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136 PAPIER-ZEITUNG Nr. 5/1914 Unverlangte Ansichtskarten an Mitglieder von allerlei Vereinen Zu Nr. 3, S. 72 Eine mir bekannte städtische Lehrerin bekam eine solche Sen dung. Ich diktierte ihr eine offene Postkarte, in der sic der Firma Rehn & Linzen in Kassel kurz mitteilte, daß ihr die Karten zur Ver fügung stünden. Einige Tage später erhielt die Dame als Druck sache ein vom Stein abgezogenes Schreiben, in dem sie gebeten wurde, die Karten zurückzusenden. Dieser Drucksache lagen 20 Pf. in Marken für Rücksendungsporto und eine 5-Pf.-Marke bei, welche wohl den Gegenwert für die der Firma geschriebene Karte dar stellen sollte. Welcher Art die Bestrebungen der Firma sind, unterliegt wohl keinem Zweifel. Es ist nur sehr bedauerlich, daß durch aie Tätigkeit dieser Firma die Papierhändler arg geschädigt werden. Diese Art Geschäfte müßten entschieden bekämpft werden. Großhandlung. Geld-Einzug vor Weihnachten Es ist mir und wohl auch anderen Ladenbesitzern aufgefallen, daß eine Menge kleiner, oft kaum verfallener Pöstchen seitens der Fabrikanten zum Einzug durch Postnachnahmen in den letzten Tagen vor Weihnachten angekündigt wurden, zu einer Zeit also, wo in einem einigermaßen gehenden Papiergeschäft niemand Zeit hat, sich mit solchen Dingen zu befassen. Dies beweist mir, wie gedankenlos und schematisch in manchen Buchhaltungen gearbeitet wird. Der Herr Privatbeamte am Debitorenbuch möchte zum Jahresschluß einen recht sauberen Buchauszug erzielen, der kleine Kunde soll eben seine fälligen Beträge einsenden, dann wird er nicht vom Postboten belästigt. Man denkt aber nicht daran, daß der Ladenbesitzer in dieser Zeit oft keine Muße zu einer richtigen Mahlzeit und kaum ein paar Stunden Schlaf sich gönnt, besonders wenn auch noch Werkstatt mit dem Betrieb verbunden ist, und jeder freie Augenblick, den ihm die Kundschaft läßt, mit dem Ordnen des Lagers, Ueberschreiben der Aufträge für Werkstatt und Lieferanten, Abnahme und Preisberechnung der fertigen Arbeiten und tausend anderen Dingen ausgefüllt ist. Die Herren, die be haglich hinter ihren Büchern sitzen, möchten sich hieraus ein Bild machen, wie es dem oft etwas über die Achsel angesehenen Laden besitzer zu Mute ist. Wir Händler sind gezwungen, auf unsere Kundschaft die weitgehendste. Rücksicht zu nehmen und können daher auch von unseren Lieferanten etwas davon erwarten. Nach den Feiertagen wird jedem ordnungsliebenden Geschäfts mann ein Auszug zum Vergleich mit den eigenen Buchungen will kommen sein. Kann also ein eifriger Buchhalter sich nicht be herrschen, so möge er seine Läpperpöstchen fein säuberlich im voraus herausschreiben, gebe sie aber nicht vor dem heiligen Abend zur Post. Der kleine Zinsverlust von 8 lagen wird wohl keinen Zusammenbruch verursachen. C. B. Z. Der Schreibwaren-Händler als Buchdruck- Lehrmeister Ich bin gelernter Kaufmann und betreibe seit 28 Jahren eine ‘ Buchhandlung und Papiergeschäft, dem ich seit 25 Jahren eine Buchbinderei angegliedert habe. Seit 15 Jahren habe ich eine Ak zidenzdruckerei eingerichtet. Ich beabsichtige einen Lehrling einzu stellen. Bin ich bei dieser Sachlage zur Ausbildung eines solchen berechtigt ? Diese soll sich nicht nur auf die Tätigkeit in der Werk