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908 PAPIER-ZEITUNG Nr. 26/1914 Briefkasten Der Frage muß 10-Pf. -Marke beiliegen. Anonyme Anfragen bleiben unberOcksichtigt. Antwort erfolgt ohne Gewähr. Kostenfrei nur, wenn Abdruck ohne Namen gestattet. Zurückziehen eines Auftrages 13156. Frage: Ein Kunde bestellte bei mir sehr eilig einen Posten Ware. Ich erhielt dje Bestellung mit der Abendpost und schrieb sie wegen ihrer Dringlichkeit noch am selben Abend aus, damit sie am nächsten Tag in aller Frühe zur Fabrikation käme. Mittags um 12 Uhr erhielt ich ein Telegramm, in dem die Unter lassung der Anfertigung gefordert wird, mit dem Zusatz „Brief unter wegs". Ich folgte diesem Wunsche und gab gleichzeitig der Hoffnung Ausdruck, daß die brieflich noch zu erwartenden Wünsche meine bereits gegebenen und teilweise schon ausgeführten Verfügungen nicht umstoßen würden. Am nächsten Tag kam der Brief mit der Mitteilung, daß der Auftrag zurückgezogen wäre. Ich hatte an den Kunden ein Muster geschickt, nach dem er bestellt hat. Lediglich weil das Muster eine Herstellungsart aufwies, die der Kunde erst kurz vor Absendung des Telegramms entdeckte, zog er den Auftrag zurück. Die Ware hätte aber ohne Mehrkosten genau nach dem Wunsche des Kunden hergestellt werden können, was ich ihm auch mitteilte. Trotzdem bleibt er beim Zurückziehen seines Auftrages. Ich forderte von ihm 10 M. für bereits in Angriff genommene Ar beiten, er weigert sich aber diese 10 M. zu bezahlen. Muß ich mir die Zurückziehung und den Schaden gefallen lassen oder könnte ich mit Erfolg mein Recht vertreten Rissen ? Die Höhe des Auftrages betrug etwas über 200 M. Antwort: Nach § 130 BGB wird eine Willenserklärung, die einem Abwesenden gegenüber abgegeben wird, in dem Zeit punkte wirksam, in welchem sie ihm zugeht. Sie wird nicht wirksam, wenn ihm vorher oder gleichzeitig ein Widerruf zugeht. Im vorliegenden Falle ist der Widerruf nach Eintreffen des Auftrages beim Fragesteller angekommen, infolgedessen ist der Widerruf nicht gültig, und der Auftrag gilt. Wenn der Kunde den Auftrag im Irrtum abgegeben hat, so kann er ihn anfechten, muß jedoch dem Fragesteller den Schaden ersetzen, der diesem daraus entstand, daß er an die Richtigkeit des Auftrages glaubte. Die Anfechtung ist nur dann wirksam, wenn anzunehmen ist, daß’der Kunde den Auftrag bei Kenntnis der Sachlage und bei verständiger Würdigung des Falles nicht abgegeben hätte (§ 190 BGB). Läßt sich der Auftrag nicht anfechten, so darf Fragesteller vom Kunden Ersatz des Schadens verlangen, den der Fragesteller aus der Zurückziehung des Auftrages hat. Dieser Schaden ist gleich dem Nutzen, den Fragesteller bei Ausführung des Auftrages erzielt hätte. Zur Geschichte des Holzpapiers 13157. Frage: Von welchem Zeitpunkt ab wird Holz zur Her stellung von Druck- und von Schreibpapier verarbeitet ? Antwort: Wie in der Geschichte der Holzschleiferei in Hofmanns Handbuch der Papierfabrikation auf Seite 1233 angegeben ist, wurden die ersten größeren Mengen des' vom Erfinder Keller hergestellten Holzschliffs im Jahre 1845 zu einer Auflage des Frankenberger Kreisblattes verarbeitet. Agenten-Provision 5 13158. Frage: Die Berliner Firma X hat eine Zweignieder lassung in K., welche nicht selbständig bestellen darf, dagegen