponnene Spinnteller dürften auch ohne besonderen Desinfektionszusatz kaum zur Schim melbildung neigen. Seitdem aber Seife für diese Zwecke längst nicht mehr zu haben ist und deren etwaige Verwendung als gewissenlose Verschwendung bezeichnet werden müßte, scheidet dieses Mittel aus, wenngleich es die Eigenschaft des Weichmachens der Garne in erhöhtem Maße besäße. Reine Desinfektionsmittel, die neben ihrer keimtötenden Wirkung nichts weiter bezwecken, sind Formaldehyd, Septoforma und Parol. Formaldehyd hat einen großen Nachteil: es schwängert schon in den geringsten Mengen die Luft der Arbeitsräume derart mit seinem Geruch, daß die Leute über einen eigentümlichen Geschmack im Munde und viel über dauerndes Kopfweh klagen. Zudem braucht man Formaldehyd schon deshalb nicht in den Kreis der Betrachtung zu ziehen, weil Jes schon seit Monaten beschlagnahmt ist. Septoforma, für das die Firma H. Güldenpfennig in Staßfurt den Allein verkauf hat, stellt wohl ein gutes Im prägnierungsmittel ge gen die Schimmel bildung dar, ist aber ebenso wenig wieParol ein den Textilbedürf nissen besonders an gepaßtes Erzeugnis. Parol, das von Dr. F. Raschig in Ludwigshafen a. Rh. hergestellt wird, ist ein hervorragendes Des infektionsmittel, das sogar das Queck silbersalz „Sublimat” an Wirksamkeit über treffen soll und trotz seines hohen Preises von 18 M. das Kilo nicht übermäßig teuer ist, weil schon eine Lösung von einem Tausendstel genügt. Ebenso wie Formaldehyd besitzt aber Parol einen sehr starken, unangenehmen Geruch, der für bessere Papiergarngewebe unerwünscht ist. Da Fette, Oele und Seife vollständig fehlen, das Papiergewebe aber weit brauchbarer wäre, wenn es’größere Geschmeidigkeit besäße, so ist sicherlich dasjenige Präparat am empfehlenswertesten, das Desinfektion und weichmachende Wirkung in sich vereinigt. Das von Dr. Wilhelm Schmid in Stuttgart hergestellte Faberon, dessen Hauptvertrieb in den Händen der Firma Alfred Baumann, Stuttgart, liegt, ist in hervorragendem Maße geeignet, die genannten Uebelstände zu beheben. Es ist einebrauneFlüssigkeit, von der man 12,51 mit 100 1 Wasser mischt. Faberon teilt sich dem Wasser sofort ohne jede Schwierigkeit gleichmäßig mit. Eine Analyse hat ergeben, daß Faberon mindestens 50 v. H. kreosotartigen Stoff enthält, der nicht nur für vollständige Bakterientötung sorgt, sondern auch einen geschmeidigen Faden erzeugen hilft. Man kann Faberon dem Wasser der Befeuchtvorrichtung der Schneidmaschinen zusetzen, kann es in den Pfannen der Spinnmaschi nen verwenden und den Bädern beim Tauchverfahren beimischen, ohne befürchten zu müssen, daß die Metalle der Maschinen ange griffen werden. Es erzeugt höchstens bei längerem Gebrauch auf der Oberfläche der damit in Berührung kommenden Maschinenteile eine schokoladebraune Färbung, die leicht entfernbar ist. Gewiß rechtfertigt allein die Schimm el Verhütung die Mehr ausgabe für ein Desinfektionsmittel; mit Faberon erzielt man aber gleichzeitig neben höchst erwünschter Geschmeidigkeit noch eine Beschwerung des Fadens, wodurch sich die Verwendung dieses Prä parates nicht nur kostenlos gestaltet, sondern sogar noch einen kleinen Gewinn in sich schließt. Nimmt man z. B. an, daß mit 40 v. H. Feuchtigkeit gesponnen wird, so kommen auf 100 kg Papiergarn 40 kg Flüssigkeit. Wenn Bild 2