Volltext Seite (XML)
Schutzverband für die Postkarten-Industrie, E. V. Sitz Berlin Vom Schutzverband für die Postkarten-Industrie wird uns mitgeteilt, in letzter Zeit seien mehrfach Klagen darüber ■eingelaufen, daß durch eine neue Verfügung Ansichtskarten bei Einfuhr nach Rußland einer Zensur unterworfen und da durch, abgesehen von anderen Unzuträglichkeiten, verspätet an die russischen Empfänger zugestellt würden. Die Handelskammer zu Berlin, an die sich der Schutzverband für die Postkarten-Industrie in dieser Frage gewandt hatte, ist deshalb bei dem deutschen Generalkonsulat vorstellig ge worden und hat darauf die Antwort erhalten, daß der Erlaß vom 19. Oktober, auf den sich die Klagen beziehen, nur die schon früher bestehenden gesetzlichen Vorschriften in Er innerung bringe und ein Vorgehen gegen diese Maßnahme keine Aussicht auf Erfolg verspricht. Kunst und Moral Der Schreibwarenhändler muß sich oft die Frage vorlegen, ob ein Bild, eine Ansichtskarte u. dgl. unzüchtig ist oder nicht. Der Privatdozent Dr. Popp hielt kürzlich im „Interkon fessionellen Münchener Männerverein zur Bekämpfung der öffent lichen Unsittlichkeit” einen Vortrag über „Kunst und Moral”, vom Standpunkt der Kunstwissenschaft, der beachtenswerte Gesichtspunkte zur Beurteilung dieser Frage enthält. Die „Mün chener Neuesten Nachrichten” brachten über diesen Vortrag, der lebhaften Beifall hervorrief, folgenden Bericht: Auf allen Gebieten hat das Moralische schwere Kämpfe zu führen. Man gilt lieber als unsittlich, denn als geistig minderwertig. Man mißt auch der Kunst eine viel zu weit gehende erziehlich sittliche Kraft bei. Leider haben aber einzelne Vertreter der Sitt- dichkeitsvereine, wenn auch in bester Absicht, nicht immer eine glückliche Hand gehabt, wenn sie zugunsten ihrer Ideale gegen das Künstlerische glaubten vorgehen zu müssen. Durch all das wird der Kampf für eine einwandfreie Kunst sehr erschwert. Indem wir aber die Herrschaft der Moral über die Kunst als etwas Selbst verständliches anerkennen, ist damit nicht gesagt, daß die Kunst die Moral zum Ziele haben muß. Es ist erlaubt, Darstellungen von dem zu geben, was im ge wöhnlichen Leben, verhüllt wird — vom Nackten. Die Kunst gibt die Darstellung des menschlichen Körpers in seiner Schönheit oder charakteristischen Eigenart. Weil die körperlichen und geistigen Lebensäußerungen nicht immer nach ihrer Schönheit und vollen Kraft im verhüllten Leibe sich aussprechen, hat auch hier die Kunst die Möglichkeit und Aufgabe, das wechselvolle Spiel von Leib und Seele uns zu enthüllen. Die geschichtliche Betrachtung, wie diese Aufgabe sich im Laufe der Jahrtausende entwickelte, gibt ein über aus interessantes Bild von dem Körper-Ideal der verschiedensten Zeiten und Völker und erbringt den wertvollen Beweis, daß der Begriff des Schönen bei aller gleichmäßigen Grundstimmung doch ■etwas vielfach Wandelbares ist. Die Frage der Erlaubtheit der nackten und erotischen Dar stellung hängt nach christlicher Auffassung, zu der sich auch der Redner vom Standpunkte des Aestheten aus bekennt, davon ab, inwieweit eine solche Darstellung die Sinnlichkeit zu erregen im stande ist. Man muß aber eine bedeutsame Unterscheidung machen: Es gibt eine berechtigte Erregung und Befriedigung der Sinnlich keit, und zwar in dem Sinne, daß auch unser Körper bis zu einem gewissen Grade unbewußt von einer solchen Darstellung angenehm berührt wird. In Farbe, Beleuchtung, Ton kann eine solche Wirkung liegen. Wir wollen ein gewisses Mitschwingen des Sinnlichen bei ■der Betrachtung des Nackten gelten lassen, aber damit nicht die billigen Phrasen von der „schönen Sinnlichkeit” kultivieren oder irgendwie unterstützen. Es gilt auch in der Kunst, daß sie eine besondere Fähigkeit hat, die Sinnlichkeit zu läutern, zu erziehen in gesundem und idealem Sinne. Wenn gegen die Darstellung des Nackten in jeder Form Front gemacht wird, so muß gesagt werden, •daß es aus Veranlagung Prüde und Skrupulanten des Nackten gibt. Wer ein nacktes Kind selbst in der frommen Darstellung eines Dürer nicht ertragen kann, der scheidet für uns aus. Solche Leute verletzen die Schamhaftigkeit, indem sie dort, wo der unverdorbene Mensch nichts Bedenkliches sieht, dergleichen wittern. Es gibt Leute, •die als Erzieher nichts Nacktes sehen können. Wie sollen solche Leute mit sich und dem Leben fertig werden ? Im engen Kreis verengert sich der Sinn! Warum wollen wir uns nicht zu der Tat sache bekennen und sie in edler Weise inne werden, daß der Mensch ohne Gewand von Gott geschaffen ist und auch nach dem Sünden falle ohne Gewand zur Welt kommt. Auch aus Mangel an Kunstsinn wird das Nackte häufig