stätte, sondern auch auf die Tätigkeit ün Ladengeschäft erstrecken. Ist dies angängig, ohne gegen die Gewerbe-Ordnung zu verstoßen ? Sonstiges Personal beschäftige ich gegenwärtig nicht. M. Wenn Fragesteller 15 Jahre lang eine Buchdruckerei selb ständig in solchem Umfange betrieben hat, daß die sachgemäße Ausbildung von Buchdruckerlehrlingen gewährleistet ist, so hat er Anspruch auf die Gewährung der Befugnis zur Ausbildung solcher Lehrlinge. Die Gewerbeordnung verlangt eine mindestens dreijährige Lehrzeit; im Buchdruckgewerbe ist für Setzer- oder Druckerlehrlinge eine vierjährige Lehrzeit gewerbsüblich. Frage- steiler hat die Verpflichtung dafür zu sorgen, daß der Lehrling nach Beendigung der Lehrzeit imstande ist, die Gehilfenprüfung vor dem Prüfungsausschuß der zuständigen Handwerkskammer zu bestehen. Durch die zeitweilige Beschäftigung des Lehrlings im Ladengeschäft darf die technische Ausbildung nicht be einträchtigt werden. B. Verkauf von Ansichtspostkarten auf Krammärkten. Auf Er suchen einer Behörde äußerte sich die Handelskammer zu Koblenz gutachtlich über die Frage, ob ein Händler, der auf Krammärkten, Kirmessen usw. Ansichtskarten feilgeboten hatte, eines Wander gewerbescheines nach § 55 der Gewerbeordnung bedurft hätte, oder ob er verpflichtet gewesen wäre, ein Verzeichnis der von ihm ver triebenen Waren bei sich zu führen und vorzulegen (§ 56 Gew.-Ord nung). Die Kammer verneinte beide Fragen, da der Betreffende im vorliegenden Falle Ansichtspostkarten auf einem Krammarkte, auf dem ihm ein Stand angewiesen war, verkauft habe und im IV. Titel der Gewerbeordnung, der vom Marktverkehr handle, Beschrän kungen der in Rede stehenden Art nicht vorgesehen seien, vielmehr sich aus § 64 ebendort ergebe, daß die beschränkenden Bestimmungen des III. Titels über den Gewerbebetrieb im Umherziehen für den Marktverkehr nicht gelten. Neue Briefmarken. In den Vereinigten Staaten werden nicht weniger als fünf neue Wertzeichen den bisher bestehenden Marken eingegliedert. Und zwar werden fortan 7-, 9-, 12-, 20- und 30-Cent- Marken ausgegeben werden. — Die lang erwarteten neuen Brief marken Aegyptens kämmen am 8. Januar zur Ausgabe. Einzelne der neuen ägyptischen Wertzeichen weisen sehr großes Format auf. Die bisher im Amtsdienst verwendeten Marken mit dem Auf druck ,,O. H. H. S." werden eingezogen. 6 Lage der Nürnberger Bleistift-Erzeugung Die Nürnberger Bleistiftindustrie klagt gegenwärtig über schwierige Geschäftslage. Der Absatz im Inland ist hart umstritten, da in der Ausfuhr Schwierigkeiten der verschiedensten Art auf treten. Japan macht sich in Ostasien mit eigenem Erzeugnis besonders in billigen Sorten stark geltend. Die Ungünstigkeit der Lage wird noch gesteigert durch vereinzeltes besonders billiges Angebot. In manchen Fabriken wird zurzeit mit verkürzter Zeit gearbeitet. Die an die geplante Zollermäßigung nach den Vereinigten Staaten von Amerika geknüpften Hoffnungen werden nicht als ernstlich angesehen. In Frankreich tauchen Schwierigkeiten der verschiedensten. Art neu auf. Während früher die eigenen Marken der Nürnberger Fabriken selbst bei französischen Zusätzen, z. B. der Härtegrade „moyen“ oder ,,dur“ ohne den Stempel des Herkunftslandes Ein gang fanden, wird jetzt auch dafür der schädigende Zusatz „importes de l’Allemagne" oder , de Baviere“ in strengster Weise verlangt, was das Geschäft fast unmöglich machen soll. Die Rohstoffe sind’ teilweise auf der alten, für Zedernholz außerordentlich hohen Prcis- stufe stehen geblieben oder weiter gestiegen, ebenso die Arbeits löhne auf Grund der in den Tarifverträgen festgesetzten Stufen. Im ersten Halbjahre 1913 betrug die deutsche Bleistiftausfuhr 12 034 dz im Werte von 6 Millionen M., gegen 11 142 dz im Werte von 5,12 Millionen M. im ersten Halbjahr 1912. Die größte Aus fuhrsteigerung ist nach Großbritannien zu verzeichnen, das über haupt am meisten bezieht , und in der Berichtszeit 1550 (im Vor jahr 1200) dz übernahm. Der zweitgrößte Abnehmer ist Rußland mit 1103 (922) dz, dann die Vereinigten Staaten mit 945 (753) dz, Britisch-Indien mit 923 (664) dz, Frankreich mit 790 (754) dz. Starke- Rückgänge im Bezug der Nürnberger Bleistifte zeigen Japan von 1028 auf 762 dz, Mexiko von 191 auf 87 dz, Rumänien von 284 auf 70 dz im laufenden Jahre. (Das Handelsmuseum) Unzüchtige Ansichtskarten Vier unzüchtige Neujahrs-Postkarten bildeten den Gegenstand eines Verfahrens, das am 5. April vom Landgericht I in Berlin statt fand. Das Gericht erkannte auf Unbrauchbarmachung der Karten, da sie einen deutlichen Hinweis auf den Geschlechtsverkehr ent halten und deshalb das Scham- und Sittlichkeitsgefühl in geschlecht licher Beziehung verletzen. Gegen das Urteil hatte als Einziehungs interessent der Buchdruckereibesitzer B., Inhaber der offenen Handelsgesellschaft S. B. in Berlin, Revision eingelegt, der als Verleger der Karten die Unbrauchbarmachung der Platten als unzulässig hinzustellen suchte, da lediglich der Text nicht aber die Bilder als unzüchtig angesehen worden seien. Das Reichsgericht erklärte jedoch das Urteil für bedenkenfrei und verwarf deshalb am 21. Oktober die Revision. (2 D 479/13) (Nachdruck verboten) Abbildungen unzüchtig machen Reichsgerichts-Entscheidung. Nachdruck verboten Das Landgericht Karlsruhe hat am 20. September den Hausierer Johann Ulrich Engelmann wegen Verbreitung und Feilhaltens unzüchtiger Ansichtspostkarten zu der hohen Strafe von 1 Jahr Gefängnis und 3 Jahren Ehrenrechtsverlust verurteilt. Der An geklagte betreibt in Pforzheim einen Handel mit Ansichtspost karten. Es sind bei ihm eine Anzahl von Ansichtspostkarten be schlagnahmt worden, welche Nachbildungen von Kunstwerken» meist nackte mit einem Schleier versehene Frauenspersonen dar stellen. Wie ausdrücklich festgestellt ist, sind diese Abbildungen an sich durchaus nicht unzüchtig, aber der Angeklagte hat ihnen dadurch einen unzüchtigen Charakter beigelegt, daß er sie an einer bestimmten Stelle durchlochte und ihnen eine so auf das Geschlecht liche hinziehende Bedeutung gab. Das Gericht hat die Vernichtung der beschlagnahmten Karten angeordnet, aber nicht zugleich auf die Vernichtung der Platten usw. erkannt, weil die unversehrten Bilder in keiner Weise zu beanstanden sind. Die Strafe wurde deshalb so hoch bemessen, weil der Angeklagte vielfach wegen ähnlicher Delikte vorbestraft ist und weil der sittenverderbende Einfluß seines Treibens eine besonders schwere Sühne zu erfordern schien. Die Revision des Angeklagten wurde am 17. November vom Reichsgericht verworfen. (1 D 1150/13.)