die Aufträge bearbeitet, die dann dem Stammhause in Berlin zur Unter bringung bei den Fabriken übergeben werden. Wir haben Agenten in Berlin und in K. Ohne daß wir wissen, daß unser Agent in K. etwas zur Sache beitrug, wird uns vom Hause X in Berlin ein Auftrag mit der Verfügung „zur Lieferung nach K." übergeben. Wir sind der Meinung, daß der Agent desjenigen Bezirks die Provision zu erhalten hat, in welchem die bestellende Firma ihren Sitz hat. Nun fordert der Vertreter in K. die Provision mit der Begründung, daß er sich gemeinsam mit der K. er Zweigniederlassung der Firma X um die Sache bemüht hätte. Welcher Agent erhält die Provison von Rechts wegen ? Antwort: Nach § 88 HGB gebührt dem Handlungsagenten Provision für Geschäfte, welche durch seine Tätigkeit zustande kommen. Nach § 89 HGB gebührt dem Handlungsagenten, der für einen bestimmten Bezirk bestellt ist, Provision auch für solche Geschäfte, welche in dem Bezirk ohne seine Mitwirkung für seinen Geschäftsherrn abgeschlossen werden. Im obigen Fall hat der Berliner Vertreter keine Tätigkeit entwickelt, der K.er hat sich dagegen um das Geschäft bemüht. Auch ist das Geschäft nur der Form nach mit dem Berliner Haus, in Wirk lichkeit mit der K. er Niederlassung dieses Hauses zustande gekommen, und da es seit geraumer Zeit auch in der Recht sprechung üblich geworden ist, nicht die Form sondern die Sache als wesentlich anzusehen, so gebührt u. E. in diesem Falle dem K.er und nicht dem Berliner Agenten der anfragenden Papierfabrik die Provision. Abfertigung des gekündigten Handelsgehilfen 13159. Frage : Hat ein Angestellter, der im Februar zum 1. April kündigte, und sofort, da er zu einem Mitbewerber übergehen wollte, mit Auszahlung des Gehalts bis zum 1. April entlassen wurde, das Recht, seine neue Stellung früher anzutreten ? Muß er in diesem Falle das empfangene Gehalt von dem Tage des Eintrittes bis zum 1. April seinem früheren Chef zurückzahlen ? Er wurde ohne Bedin gungen entlassen. Antwort: Fragesteller durfte bei Entlassung des Handlungs gehilfen bedingen, daß dieser denjenigen Teil der Abfindungs summe zurückzahlen muß, den er später durch andere Anstellung verdient. Da aber solche Vereinbarung nicht getroffen wurde, so ist der Handlungsgehilfe nicht verpflichtet, einen Teil der erhaltenen Vergütung zurückzuzahlen. Entlassung des Reisenden 13160. Frage: Dürfen wir einen Reisenden ohne vorherige Kündigung entlassen ? Am 1. Januar stellten wir einen Reisenden ein mit Gehalt und Provision, legten jedoch einen angemessenen Mindestumsatz fest. Wenn dieser nicht erreicht würde, sollte ein bestimmter Provisionssatz in Anrechnung kommen und das Gehalt fortfallen. Nachdem der Reisende im ersten und zweiten Monat nicht den Umsatz erreicht hat und voraussichtlich auch in diesem Monat nicht erreichen wird, wäre uns daran gelegen, den Herrn zum 1. April zu entlassen. Sind wir dazu berechtigt oder könnte uns das Gericht zur Zahlung einer Entschädigung bis 1. Juli verurteilen ? Wie würde die Höhe der Entschädigung berechnet, da der Reisende ein festes Gehalt bisher durch Nichterreichen des Umsatzes nicht erhielt, son dern nur den in diesem Falle zur Anwendung gelangenden Provisions satz ? Auch hat sich der Herr bereits nach anderer Stellung um gesehen und um Erlaubnis