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Leimschwache Papiere und Kriegstinte Vom Prof. W. Herzberg, Abteilungsvorsteher am Kgl. Material prüfungsamt in Berlin-Lichterfelde-W. Die in den Bestimmungen „über das von den Staatsbehörden zu verwendende Papier” für die - Leimfestigkeit der Normalpapiere enthaltene Vorschrift geht bekanntlich dahin, daß jedes Papier eine seinem Verwendungszweck entsprechende Leimfestigkeit besitzen muß. Die Beurteilung des Einzelfalles ist also bei den den Material prüfungsstellen überwiesenen Aufträgen dem Ermessen derselben überlassen, da es nicht möglich ist, eine für alle vorkommenden Fälle passende genaue Vorschrift über die an die verschiedenen Papier sorten zu stellenden Ansprüche festzulegen. Gewöhnliche Schreib papiere werden im Materialprüfungsamt für ausreichend geleimt angesehen, wenn % mm breite Striche, gezogen mit der Ziehfeder und geschrieben mit nicht zu spitzen Stahlfedern, weder auslaufen noch durchschlagen. Diese Forderung muß im Durchschnitt den Anforderungen, die beim Beschreiben der Papiere im Gebrauch ge stellt werden, entsprechen, denn sonst würden häufig Klagen über nicht zutreffende Beurteilung der Leimung beim Amt eingehen; es ist aber im Laufe der vielen Jahre, seitdem die Beurteilung in geschilderter Weise erfolgt, nur in ganz vereinzelten Fällen v orge- kommen, daß der Verbraucher die Leimung eines Papiers beanstandete, das bei der amtlichen Prüfung als Icimfest begutachtet war, oder daß er als leimschwach beurteilte Proben für einwandfrei leimtest hielt. Die gestellte Forderung ist verhältnismäßig milde und konnte unter normalen Verhältnissen bei einigermaßen sorgfältiger Leimung auch unschwer erfüllt werden. Schwierigkeiten ergaben sich erst, als infolge der durch den Krieg geschaffenen Lage das Harz knapper und teurer wurde und der Fabrikant gezwungen war, mit diesem kostbaren Material sparsam umzugehen, um möglichst lange mit ihm auszukommen. Diese Zwangslage, deren Wirkung sich schon im vergangenen Jahr an verschiedenen Stellen mehr und mehr bemerkbar machte, veranlaßte den Verein Deutscher Papierfabrikanten im November 1915 zu einer Eingabe an das Materialprüfungsamt, in der um Herab setzung der Ansprüche an die Leimfestigkeit gewisser Papiere ge beten wurde. In der Begründung des Antrages heißt es u. a. wie folgt: „Darüber, daß tatsächlich eine empfindliche Harznot be steht, daß viele Fabriken bereits jetzt über Harzvorräte nicht mehr verfügen, daß so gut wie alle Fabriken in kürzerer oder längerer Zeit mit dem Verbrauch ihrer Harzbestände rechnen müssen, und daß die Harzleimung für die besseren und besten Papiere durch Ersatzmittel nur in sehr mangelhafter Weise erfolgen kann, darüber bedarf cs dem Königlichen Mterial- prüfungsamte gegenüber keines Wortes. Die vornehmste Auf gabe des Papierfabrikanten besteht also in der Streckung der Harz- und der Leimv orräte etwa auf die Hälfte oder noch weniger des bisherigen Verbrauchs. Hier handelt es sich also nicht um eine Einführung geringwertigerer Papiersorten, sondern allein um die Aenderung der Papiercigenschaft, die mit Bestimmtheit um so eher eintreten wird, je später wir uns mit der Notwendig keit ihrer Ueberwindung durch Sparsamkeit im Harzverbrauch vertraut machen. Insbesondere gilt dies für die Behördenpapiere der niederen Normalklassen, die nur einseitig mit Tinte beschrieben werden. In diesem Falle, der beispielsweise bei Frachtbriefen zutrifft, würde eine Leimung genügen, die die Tintenschrift auf dem Papiere nicht auslaufcn läßt. Starkes Durchschlagen oder Durch scheinen der Tintenschrift müßte bei der Verwendung dieser Papiere zugelassen werden. Eine noch schwächere Leimung würde dann genügen, wenn solche Papiere gewohnheitsmäßig nur mit Blei oder Tintenstift beschrieben zu werden pflegten. An eine stärkere Anwendung dieser Schriftarten gegenüber der jetzt allgemein üblichen Tintenschrift werden wir uns voraussichtlich, wenn der Krieg noch längere Zeit dauern sollte, doch gewöhnen müssen. Als Nachteil käme hierbei höchstens in Betracht, daß die Kopierfähigkeit der Papiere beeinträchtigt werden würde; die sonstigen Festigkeitswerte der Papiere würden durch die »schwächere Papierleimung nicht beeinträchtigt werden, wie dies durch Versuche des verstorbenen Geheimrats Dr. Hartwig und des Herrn Willi Schacht in Weißenfels nachgewiesen worden ist. Der Uebelstand, daß schwach geleimte Papiere gegen Witterungseinflüsse empfindlicher sind als gut geleimte