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1554 PAPIER-ZEITUNG Nr. 77/1917 Buchdrucker, entnehmen wir auszugsweise: Die deutsche Papier erzeugung hat sich ungefähr aut die Hälite der Friedenserzeugung verringert. Hiervon nimmt die Heeresverwaltung einen wesentlichen Teil in Anspruch. Dazu kommt das Spinnpapier una das Zeitungs papier. Es bleibt dann nur die Hälite der Erzeugung für allgemeine Zwecke übrig. Erst nach Befriedigung des Staatsbedarts kann Papier für die freien Zwecke des Buchdruckgewerbes übrig bleiben. Wir haben Holz genug im Lande, und es gibt Zellstoffabriken, die ihren Bedarf für 2 Jahre und vielleicht darüber hinaus eingedeckt haben, aber keine, die nur für 2 Monate Kohlen im Hause hätte! Es ist aber nicht möglich, die Kohlenerzeugung in Deutschland wesentlich zu erhö hen und deshalb auch nicht möglich, die Zellstotterzeugung in Deutsch- land wesentlich zu erhöhen. Es ist gelungen, im letzten Monat die Zell stofferzeugung zu erhöhen, aber daraus dürfen wir keineswegs die Hoffnung schöpfen, daß die Verhältnisse auf dem Papiermarkte günstiger werden, denn schon tauchen neue gierige Mäuler auf, die große Mengen fressen wollen. Kürzlich hat im Kriegsministerium eine Rohstoffkommission getagt, um festzustellen, mit wie viel oder wenig Zellstoff gutes Papier herzustellen ist, und führende Fachleute der deutschen Papierfadrikation haben mitgeteilt, daß man mit überraschend geringen Mengen Zellstoff vorzüglich drucktähiges Papier herstellen kann. Für die fehlenden Zellstortmengen geven Holzschliff und Altpapier Ersatz. Soweit irgend angängig, sind den Holzschleifereien Menschen, Filze, Schmiermittel usw. zur Verfügung gestellt worden, um das Höchstmaß der Leistungsfähigkeit zu er reichen. Die Beschlagnahme des Zellstotls bedeutet staatliche Regelung der Zellstoit erteilung. Die Papiertabrikanten haben v or- wiegend die, enigen Papiere erzeugt, welche den höchsten Gewinn ab- werten, z. B. Spinnpapiere nicht nur für den Heeresvedarf, sondern weit darüber hinaus. Jegliche Art von Zellstoff im Deutschen Reich fällt künftig unter die staatliche Bewirtschaftung, auch die Einfuhr aus dem Ausland. Was an Zellstoff nach beiriedigung des heeresbedarfs und des Verwaltungsvedarts bleiot, wird aer neu einzurichtenden Zellstoff Verteilungsstelle überwiesen. Diese hat einen Schlüssel aufzustellen, nach dem der Zellstoif v erteilt werden soll. Es besteht die Absicht, 5—6 Gruppen zu bilden und diesen alluzonatlich eine bestimmte Menge Zeliston zuzuweisen. Es ist lestgesetzt worden, daß Druckpapiere nicht über 100 g/g schwer sein sollen. Das Reichs- amt des inneren und das Kriegs, inisterium sind der Ansicht, daß, nachdem die Zellstoif-Verteilungsstelle den Schlüssel für die Ver teilung festgestellt hat, der versuch gemacht werden sollte, die Unter verteilung durch die Beruisorganisationen vornehmen zu lassen. Gesamttagung des deutschen Papiergroßhandels Der Deutsche Papiergroßhändler-Verband hatte die Papier großhändler Deutschlands, auch soweit sie nicht seine Mitglieder sind, zu einer Tagung nach dem Vereinshaus der deutschen Ingenieure in Berlin für den 15. September eingeladen. Zahlreiche Großhändler sind diesem Rufe gefolgt, außerdem nahm die Hauptv ersammlung des Deutschen Großhändler-Verbandes, die am gleichen Orte am Vormittage stattgeiunden hatte, voll an der Gessamttagung teil. Der große Saal des Ingenieurhauses war gefüllt. Der Vorsitzende des Verbandes, Herr Alexander