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Nr. 65/1917 Zur Geschichte des Volksbilderbogens Von Professor Dr. R. Stube Auf der Internationalen Buchgewerbe-Ausstellung zu Leip zig 1914 fand der Besucher in einem Raume der Kulturhalle” Wände, die mit Münchener und Neü-Ruppiner Bilderbogen bedeckt waren. Nicht nur als Erzeugnisse des Druckgewerbes, auch als Bildungs-Urkunden gehörten sie dorthin. Denn der Volksbilderbogen hat eine lange und sehr merkwürdige Geschichte. Heute dient er zur Illustrierung von Texten; Märchen, Erzäh lungen, Gedichte werden hier bildlich veranschaulicht. Das ist nicht das Urprüngliche. Es gab eine Zeit, wo das Bild allein reden mußte, wo ihm die Aufgabe des Erzählens zufiel. So ist es noch heute in Rußland, in Japan, in Südeuropa. Die Zahl der des Lesens nicht Kundigen forderte das Bild als Vermittler. Und diese Anwendung des Bildes ist sehr alt; wir finden das erzählende Bild in den christlichen Katakomben, auf den Grabdenkmälern des Altertums, wie in a’torientalischen Bildwerken. Es geht im letzten Grunde auf die Bilderschrift der Naturvölker zurück. In meinen „Beiträgen zur Entwicklungsgeschichte der Schrift” (Monographien des Deutschen Buchgewerbe-Vereins VI) habe ich diese Bilderschrift und ihr Nachleben bei den Kulturvölkern behandelt. An sie schließt sich auch der Bilderbogen an. Nähere Untersuchungen haben ergeben, daß sehr verschiedene Ent wicklungslinien im Volksbilderbogen zusammenlaufen. Von diesen Linien will ich hier nur eine verfolgen, die in den Neu- Ruppiner Bilderbogen Nr. 202 und Nr. 4105 ausgeht. Ich ver danke der Güte des Verlages Gustav Kühn in Neu-Ruppin die Kenntnis dieser Blätter. Es sind sog. „Himmelsbriefe”, die, wie in allen Kriegen, so auch in diesem eine große Bedeutung haben. 3m llamen des Vaters, des Sohnes und des heil. Geiftes. (m Aimmel, bur beffen unendiiche Onade und Siebe et beschulpet une besdhttat »irr. witd sd inan erbarmeu --e***5e—- He see CWIhil. 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Er fordert vor allem Sonntagsheiligung und schließt daran allgemeine religiös-sitt liche Mahnungen und Verheißung von Glück und Segen. Die Idee einer von einem Gotte gesandten schriftlichen Offenbarung ist uralt; sie findet sich schon im altägyptischen „Totenbuch” (um 3500 v. Chr.). Dem Altertum war sie vertraut, wie uns einzelne Stellen in antiken Schriftstellern bekunden. Sie ist auch auf ganze Bücher angewandt worden: In Gestalt eines Buches empfängt Ezechiel (Kap. 3) seine Offenbarung. Das heilige Buch der juden christlichen Sekte der Elkesaiten war vom Himmel gefallen. Himmelsbriefe-sind die 7 „Sendschreiben” in der „Offenbarung Johannes” (siehe auch Off. Kap. 10). Auch Muhammed denkt seine Offenbarung als stückweise schriftliche Mitteilung des von Ewigkeit her im Himmel vorhandenen „Koran”, den Allah durch einen Engel an den Propheten sendet (Sure 97). Das jüngste Werk dieser Art ist 1830 erschienen: die heilige Schrift der Mor monen. Im Christentum tritt ein merkwürdiger „Himmelsbrief” zuerst im Jahre 584 auf einer der Balearen-Inseln auf, wo ihn der Bischof von der Kanzel verlas' Dieser Brief forderte strenge Innehaltung des Sonntags, für den die alttestamentlichen Sabbat gesetze gelten sollten. Das ist die Urform des Bilderbogens Nr. 202. Dieser Himmelsbrief fand bald in ganz Europa — trotz päpstlichen Verbotes — weite Verbreitung und nahm die verschiedensten Gestalten an. Er ist aus dem Griechischen ins Syrische, Armenische und Arabische und auch in eine