Papiere, muß unter den gegenwärtigen Verhältnissen eben ertragen werden. Wir geben uns der Hoffnung hin, daß sich das Königliche Materialprüfungsamt diesen Erwägungen nicht verschließen und sein Möglichstes tun wird, um auch die Behörden für diesen Standpunkt zu gewinnen.” Das Amt hat dem Verein darauf erwidert, daß ihm die großen Schwierigkeiten, die der deutschen Papierindustrie durch den Harz mangel erwachsen, wohl bekannt sind und daß es gern bereit ist, nach seinen Kräften dzu beizutragen, daß die der Industrie, aus dieser Notlage erwachsenden Schäden nach Möglichkeit eingeschränkt werden; es wurde zugesagt, daß bis zum Wiedereintritt normaler Verhältnisse bei der Beurteilung der Leimfestigkeit besondere Milde walten und eine Beanstandung nur dann ausgesprochen werden, sollte, wenn die Leimung so schwach ist, d. ß sie dem Verwendungs zweck des Papiers auch bei mildester Auffassung nicht mehr ent spricht; insbesondere sollte darüber hinweggesehen werden, wenn bei einseitig zu beschreibenden Papieren (Frachtbriefpapieren, Briefumschlagpapieren usw.) die Schrift durchschlägt. Um ferner nach Möglichkeit zu verhindern, daß der Papier industrie und dem Handel seitens der Ver räucher selbst, insbeson‘‘ere seitens der Behörden, bei dem mehr und mehr zu erwartenden Auftauchen leimschwacher Papiere unverdiente Schwierigkeiten entständen, fügt das Amt seit etwa Jahresfrist jedem Prüfungszeugnis, das über ein nicht ganz leimfestes, aber noch beschreibbares Papier ausgestellt wird, ein besonder, s Schreiben hinzu, in dem die Antragsteller auf die schwierige Lage der Papier industrie hingewiesen und ebenfalls um milde Beurteilung der I.eimung gebeten werden; in dem Schreiben heißt es u.a.: „Es kann vorkommen, daß beim Beschreiben des unter suchten Papiers die Schrift ab und zu nicht ganz scharfe Ränder ergibt und auch etwas stärker durchscheint, als früher beim Beschreiben von Papier dieser Verwendungsklasse beobachtet worden ist. Erscheinungen dieser Art werden in Zukunft häufiger auftreten, denn die Papierindustrie hat z. Zt. bei der Leimung des Papiers infolge unserer Absperrung vom Welthandel mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen. Papier wird bekanntlich unter Verwendung von Harz leimfest, d. h. tintenfest gemacht. Die Zufuhr von Harz aus Amerika und Frankreich ist uns gänz lich abgeschnitten, und die im Lande noch vorhandenen Vorräte schmelzen merklich zusammen. Um mit ihnen recht lange auszukommen, schränken die Fabriken den Verbrauch an Harz, so weit es angeht, ein, leimen manche Papiersorten überhaupt nicht mehr und andere schwächer als sonst. Bei solchem Haus halten mit den Vorräten wird es gelingen, den Zeitpunkt, von dem ab unsere Papiermacher vollgeleimte Papiere nicht mehr herstellen können, möglichst weit hinauszuschieben. Jeder Papierv erbraucher kann hierbei mitvvirken, wenn er Rücksicht auf die vorhandenen Schwierigkeiten nimmt und über Mängel in der Leimung, die ja die Dauerhaftigkeit des Papiers in keiner Weise beeinflussen, so lange hinwegsieht, bis wieder normale Verhältnisse eingetreten sind. Bis dahin ist größte Rücksicht- nähme der Verbraucher gegenüber den Erzeugern geboten.” Es kann mit Genugtuung gesagt werden, daß nach, den bisher gemachten Erfahrungen diese Ausführungen ihren Zweck erfüllt und dazu beigetragen haben, daß Zurückweisungen leimschwacher Papiere nach Möglichkeit vermieden worden, sind. Der Kreis, inner halb dessen das Amt in dieser Weise wirken kann, ist aber v erhältnis- mäßig klein; er umfaßt vorwiegend Reichs-, Staats- und Gemeinde behörden und nur in geringerem Umfange andere Verbraucher von Papier. Weite Papiere verbrauchende Kreise, wie das große Publikum, Geschäftshäuser, Schulen usw. sind auf diesem Gebiet der direkten Einwirkung des Amtes nur in beschränktem Maße zugänglich, und es entstand daher die Frage, in welcher Weise man hier v orgehen könnte, um Beanstandungen leimschwacher Papiere nach Möglich keit zu verhindern. Das Amt kam zu der Ueberzeugung, daß die Herstellung von Kriegstinte, die sich zum Beschreiben leimschwacher Papiere eignet, am ehesten zum Ziel führen müßte; es wandte sich an 12 bedeutende Tintenfabriken Deutschlands mit einem Rund schreiben, in dem es unter Schilderung der schwierigen Lage der Pa- ort mit der Rundichrift, man schreibt jetzt Kunitschrift! Seeignete Werfe 311m unterricht für Schule und geben sind erschienen im Verlag für SchriftFunde und Schriftunterricht Heintze & Blancert • Berlin