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Oudepekela. Ende des 19. Jahrhunderts wurden daselbst wieder zwei Fabriken gebaut, die „Wilhelmina” und „Ceres”. Der langjährige technische Leiter der „Wilhelmina”, der im März 1912 im Alter von 73 Jahren verstorbene Herr Wilh. Dick, hatte in den 1860 er Jahren bei den Herren Gebr. Werse- beckmann in Münster, Westf., und bei Herrn Wilh. Connemann in Leer, Ost friesland, nachdem er in der Homburger Papier mühle, Kreis Gummersbach-, Bez. Köln, ausgelernt hatte, noch mit der Hand Strohpappen gemacht. Er war einer der ältesetn Strohpappenmacher Hollands. Akt.-Ges. „Ceres” arbeitet mit zwei Fabriken. Die größten Fabriken Oudepekelas sind im 20. Jahrhundert erbaut, die neueste ist „Britannia”, eine schöne Anlage, die jetzt mit zwei Maschinen arbeitet, deren Betrieb jedoch erweitert werden soll. Die neuesten großen Fabriken arbeiten alle auf genossen schaftlicher Grundlage: Sie werden von Strohlieferern (Land wirten) erbaut. Vom Rohgewinn werden erst alle Unkosten, Löhne, Zinsen, Abschreibungen bestritten und der Ueberschuß als Strohpreis den Strohlieferern, zugleich Teilhabern der Ge sellschaft, ausgezahlt. Bei der Strohbezahlung wird das Stroh nach Art und Güte bewertet, Roggenstroh wird am besten, Gerstenstroh am schlechtesten bezahlt. Der bezahlte Stroh preis ist also der Maßstab der Dividende. Große Unterschiede, sogar solche von 100 v. H., kommen bei den verschiedenen Fabriken im selben Jahre vor. So zahlte in 1913 eine große Fabrik ihren Lieferanten-Teilhabern für 1000 kg besten Roggen strohs 60 M., eine andere große Fabrik für dieselbe Sorte Stroh nur 27 M. In der Zeit, für welche obengenannte Preise gezahlt wurden, nämlich im Geschäftsjahr 1912 bis 1913, war der all gemeine Marktpreis des Roggenstrchs nicht höher als 25 M. die 1000 kg. Die genossenschaftlich betriebenen Fabriken „Ons Belang” (drei Maschinen) in Stadskanaal und „D. O. S.” (zwei Maschinen) in Coevorden arbeiten mit Zerfaserern anstatt mit Kollergängen. Jeden Kocher bedient ein Zerfaserer, und gußeiserne Förder schnecken bringen das gekochte Stroh aus dem Behälter unterm Kocher in den Zerfaserer. In der Fabrik „D. O. S.” wird der Stoff dann in einem Holländer mit zwölf Walzen weiter be handelt und geht nur einmal den Weg einer Schlangenlinie durch diesen Holländer. Die Grundwerke sind verstellbar, auf zwei durchgehende Wellen sind je sechs Messerwalzen gekeilt. Die eine Pappenmaschine dieser Fabrik hat eine Arbeitsbreite von 2,25 m und kann mit 22 durch Abdampf geheizten Trocken zylindern in 24 Stunden 30 000 kg Strohpappe liefern. Die zweite Maschine dieser Fabrik hat 3,25 m Arbeitsbreite und arbeitet mit Saugwalze, die Entwässerung durch Saugwalze ist jedoch für mittlere und stärkere Strohpappen ungenügend. Zurzeit gibt es in Holland 21 Strohpappenfabriken, davon zwei im Bau. In 1915 werden die Strohpappenfabriken Hollands über 800 000 Kilo Pappe im Tag herstellen. Das für diese Leistung nötige Stroh muß auf einer Fläche von 8000 qkm wachsen Die jetzt im Bau begriffene Strohpappenfabrik „De Halm” in Hoogkerk bei Groningen soll die größte ihrer Art in Holland werden. Die benötigte Kraft von 4—5 Millionen Kilowatt soll von der neu zu bauenden provinziellen