falsch beurteilt. Wenn die katholische Kirche Tausende von Nacktdar stellungen teilweise sogar unmotivierter Art und selbst von un leugbarer Derbheit bis auf den heutigen Tag zugelassen hat, wenn das päpstliche Museum des Vatikans alljährlich ungezähltenTausenden Nacktdarstellungen künstlerischer Art zugänglich macht, ohne daß Kirche und Papst das Gefühl haben, sich dadurch etwas zu vergeben, dann dürfen doch christlich Gesinnte aller Konfessionen von solcher Großzügigkeit lernen und mehr Vertrauen zu den guten Eigenschaften und edlen Kräften der menschlichen Natur und der Kunst und zur Gnade haben, an die sie mit dem Munde glauben. Gerade in der heutigen Zeit, in einer Zeit starken Libertinismus, sollten die moralisch interessierten Kreise auf diesem Gebiete der wirksamen Hilfe der Kunst sich nicht begeben. Selbstverständlich ist die Kunst in der Behandlung des Nackten und Erotischen keineswegs vollständig frei. Es müssen sogar wegen der besonderen Gefahr des nackten und erotischen Inhalts von vorn herein alle Elemente ausgeschlossen werden, die erotisch erregen müssen. Die Art der Darstellung ist bei solchem Inhalt höchst bedeutungsvoll. Wir verlangen darum mit Recht die idealisierende Form, ziehen sie jedenfalls der realistischen vor und wollen nicht vergessen, daß selbst so einzigartige Künstler wie Rembrandt eben dürch ihren Realismus in solchen Darstellungen uns teilweise Ver letzen. Die Oeffentlichkeit hat ein absolutes Recht, daß das geistige und sittliche Niveau nicht herabsinkt. Es muß alles Zotenhafte energisch von unsern Straßen und Plätzen, Bibliotheken und Schau fenstern ferngehalten werden. Das gilt auch von der Reproduktion selbst anerkannter Meisterwerke, denn die Reproduktion ist nur ein Auszug aus dem Kunstwerk, fälscht es oft geradezu. Ein uner bittlicher und mutiger Kampf ist gegen die Unzahl von Büchern, Ansichtskarten und Photographien in den Schaufenstern durch zuführen, die literarisch und künstlerisch minderwertig, ja wert los sind. Eine gewisse Oeffentlichkeit engerer und besonderer Art sind die Kunstausstellungen. Sie haben ganz gewiß einen weiten Spiel raum und dürfen auch manches künstlerische Problem bringen, aber sie dürfen nicht, wie es immer wieder geschieht, kitschige und im Motiv widerliche Bilder ausstellen. Es muß aber die Gerechtig keit zugestehen, daß nur 3—4 v. H. aller Darstellungen in Aus stellungen Nacktmotive sind. Von den Ausstellungen moderner Literatur und unseren zügigsten Theater- und Varietenummern könnte man das aber nicht behaupten. Noch bewegungsfreier ist die Ausstellung in den Museen und Galerien. Man muß auch zwischen der Oeffentlichkeit der großen Städte, der Provinzstädte und des Landes unterscheiden. Man muß verlangen, daß in solchen Fragen nicht nur Literaten und Künstler einer Richtung gehört werden. Es gilt den mannhaften Kampf gegen alles. Schamlose, das mit der Kunst nichts oder nur wenig zu tun hat. Es gilt auch den Kampf gegen den Mißbrauch der Kunst durch taktlose Künstler nicht nur im Namen der Sittlichkeit, sondern ebenso sehr auch in dem der Kunst. Das beste Mittel dagegen ist die richtige, sittliche Erziehung im Sinne einer gesunden Gewöhnung an das Nackte und im Sinne einer gewissen Abhärtung. Das beste Mittel ist nicht die Erziehung, die hier zur Flucht und zur Furcht mahnt. Gewiß ist dies Mittel manchmal die einzige Rettung, aber vom Stand punkte der allgemeinen Sittlichkeit aus hat es eine gewisse Minder wertigkeit. Denn die volle Sittlichkeit ist nicht ein Meiden, sondern ein mit der Gefahr Sichauseinandersetzen, ein positives Vollbringen. Der Selbstschutz ist immer der beste Schutz gewesen. Das zweite Mittel ist, das Volk und die Kinder in der Kunst zu erziehen, sie an edlen Kunstwerken zu bilden, Vertrauen zur unverdorbenen Natur zu haben, die Auseinandersetzung des reinen Menschen mit dem Unrat zu studieren und dann zu glauben, daß das Bessere in uns siegt, wenn wir nur wollen und vertrauen. Darüber hinaus muß durch Gesetzgebung und Verwaltung ein besserer Schutz der Reinen und Unmündigen, ein wirksameres Kampfmittel gegen das Unsaubere gefunden werden als bisher. Daß dies Ziel erreicht wird, dazu könnte die Presse aller Parteien viel beitragen. Briefmarkensammlung. Der in New York als Leiter der Papier stoff- und Papiereinfuhrfirma Scandinavian-American Trading Co. ansässige schwedische Kaufmann Hans Lagerlöf hat der General postverwaltung von Schweden zur Einverleibung in ihr Post museum seine etwa 75 000 Marken enthaltende Briefmarkensammlung geschenkt. Ihr Wert ist auf 60 000 Dollar geschätzt. Sie enthält besondere Abteilungen für Stempelmarken und Fälschungen, bg.