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Hauptversammlung am 5. und 6. Dezember 1913 im Papierhaus zu Berlin Fortsetzung zu Nr. 16 Vorsitzender: Dann kommen wir zur Frage 8. Ist die Qualität der nach dem Koenigschen Verfahren herstellbaren Zellulose schon beurteilt worden? Geheimrat Frank : Ich hatte erwartet, daß zunächst von den Praktikern über Versuche mit dieser Koenigschen Zellulose berichtet würde. Ich .wollte zum Chemismus der Sache einige Worte sagen. Vorsitzender : Wir werden Herrn Geheimrat Frank außer- ordentlich dankbar sein, wenn er die Veröffentlichungen von Herrn Geheimrat Koenig ergänzt, die wohl allerseits größtes Interesse erweckt haben. Herr Geheimrat Koenig hat die große Liebenswürdigkeit gehabt, uns einen Vortrag zu versprechen, hat den Vortrag aber zurückgezogen, weil erst Versuche in deut schen Zellstoffabriken ausgeführt werden und er erst nach Been digung derselben mit seinen Mitteilungen hervortreten möchte. Herr Geheimrat Koenig schickte uns aber Proben, damit wir uns die Produkte, die er gewonnen Hat, ansehen können: Zellulose aus Pappel- und Kiefernholz, Treberextrakt, ferner Zellulose aus altem Buchenholz und Zellulose aus Tannenholz, letztere stammt aus Aschaffenburg; ferner Ablaugeproben seines Verfahrens, die als völlig unschädlich dem Vorfluter zugeführt werden können. Wer sich noch für Kunstseide interessiert, so liegt auch hierzu eine Mitteilung vor. Die Zellulose-Produkte sind von Geheimrat Koenig untersucht worden und haben sich für die Kunstseiden fabrikation bewährt. Geheimrat Frank: Ich hatte gehofft, daß mein verehrter Freund Koenig heute selbst hier sein würde, um uns über seine Arbeiten Auskunft zu geben. Da das leider nicht der Fall ist, und da außerdem die ganze Sache noch in den Kinderschuhen steckt, ihr von anderer Seite aber so ziemlich die Lebensfähig keit abgesprochen wird, eine Ansicht, die ich, nebenbei bemerkt, in keiner Weise teile, so möchte ich heute nur einige Angaben dazu machen, nicht um selbst ein überflüssiges Urteil abzugeben, sondern um die weitere Prüfung anzuempfehlen. Zunächst kann ich betonen, daß die Arbeit von Herrn Geheimrat Koenig wissenschaftlich in hohem Grade interessant ist, weil sie uns ein ganz neues Gebiet erschließt. Wenn man auch wohl anführen kann, daß die Benutzung von fixen Alkalien, wie Soda u. dgl., zur Herstellung des Zellstoffes nichts neues ist, so ist die Heranziehung von Ammoniak, also des flüchtigen Alkalis, so viel ich weiß, eine völlig neue Idee, und es gehört sogar ein gewisser Mut dazu, den technischen Schwierigkeiten, die gerade mit der Anwendung des Ammoniaks verbunden sind, entgegenzutreten. Koenig ist darin mit großer Energie vorgegangen, und was von ihm bis jetzt geleistet wurde, läßt auf diesem Gebiete noch weiteres von ihm oder von seinen Nach folgern erwarten. Die ganze Untersuchungs- und Prüfungsmethode von Koenig zeigt uns aber auch, daß er sich der technischen Bedeutung der Aufgabe wohl bewußt ist. Es ist ja zunächst von großer Wichtigkeit bei der Koenigschen Arbeit, daß er damit der Zellstoffabrikation Holzarten erschließt, die für sie bisher un brauchbar waren. So streift er mit der Verwendung von Kiefern holz die Frage der Beschaffung neuer Rohstoffe. Ich weiß nicht, ob viele von den Herren die Arbeiten genau durchgelesen haben. Jedenfalls ist auch die Gewinnung von Harz von großem Belang, und noch besser wäre es, wenn es auf die Weise gelänge, das Kiefernholz nicht bloß auf dem bisherigen Wege des Natron verfahrens, sondern in einer Weise nutzbar zu machen, durch welche ein Zellstoff entstände, der dem Sulfitzellstoff gleich wertig wäre. Das ist die Hauptaufgabe, dann kommt' als zweiter Punkt ein altes Steckenpferd von mir: Das ist die Verwertung der Abfälle der Kochung, also der Ablaugen, für die Herstellung von Viehfutter, also im weiteren Verfolg zur Gewinnung von Fleisch. Die Werte an Futterstoffen, um die es sich dabei handelt, sind ja auch hier schon des öfteren erörtert worden. Ich habe sie vor Jahren schon auf 600 000 Tonnen geschätzt, und heute sind es noch weit mehr, dabei ist noch ganz abge sehen von den Verunreinigungsstoffen, die den Flüssen nicht mehr zugeführt werden. Der Gewinn ist also nach beiden Richtungen hin groß. Die Vernichtung dieser Unmasse von organischen Stoffen, welche geradezu ein Armutszeugnis für die Technik darstellte, würde also beseitigt. Das sind doch Gesichtspunkte, die jetzt, wo die Sache erst im Entstehen ist, nicht so ohne weiteres unbeachtet bleiben dürfen, vielmehr