Ueberlandzentrale der Provinz Groningen bezogen werden. Die Fabrik soll 35 Millionen Kilo Stroh im Jahr verarbeiten. Die Gebäude kosten 600 000 M., die fertige Anlage ist auf 3% Millionen M. veranschlagt. Es werden zwei Häckselmaschinen von Nyblad in Papenburg von je 6000 kg stündlicher Leistung aufgestellt. Die zehn Kocher vcn 4’ m Durchmesser erhalten je einen Zerfaserer, Patent Himmelreich. Die Kocher werden mit mechanischen Stampfern für das Füllen des Häcksels versehen. Der Dampf eines fertigen Kochers wird, soweit wie möglich, in einen frisch gefüllten Kocher geblasen. Unter Zufügung von gelöschtem Kalk (10 v. H. des Strohgewichts) wird bei rund 5 Atm. Ueberdruck 3 bis 4 Stunden gekocht. Vier Pappenmaschinen sollen täglich 90 000 kg Pappe liefern. Die größte Maschine wird 2,60 m breit. Zwei Maschinen werden geliefert von der Maschinenfabrik Banning & Seybold in Düren, und zwei durch Wilh. Heuer Söhne, Maschinenfabrik in Leer, Ost friesland. Die Fabrik er hält Anschlußgleis an die Strecke Härlingen-Neuschanz und hat eigenen Hafen von 20 m Breite. Baumeister dieser Fabrik sind die Fabrik-Architekten Gebr. G. & W. Wieringa in Coe vorden, Holland. Die andere im Bau befindliche Fabrik ist die Strohpappen fabrik „Reiderland" in Winschoten, diese soll mit drei Maschinen 60 000 kg täglich herstellen. Beide Strohpappenfabriken, „De Halm” und „Reider- land”, werden durch Gutsbesitzer errichtet, deren Ackerbau güter in den fetten Marschgegenden an der Nordsee und am Dollart liegen. So steht die Strohpappen-Erzeugung in Holland auf an sehnlicher Höhe. Die Körnergewinnung aus dem Häcksel wird hier jedoch völlig vernachlässigt. Auch der Nutzbarmachung der Abwässer wird kein Augenmerk zugewandt. Diese Ab wässer könnten zur Bewässerung von Oedländereien dienen, wie dies in Deutschland für Wiesenanlagen erprobt ist. Auch die Behandlung des Kalkes könnte zweckmäßiger sein. C. D. Verlängerung der Handelsverträge) Zu der Erklärung des Staatssekretärs von Delbrück im Reichs tag, Fdaß die Regierung die geltenden Handelsverträge nicht zu kündigen und demgemäß auch keine Zolltarif-Novelle einzubringen beabsichtige, schreibt der Handelsvertragsverein unter anderm: „Wir hatten wenigstens aus versemedenen Anzeichen schon seit längerer Zeit den Eindruck gewonnen, daß die Regierung mit dem Gedanken umgehe, zu versuchen, ob sich nicht auf direkterem und bequemerem Wege als bisher die Fortsetzung unseres Handels vertragsverhältnisses mit dem Ausland ermöglichen lasse. .. . Die Form,'*: in welcher sich bisher die Erneuerung der Handels verträge vollzog, war ein merkwürdiger und umständlicher Umweg: Zwei Nachbarn sind durch eine Mauer getrennt, die ihnen an der einen und anderen Stelle etwas zu hoch oder zu niedrig vorkommt; anstatt nun unter gegenseitiger Verständigung vorhandene Lücken auszufüllen und überflüssige Steine fortzunehmen, bauen sie — jeder auf seiner Seite, unabhängig voneinander — die Mauer bis zu einer sinnlosen Höhe und verhandeln dann nachträglich darüber, wieweit sie nunmehr die Steine wieder fortnehmen wollen, um zum Schluß wieder auf den ungefähren ersten Stand zurückzukommen! Aber nicht nur ein äußerlicher Umweg zum Ziele war diese Form der Vertragsvorbereitung, sondern auch unter dem