Flinsch, Berlin, begrüßte und leitete die Versammlung. Er gab einleitend seiner Freude darüber Ausdruck, daß die Schreibwaren-Kleinhändler vor wenigen Tagen in Leipzig eine Einigung ihrer Verbände herbeigeführt und einen Zentralsauschuß der Verbände des Papier- und Schreib waren Kleinhandels gegründet haben. Dadurch werde es möglich sein, in Fragen, die den Kleinhandel und andere Zweige des Papier faches berühren, gemeinsame, bindende Beschlüsse zu fassen und der Regierung in gemeinsamen Fragen des Papierfaches bündige Antworten zu geben. Auch werde es nunmehr leichter sein, den vom Redner schon vor anderthalb Jahren vorgeschlagenen Zentralrat für das gesamte Papierfach zu gründen, der in gemeinsamen Fragen des Faches von den Behörden zu Rate gezogen werden könne. 1. Sicherstellung des Papierbedarfs für den Großhandel Die Reichskommission zur Sicherstellung des Papierbedarfs ist begründet worden aus der gleichen Anzahl von Mitgliedern einer seits des Papiermacher-Kriegsausschusses, andererseits des Reichs ausschusses für Druckgewerbe, Verlag und Papierverarbeitung. Der erstgenannte Ausschuß ist der Kriegsrohstoffabteilung des Kriegs amtes, der letztgenannte dem Reichsamt des Innern angegliedert. Um unparteiische Vermittlung zwischen den Interessen-Gegen sätzen von Papierfabrikanten und Papierverarbeitern zu gewähr leisten, wurde der dem Papiermacher-Kriegsausschuß angehörende Großhändler zum Vorsitzenden der Reichskommission gewählt. Die Reichskommission hat seit einigen Monaten in umfangreicher Tätig keit die Arbeiten geleistet, welche für eine Bestandsaufnahme von Papier notwendig werden, und hat sich mit sämtlichen in das Papier fach schlagenden Fragen befaßt. In ihr werden die Vorkommnisse sowohl im Papiermacher-Kriegsausschuß als im Reichsausschuß verhandelt, und dies ermöglicht, daß sämtliche Fachgruppen an den Beratungen über die Maßnahmen beteiligt sind, welche von den Ausschüssen sowie von deren Sonderausschüssen geplant werden. Diese Arbeiten’sind sehr weitverzweigt und berühren jedes Gebiet der Papiermacherei und der Verarbeitung. Sie betreffen sowohl die Maßnahmen, welche zur Förderung der Papierherstellung getroffen werden, als auch die, welche dazu dienen, durch Einschränkung des Papierverbrauchs den Bedarf sowohl der Behörden als auch der Allgemeinheit sicherzustellen. Die Zeit kurz vor einer Bestandsaufnahme zeitigt stets sonder bare Ergebnisse und Auswüchse, und diesen muß der berufsmäßige Papiergroßhandel mit allen Mitteln entgegentreten. Zwar besteht schon seit längerer Zeit kein Ueberfluß an Zellstoff, jedoch ist zurzeit noch genügend Papier für den wirklich notwendigen Gebrauch vor handen und die Bestandsaufnahme wird voraussichtlich eine Reihe von wohlgefüllten Lägern ergeben. Der umfangreiche Gebrauch von Zellstoff lür Zwecke des Heeres hat die davon für andere Verwendungs zwecke freien Mengen wesentlich hei abgesetzt, infolgedessen muß für besonders umfangreiche Verwendung von Holzschliff gesorgt werden. Ueber die Verwendung von Zellstoff werden demnächst nach Maß gabe der vorhandenen Mengen besondere Verfügungen getroffen werden. Die naheliegende Befürchtung, daß der Großhandel etwa ausgeschaltet werden sollte, besteht zurzeit nicht zu Recht. Die Einrichtung einer Zellstoff-Veiteilungsstelle wird es aber voraus sichtlich mit sich bringen, daß die Vorlegung von Heeresscheinen bei Bestellungen überflüssig wird, da eben Zellstoif nur in dem Maße verteilt werden kann, wie er vorhanden