wohl dazu angetan sind, das Interesse und die Tätigkeit der Zellstoff techniker wachzurufen. Es ist mir von anderer Seite noch gesagt worden: Ja, wo will denn Koenig eigentlich hin ? Der Preis von Ammoniak ist bis jetzt noch so hoch, daß eine Konkurrenzfähigkeit gegen über dem Sulfit- oder Sulfat verfahren ganz ausgeschlossen ist, denn 100 kg schwefelsaures Ammoniak stellen sich heute ungefähr auf 28 M. Meine Herren, da bin ich ja nun in der glücklichen Lage, Ihnen aus eigener Wissenschaft einige Fingerzeige geben zu können, die dahin lauten, daß wir betreffs der Gewinnung von Ammoniak heute an einem großen Wendepunkt der Technik stehen, der vielleicht noch bedeutsamer ist, wie seinerzeit die Einführung des Solvayschen Sodaverfahrens. Sie wissen, daß damals eine solche Massenproduktion und zu so niedrigen Preisen für unmöglich betrachtet wurde. In ähnlicher Weise, hoffentlich aber nicht in so akuter Weise, wird sich die Sache beim schwefelsauren Ammoniak stellen. Durch die verschiedenen neuen Verfahren — ich möchte sie der Reihe nach aufzählen, also zunächst das von Frank und Caro zur Nutzbarmachung des Calciumcarbids zur Bindung des Luftstickstoffes, weiter das von Serpeck, das mit Aluminiumcarbid nach ähnlicher Richtung geht, und endlich durch die hochbedeutsamen Arbeiten von Professor Haber in Karlsruhe (jetzt in Berlin) — sind für die Gewinnung von Ammoniak Rohstoffquellen von unermeß licher Bedeutung erschlossen, denn die ganze Atmosphäre ist damit für uns Chemiker erobert. Wir können also den Stick stoff der Atmosphäre unmittelbar in Ammoniak umwandeln. Um Ihnen zu zeigen, um welche Mengen es sich dabei handelt, und auf der anderen Seite wie langsam auch solche Sachen vorwärts gehen, möchte ich nur anfuhren, daß nach meinen und Caros Patenten, von denen die ersten im Jahre 1895 ge nommen sind, in dem letzten Jahre 208 000 Tonnen Calcium- cyanamid als Stoff für die Ämmoniakgewinnung hergestellt sind, und jetzt so viele, Fabriken für die Herstellung dieses Materials neu ausgebaut werden, daß wir im nächsten Jahre auf 350 000 Tonnen Kalkstickstoff kommen werden. Jede Tonne Kalkstickstoff von 20 v. H. N-Gehalt entspricht einer Tonne schwefelsauren Ammoniaks, also einer Vierteltonne reinen Ammoniaks. Nach der Richtung hin ist also die Ge winnung des Ammoniaks, die vor kurzem noch lediglich auf die Gasanstalten und Kokereien beschränkt war, zu einer großen Industrie geworden, die ganz unabhängig ist von der Koks erzeugung. Es wäre durchaus keine waghalsige Idee, diese neue Quelle von Ammoniak auch für die Zellstoff-Industrie heran zuziehen. Eine andere Frage ist nun freilich die: Wie werden sich die Maschinenbauer und Kesselschmiede mit dem Ammoniak abfinden, namentlich bei dessen Verwendung unter hohem Druck ? Daß das Ammoniak für alle Armaturen ein sehr wenig erfreu liches Angriffsmittel und sehr unwillkommen ist, wissen wir zwar, aber wenn die Frage erst ernsthaft gestellt ist, dann wird sie auch gelöst werden. In bezug auf Herstellung widerstands fähiger Legierungen haben wir jetzt eine so große Auswahl, daß nach der Richtung hin kaum noch eine Besorgnis herrschen kann. Sie sehen das bei dem Haberschen Verfahren: Bei der Badischen Anilin- und Sodafabrik in Mannheim wird mit Druck bis zu 120 Atmosphären gearbeitet. Diese Schwierigkeit wird sich also auch beseitigen lassen. Die andere Frage ist die, wie sich die Futtermittel werden verwerten lassen. Ich glaube, auch da wird es nicht allzulange dauern, bis die Sache in Ordnung ist. Wir haben mit den neuen Stickstoffdüngern auch nahezu 18 Jahre arbeiten müssen, ehe wir zu Rande gekommen sind. Auf jeden Fall — ich möchte das an dieser Stelle betonen, weil eine Menge jüngerer Fach genossen hier sitzen, die das Schlußergebnis erleben werden — verdienen die Koenigschen Versuche die größte Aufmerksamkeit und die höchste Beachtung der Zellstoff-Industrie, denn wir stehen hier vor ganz neuen Aussichten, die sich auch für die Industrie, namentlich in bezug auf die Versorgung mit Rohstoffen und auf Herbeischaffung von neuen Hilfsmitteln durch die Verwendung harzhaltiger Hölzer eröffnen. (Lebhafter Beifall. Klatschen.) Vorsitzender: Ich möchte bitten, in eine Kritik des Koenig schen Verfahrens heute nicht einzutreten, sondern es bei den ausgezeichneten Ausführungen des Herrn Geheimrats Frank bewenden zu lassen, und zwar deshalb, weil Herr Geheimrat Koenig uns einen Vortrag versprochen hat, sobald er mit seinen Arbeiten fertig ist, und ich glaube, wir müssen diesem Wunsche