Gesichtspunkt der inneren Politik verwerflich: Die Erregung und Störung des ge samten Wirtschaftslebens, welche die Aufstellung eines neuen Zoll tarifs jedesmal mit sich brachte, der Ansturm der Interessenten, welche ihre dadurch aufgestachelten Zollwünsche an den Mann zu bringen suchten, das Feilschen und Verhandeln zwischen den ver schiedenen Branchen, zwischen den politischen Parteien und zwischen allen diesen und der Regierung, die künstliche Erweckung schutz- zöllnerischer Hoffnungen durch die Aufstellung des Generaltarifs und ihre vielfältige Enttäuschung durch die in den Vertrags-Ver handlungen erfolgende Wiederherabsetzung der Zölle, die analoge Verstimmung derjenigen Ausfuhrkreise, welche ihre Hoffnung-auf Erzielung weitergehender Konzessionen im Auslande nicht erfüllt sahen, schließlich die Lahmlegung der ganzen parlamentarischen Arbeit durch den lange Monate sich hinziehenden, kräfteaufreibenden Kampf um den Zolltarif, — alles dies läßt es begreiflich erscheinen, daß man sich in der Regierung fragte: Lohnt die — verhältnismäßig doch nur geringe — Verschiebung des Zollniveaus hüben und drüben einen derartigen Aufwand von Zeit und Kraft, eine derartige all gemeine Verärgerung ? Umgekehrt ist auch vom Standpunkt des Ausfuhrpolitikers aus jenes System nicht besonders schätzenswert. Denn es ist ja bekannt, in welchem Ausmaße jedesmal bedenkliche Zollerhöhungen als harmlose „Kampfzölle" oder „Verhandlungszölle" in den General tarif eingeschmuggelt werden, — ein Trick, durch welchen merk würdigerweise zahlreiche Politiker sich immer wieder fangen lassen, die dann hinterher vom Vertragsstaat nicht in erwartetem Umfang abgehandelt werden, so daß das schließliche Zollniveau meist hüben wie drüben höher ist als vorher und die Handelsverträge nicht Ver besserungen, sondern nur noch gemilderte Verschlechterungen des internationalen Warenaustausches bringen. Freilich wird man von verschiedenen Seiten nun Aeußerungen der Enttäuschung solcher Interessenten hören, welche einzelne Aenderungen des Zolltarifs infolge von Unstimmigkeiten, die bei der en bloc-Annahme 1903 stehen geblieben sind oder infolge von Aenderungen der Technik und Marktlage seit 1903 dringend wünschen müssen. Aber diese mögen sich gegenwärtig halten, daß auch bei grundsätzlicher Verlängerung der geltenden Handelsverträge nicht jede Abänderung derselben ausgeschlossen ist. Im Gegenteil hat der Staatssekretär wohl die Möglichkeit solcher andeuten wollen, als er sagte: „Wenn Vertragsstaaten sich mit uns einigen wollen, so würde der bestehende Zustand allen Verhandlungen zugrunde liegen." Wenn wir diese Worte richtig auslegen, so würde bei der Verhandlung mit den einzelnen Vertragsstaaten über die Ver längerung des geltenden Vertrages gleichzeitig besprochen werden, ob und welche Abänderungen oder Ergänzungen des Vertrages vorgenommen werden sollen. Zum mindesten steht grundsätzlich dem nichts im Wege, daß statt auf Grund beiderseitiger neuer auto nomer Zolltarife auch auf Grund der beiderseits geltenden vertrags mäßigen Einfuhrtarife einige neue gegenseitige Zugeständnisse erörtert und vereinbart werden, so daß dann der Reichstag statt einer Novelle zum Zolltarif Novellen zu den betreffenden Handels verträgen vorgelegt bekommt.