afrika nische Sprache, ins Aethiopische, übersetzt worden. Durch das ganze Mittelalter können wir ihn in Frankreich, Spanien, Eng land und Deutschland verfolgen, wo er in drei Gestaltungen auftritt. Ueberall bekämpft ihn die Kirche, z. B. Bonifatius, überall aber dringt er siegreich im Volksglauben durch. Bald nach Erfindung der Buchdruckerkunst finden wir gedruckte Stücke aus Straßburg und Köln (1604). Luther deutet seinen Gebrauch bei „Kriegsknechten” an, und in der .Re formation wird er mehrfach zu einer theologischen Streit schrift. Umgekehrt gibt es auch „Teufelsbriefe”; der älteste vom Jahre 1321 ist die bitterste Schmähschrift gegen Papst und Hierarchie. Mit dem Himmelsbrief aber haben sich ursprünglich selb ständige Urkunden verbunden die bis auf die altgermanischen Zaubersprüche zurückgehen. Sie haben den Zweck gegen Waffen gewalt, Krankheiten, Unfälle jeder Art zu stützen und leichte Entbindung zu erwirken. Das sind die sog. Waffensegen, Wund segen, Blutsegen usw. Wir können eine ganze Reihe solcher „Segen” aus den heute noch gebrauchten Himmelsbriefen ausscheiden und finden sie auch seit dem 16. Jahrhundert als selbständige Stücke. Wer einen Himmelsbrief aufmerksam liest, kann sie leicht daran erkennen, daß ein Hergang als Einleitung erzählt wird. Das ist der Anfang eines ehemals selbständigen „Segens”. In den heute verbreiteten Texten sind diese Stücke öfter arg durcheinander geraten, lassen sich aber mit Sicherheit scheiden. Die Verbindung dieser „Segen” mit dem Himmelsbrief tritt zuerst im „Holsteiner Himmelsbrief” von 1724 hervor, der uns immer wieder begegnet, sobald ein Krieg ausbricht: zuerst 1791, dann 1813, 1864, 1866 1870, zuletzt ist er 1900 dem Kaiser von einem schlesischen Handwerker zum Schutz der nach .China gehenden Truppen zu gesandt worden. Diesen Himmelsbrief gibt der Neu-Ruppiner Bilderbogen Nr. 4105 wieder. Schon die Abbildungen auf dem Bogen — Waffen aller Art —- deuten an, was er besagen will. Eine viel ältere Geschichte hat der Bogen Nr. 202; in ihm lebt der sogenannte „Sonntagsbrief” von 584 n. Ch. fort. k Wir mögen über solche Blätter lächeln und sie als „Aber glauben” betrachten. Während manches Buch aber vergessen ist, hat sich dieses Schriftstück im religiösen Brauch der Menschheit siegreich behauptet. Gerade weil ihn die Kirche nie anerkannt hat, ist er wirksam geblieben. Denn das eingewurzelte Gefühl lebt in der Tiefe; Aberglaube bedeutet Festhalten am Hergebrachten, er lebt von den urmenschlichen Trieben, die als Reste einer urzeitlichen Lebensstufe der Menschheit noch wirksam sind. So ist auch der Himmelsbrief ein Bindeglied zwischen Urzeit und Gegenwart und bekundet den ununterbrochenen Zusammenhang des reli giösen Empfindens. Vor 1300 Jahren ist er im christlichen Europa aufgetaucht; unberührt von allen Wandlungen der Zeiten hat er sich von Geschlecht zu Geschlecht in allen Völkern vererbt und wird nie absterben, solange der Mensch bleibt, was er ist. Das vermag uns der einfache Neu-Ruppiner Bilderbogen zu lehren. Matrizentafeln zur Stereotypie Winkler, Fallert & Cie., Maschinenfabrik in Bern erhielten das DRP 298785 vom 6. April 1914 ab in Kl. 15 1 auf ein Verfahren zur Herstellung von Matrizentateln zur Stereotypie lür Kunstdruck zwecke. Die Matrizenmasse ist eine aul ungeleimten Karton autgetragene Emailschicht y on 1 10 bis 2 10 mm Stärke, welche im wesentlichen aus Porzellanerde, Dextrin, Talkum, Spanisch-Weiß, Reismehl, Roggen mehl, Salicylsäure, Borax und Wasser besteht. Diese Bestandteile