gebeten zum 1. aufhören zu dürfen, was ihm zugesagt wurde. Heute sagte er jedoch, daß sich die neue Stelle zerschlagen hat. Antwort: Fragesteller sind nicht berechtigt, den Reisenden ohne Kündigung zu entlassen, müssen ihm vielmehr zum 1. Juli gesetzmäßig kündigen. Bei sofortiger Entlassung hat der Reisende Anspruch auf Entschädigung in Höhe des Betrages, den er den Umständen nach wahrscheinlich durch Provision erzielt hätte. Wenn er nach der Entlassung vor Ablauf der Kündigungsfrist eine andere Stelle erhält, so kann der dort verdiente Betrag von der Entschädigungssumme abgezogen werden. Wer soll den Eid leisten? 13161. Frage: Wir haben einen Streitfall mit einem Auftrag geber über Etiketten. Er bestellte 1000 Etiketten in Schwarzdruck zu 5 M. und bestellte später telephonisch: „Grün- und Rotdruck", ohne daß ein neuer Preis dafür vereinbart wurde. Der Mann be hauptet nun, es sei ihm gesagt worden, diese zweifarbigen Etiketten kosten auch nur 5 M." Wir berechneten sie ihm zu 13 M. 50 Pf., er bezahlt aber nur 5 M. Im ersten Termin ersucht er um Eides zuschiebung. Unser Anwalt sagt, wenn er beantragen würde, daß im zweiten Termin dem Mann der Eid nicht zugeschoben werde, so wiese das Gericht die Klage sofort ab, weil wir nicht beweisen könnten, daß kein Preis telephonisch vereinbart worden sei. Unseres Erachtens muß der Mann anders als durch Eid be weisen können, was er behauptet. Das kann er nicht. Haben in Streitfällen telephonische Abmachungen, weil zu leicht Mißver ständnisse möglich sind, keine Gültigkeit ? Antwort unseres rechtskundigen Mitarbeiters: Die von dem Anwalt der Fragestellerin geäußerte Rechtsansicht ist zutreffend. Nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts muß derjenige, der auf Grund eines Vertrages eine angemessene oder übliche Vergütung fordert, dem Einwande des Beklagten gegenüber, daß eine geringere Vergütung vereinbart sei, nachweisen, daß eine solche Vereinbarung nicht getroffen worden ist (vgl. RG. Bd. 57 S. 49 und in Jur. Wochensc.hr. 1907 S. 175 Nr. 13). Im vorliegenden Falle muß also, da der Besteller behauptet, daß auch für die farbigen Etiketten der Preis von 5 M. vereinbart worden sei, während Fragestellerin dies bestreitend den ange messenen Preis fordert, letztere beweisen, daß der Preis von 5 M. nicht vereinbart worden sei. Fragestellerin muß also über diese Tatsache entweder den Eid zuschieben oder den Ange stellten als Zeugen benennen, welchem gegenüber der Besteller nachträglich die farbigen Etiketten bestellt hat, vorausgesetzt, daß ein Angestellter letztere Bestellung entgegengenommen hat; sonst bleibt eben nur die Eideszuschiebung als Beweismittel übrig. Die Ansicht der Fragestellerin, daß nach der Recht sprechung telephonische Abmachungen im Streitfälle ungültig seien, ist rechtsirrtümlich. Das Gesetz sieht ja in § 147 BGB den Abschluß von Verträgen mittels Fernsprechers ausdrücklich vor, und das Reichsgericht hat die Rechtswirksamkeit solcher Ver träge anerkannt (vgl. RG Bd. 61 S. 127). Durch Mißverständ nisse hervorgerufene Irrtümer berechtigen wie bei allen Ver trägen zur Anfechtung. Verantwortlicher Schriftleiter Siegmund Ferenczi, Friedenau. Zuschriften nur an Papier-Zeitung, Berlin SW 11, erbeten Druck von A. W. Hayn’s Erben, Berlin SW 68, Zimmerstraße 29