ist. Um die Papierherstellung zu vereinfachen, ist in Aussicht genommen worden, Papier möglichst nur in wenigen Schweren herzustellen. Die Bestandsaufnahme wird nach dem Gewicht in Kilo erfolgen und sich nur auf in großen Zügen zusammengefaßte Gruppen be schränken. Sie wird ergeben, ob die Annahme zutrifft, daß in letzter Zeit die Papierverbraucher große Mengen Papier in Vorrat gekauft haben. Die Aufnahme wird auch vorbearbeitete Papiere umfassen. Nach dem augenblicklichen Stand der Dinge kann angenommen werden, daß keine Beschlagnahme von Papier erfolgen wird. Die eingehenden Ausführungen des Vorsitzenden, die zum Teil vertraulicher Natur waren, wurden mit Beifall und Dank aufge- nommen. Ebenso rand folgende vom Deutschen Papiergroßhändler- Verband vorgeschlagene Entschließung einstimmige Annahme: Der Deutsche Papiergroßhändler-Verband erkennt die mit Rücksicht aut die kriegswirtschaftlichen Verhältnisse, namentlich infolge des Mangels an Itoh- und Heizmaterialien sowie an Arbeits- krätten, gebotenen Maßnahmen zur Sicherstellung des für den Heeres bedarf benötigten Papiers als berechtigt an. Er weist jedoch darauf hin, daß für die Beschaffung von Papieren, die im Interesse des Behördenbedarfs und zur Aufrechterhaltung des Wirtschaftslebens unentbehrlich sind, überwiegend von ihm Sorge getragen wird. Es muß daher unbedingt die Gewähr geschaffen werden, daß der Groß handel auch weiterhin in der Lage ist, auf diesem Gebiete seine volks wirtschaftlich unentbehrliche Tätigkeit auszuüben. Hierzu ist es notwendig, daß dem berufsmäßigen Großhandel die Möglichkeit gegeben wird, Lagerbestellungen den Fabriken bis zu 3000 kg erteilen zu können, ohne daß ein Heeresschein erforderlich ist. Der Groß- handel würde dagegen die Verpflichtung übernehmen, seinerseits nur an solche Abnehmer zu liefern, die den Beweis erbringen, daß ihr Bedarf auch unter Berücksichtigung der augenblicklichen Ver hältnisse als volkswirtschaftlich wichtig anerkannt wird. Sollte es im Interesse einer möglichst sparsamen Bewirtschaftung der zur Verfügung stehenden Rohmaterialien notwendig werden, durch eine Stelle die Aufträge des Papiergroßhandels dahin zu prüfen, ob sie den bisherigen Bezügen entsprechen, so erklärt sich der Deutsche Papiergroßhändler-Verband bereit, die Errichtung einer solchen Stelle zu übernehmen. 2. Angemessener Gewinn, Kriegswucher, Kettenhandel und ihre Bedeutung für den Papiergroßhandel Hierüber hielt der Syndikus des Papiergroßhändler-Verbandes, Herr Dr. Zeitlin, einen sehr sorgfältig ausgearbeiteten, lehrreichen und mit Beifall aufgenommenen Vortrag, dem wir folgende Haupt punkte entnehmen: Die Auffassung der Behörden und Entscheidungen der Gerichte darüber, was als angemessener Gewinn zu betrachten sei, steht in Widerspruch mit der Auffassung von Handel und Gewerbe. Dieser Auffassung haben der Deutsche Handelstag und die Aeltesten der Kaufmannschaft von Berlin Ausdruck verliehen, jedoch haben diese Kundgebungen keinen Wandel erzielt. Der Grundunterschied beider Auffassungen besteht in der Beurteilung der Umstände, die für die Bestimmung des Gewinnes maßgebend sind. Die gesetzlichen Be stimmungen über angemessenen Gewinn und Kriegswucher beziehen sich auf Gegenstände des täglichen Bedarfs. Die Kreise der Gegen stände des täglichen Bedarfes sind von den Behörden und Gerichten immer weiter gezogen worden, so gehören auch die Leckerbissen allen Art und Schaumweine, ebenso auch Seidenstoffe u. dergl. nach der